Die Europäische Kommission befindet sich in Eile, ihre Strategie zur Förderung von Quantencomputing und Supercomputing vorzeitig zu präsentieren. Statt wie ursprünglich geplant im dritten Quartal 2025 soll der umfassende Plan bereits am 2. Juli vorgestellt werden. Diese beschleunigte Vorgehensweise zeigt die Dringlichkeit, mit der die EU ihre technologische Souveränität im Bereich hochentwickelter Technologien sichern will. Die Strategie richtet sich auf den Ausbau von Quantencomputing-Technologien, die als Schlüsseltechnologien für zukünftige Durchbrüche in unterschiedlichen Sektoren gelten, insbesondere in der Medizin und im Finanzwesen.
Quantencomputing hat das Potenzial, komplexe Probleme mit einer Rechenleistung zu lösen, die herkömmliche Computer weit übertrifft, was neue Möglichkeiten für Forschung, Entwicklung und kommerzielle Anwendungen eröffnet. Die Europäische Kommission begann bereits Anfang Mai 2025 eine Konsultation zum Entwurf der Strategie. Ziel ist es, einen Rahmen zu schaffen, der die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Fragmentierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vermeidet. Ein zentrales Anliegen ist die Umsetzung der Europäischen Erklärung zu Quanten-Technologien, die im Frühjahr 2024 von den Mitgliedsstaaten unterzeichnet wurde. Diese bündelt die Absicht, Ressourcen, Forschungskapazitäten und industrielle Kompetenzen zu vernetzen, um gemeinsam ein starkes, wettbewerbsfähiges Ökosystem zu schaffen.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf dem Aufbau von europaweiten Infrastrukturen, wie Plattformen für die Herstellung von Quantenchips und spezialisierten Rechenzentren für Quantencomputer. Die Sicherstellung einer stabilen Versorgung mit kritischen Komponenten wird als entscheidend angesehen, um die technologische Unabhängigkeit zu gewährleisten und Versorgungskettenrisiken zu minimieren. Die EU hat sich in der Grundlagenforschung im Bereich Quantenphysik und -technologien bereits etabliert, doch fehlt es vielfach noch an der industriellen Kapazität, um diese Erkenntnisse in marktgerechte Produkte und Anwendungen zu überführen. Insbesondere mangelt es an Kompetenz bei der Herstellung von Quantenprozessoren und weiterer Hardwarespezifika, die essenziell sind, um eine robuste und wettbewerbsfähige Industrie zu etablieren. Diese Abhängigkeit von außereuropäischen Lieferanten führt zu besorgniserregenden Engpässen und Risiken, die die technologische Souveränität gefährden könnten.
Die Kommission sieht hierin eine dringende Herausforderung, die durch die neue Strategie adressiert werden soll. Während ihrer Anhörung im Europäischen Parlament versprach die Technologiefachkommissarin Henna Virkkunen, eine umfassende Strategie zur Stärkung der Quantencomputing-Technologien vorzulegen. Ihre Mission, formuliert von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, hebt die Notwendigkeit hervor, in die nächste Welle von sogenannten ‚Frontier Technologies‘ zu investieren und Europas Position in diesen Schlüsselbereichen zu stärken. Parallel dazu betonte der Bericht ‚Draghi Report on Competitiveness‘, dass Quantencomputing eine fundamentale Säule für die nächsten Generationen digitaler Infrastruktur darstellt. Mit potenziellen Auswirkungen im Umfang von bis zu 850 Milliarden Euro auf die europäische Wirtschaft in den kommenden 15 bis 30 Jahren ist die wirtschaftliche Relevanz enorm.
Die neuen Technologien versprechen erhebliche Innovationsimpulse, die dafür sorgen könnten, dass Europa in Zukunft eine führende Rolle in der globalen digitalen Transformation einnimmt. Neben den wirtschaftlichen Aspekten spielen auch Sicherheitsfragen eine bedeutende Rolle. Quantum-Technologien können die Kommunikationssicherheit revolutionieren und sind somit für staatliche und zivile Anwendungen von höchster Wichtigkeit. Die Strategie soll daher auch Maßnahmen enthalten, die eine sichere und vertrauenswürdige Entwicklung und Nutzung dieser Technologien sicherstellen. Für eine erfolgreiche Umsetzung des Strategiepapiers ist die enge Abstimmung zwischen europäischen Institutionen, Forschungszentren, Industriepartnern und einzelnen Mitgliedsstaaten unabdingbar.
Der Aufbau gemeinsamer Forschungs- und Entwicklungsprogramme, das Teilen von Wissen und Ressourcen sowie die gerichtete Förderung von Start-ups und etablierten Unternehmen sollen dazu beitragen, europäische Innovationsökosysteme nachhaltig zu stärken. Zudem wird die Rolle der Förderung von Talenten und die Ausbildung in Quantenwissenschaften und -technologien eine wesentliche Komponente sein, um den Fachkräftebedarf für diese Zukunftstechnologie zu decken und die Innovationskraft Europas langfristig zu sichern. In Anbetracht der globalen Entwicklungen, bei denen Länder wie die USA und China mit großen Investitionsprogrammen und technologischen Vorstößen den Markt bestimmen, steht Europa vor einer großen Herausforderung. Nur durch eine koordinierte und schnelle Strategie kann es gelingen, den Rückstand aufzuholen und eine konkurrenzfähige industrielle Basis zu schaffen. Die vorgezogene Veröffentlichung der Strategie zeigt den politischen Willen, in diesen zukunftsweisenden Bereich zu investieren und Europa als führenden Akteur zu positionieren.
Die EU-Kommission erwartet, dass die Strategie ein wichtiger Meilenstein ist, um die vorhandenen Potenziale zu bündeln, Innovationshemmnisse abzubauen und mit vereinten Kräften die Grundlagen für die nächste Generation von Quanten- und Supercomputing-Technologien zu legen. Damit wird gleichzeitig ein Beitrag geