Die finanzielle Absicherung im Ruhestand ist für viele Menschen ein zentrales Thema. Wie viel Geld sollte man als Rentner stets liquide und sicher verfügbar haben, um unvorhergesehene Ereignisse abzufedern? Die bekannte Finanzberaterin Suze Orman empfiehlt, dass Rentner ein sogenanntes „Just-in-Case“-Fonds in Höhe von fünf Jahren an Ausgaben bereithalten sollten. Doch trifft diese Empfehlung tatsächlich den Kern der Bedürfnisse von Ruheständlern? Und was bedeutet das konkret für die finanzielle Planung von Menschen im Alter? In diesem Beitrag beleuchten wir die Hintergründe, Vorteile und Herausforderungen dieser Strategie und ordnen sie im Kontext verschiedener Finanzkonzepte ein. Suze Orman zählt zu den prominentesten Stimmen im Bereich der persönlichen Finanzberatung und ist bekannt für ihre klaren Empfehlungen zur Altersvorsorge. Ihre Idee, eine Reserve zu formen, die mindestens fünf Jahre an Lebenshaltungskosten abdeckt, basiert auf dem Risiko, dass der Aktienmarkt oder andere Kapitalanlagen zeitweise erhebliche Verluste erleiden können.
Wenn eine Person im Ruhestand kurzfristig auf ihr Kapital angewiesen ist und der Markt gerade eine Tiefphase durchläuft, könnte der Verkauf von Wertpapieren zu ungünstigen Preisen erfolgen. Das kann langfristig die finanzielle Stabilität gefährden. Der Kern von Ormans Ratschlag liegt darin, liquide Mittel in sicheren Formen wie Geldmarktfonds oder Festgeldkonten/Sparbüchern bereitzuhalten. Diese Anlagen sind zwar weniger rentabel als Aktien oder Anleihen, bieten jedoch Stabilität und jederzeitigen Zugriff auf das Kapital. Im schlimmsten Fall würde der Wert des „Just-in-Case“-Fonds nicht von Marktschwankungen tangiert, sodass Rentner einen längeren Zeitraum überbrücken können, ohne auf riskante Anlagen zurückgreifen zu müssen.
Finanzexperten führen häufig an, dass nach einem markanten Einbruch des Aktienmarkts mehrere Jahre benötigt werden, bis die Kurse sich erholen. Diese Phase kann laut Orman zwischen drei und fünf Jahren liegen, weshalb die Empfehlung bei fünf Jahren maximalen Schutz verspricht. Für Rentner ist das besonders entscheidend, da sie in dieser Phase oft auf stabile Auszahlungen angewiesen sind und Zeitfenster verkürzen, um Verluste zu kompensieren, kaum vorhanden sind. Doch ist eine solch hohe Liquiditätsreserve für alle Rentner praktikabel oder sinnvoll? Kritiker argumentieren, dass ein fünfjähriger Barreservefonds enorme Summen bindet, welche in der aktuellen Niedrigzinsphase kaum Rendite abwerfen. Zudem könnte das Überschreiten dieser Reserve bedeuten, dass der Rentner in der Zukunft weniger Geld für Wachstum und Inflationsschutz hat.
Gerade in Zeiten mit steigenden Lebenshaltungskosten kann es somit kontraproduktiv wirken, zu viel Kapital in risikoarmen, aber wenig rentablen Anlagen zu belassen. Darüber hinaus muss die persönliche Lebenssituation berücksichtigt werden. Wer gesundheitlich sehr stabil ist und ein geringes Risiko für unerwartete Ausgaben sieht, kann eventuell auch mit einer geringeren Reserve auskommen. Hingegen können Rentner, die mit unsicherer Einkommenslage oder hohem Bedarf an Pflege und Unterstützung rechnen, von einer großzügigen Liquiditätsreserve profitieren. Auch das Vermögen der Familie, mögliche Erbschaften oder zusätzliche Einkünfte durch Rentenzahlungen oder Mieteinnahmen sind wesentliche Faktoren bei der Entscheidung über die Höhe eines Notfallfonds.
Neben der individuellen Situation beeinflussen auch psychologische Aspekte die Entscheidung. Ein großzügiger „Just-in-Case“-Fonds kann das Sicherheitsgefühl erheblich steigern und Stress gegenüber Finanzmarktbewegungen reduzieren. Viele Menschen können sich besser auf ihren Ruhestand freuen, wenn sie wissen, dass sie mehrere Jahre finanziellen Spielraum haben, unabhängig von Konjunkturschwankungen oder politischen Ereignissen. Die Empfehlung, nicht in vollem Umfang immer nur in Aktien oder langfristig gebundene Anlagen zu investieren, ist auch in anderen Finanzstrategien verbreitet. Die sogenannte Bucket-Strategie sieht vor, Kapital in unterschiedliche zeitliche „Eimer“ zu unterteilen: Kurzfristige, sichere Anlagen für Ausgaben der nächsten Jahre, mittelfristige Anlagen für die darauffolgenden und langfristige, renditestarke Investments für die ferner liegenden Jahre.
Dieses Konzept funktioniert ähnlich wie Ormans 5-Jahres-Reserve und hilft, Marktrückgänge abzufedern. Wer sich entscheidet, ein solches Polster aufzubauen, sollte dies systematisch planen. Schrittweise Umverteilungen von Volatilitäts-Anlagen zu sicheren Geldmarktfonds oder ähnlichen Instrumenten sind ratsam, um nicht an einem ungünstigen Zeitpunkt Kapital zu veräußern. Dabei ist es essenziell, die Liquiditätsbedarfe realistisch zu ermitteln und den Notfallfonds aktuell zu halten, indem man beispielsweise jährlich überprüft, ob die Ausgabenbasis gestiegen ist. In der Praxis stellt sich die Frage, wie viele Rentner ihre Finanzen in der Praxis entsprechend anpassen können.
Viele besitzen zwar Ersparnisse, doch sind diese häufig in Aktien, Pensionsfonds oder Immobilien investiert. Die Liquidation von Immobilien als kurzfristige Reserve ist oft langwierig und mit Nebenkosten verbunden, sodass hier alternative liquide Formen Vorrang haben sollten. Zusätzlich spielen steuerliche Überlegungen eine Rolle. In manchen Ländern oder Bundesstaaten kann der Verkauf von Wertpapieren in der Lebensphase vor oder im Ruhestand hohe Steuern auslösen, was die Nutzung eines reinen Kapitalmarktfonds für Liquiditätsreserven kompliziert macht. Geldmarktkonten oder Tagesgeld bieten oft Vorteile bei der unkomplizierten Verfügbarkeit und geringeren steuerlichen Belastung.
Zusammenfassend ist die Empfehlung von Suze Orman, eine fünffache Jahresausgabe als Notfallfonds zu halten, eine konservative und sicherheitsorientierte Strategie, die insbesondere in unsteten wirtschaftlichen Zeiten Schutz bieten kann. Für Menschen, die Marktschwankungen und mögliche Geldverluste im Alter fürchten, schafft diese Herangehensweise wichtige Puffer und reduziert das Risiko, Vermögen in ungünstigen Momenten zu veräußern. Ob diese Empfehlung für jeden Rentner ideal ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Die eigene finanzielle Situation, das Anlageportfolio, die erwarteten Ausgaben, steuerliche Rahmenbedingungen sowie persönliche Präferenzen spielen eine entscheidende Rolle. Ein Finanzplaner kann helfen, die eigene Situation besser einzuschätzen und das individuelle Polster angemessen zu bemessen.
Angesichts der zunehmenden Unsicherheiten an den Finanzmärkten und der steigenden Lebenserwartung ist das Thema Sicherheit im Ruhestand relevanter denn je. Ein wohlüberlegtes „Just-in-Case“-Fonds ist keineswegs ein Zeichen von Übervorsicht, sondern unter Umständen eine kluge Absicherung, die die Lebensqualität im Alter schützt und finanzielle Sorgen lindert. Wer die Balance zwischen Renditeerwartungen und Sicherheitsbedürfnissen findet, legt den Grundstein für einen sorgenfreien Ruhestand, selbst wenn die Märkte mal ins Stocken geraten.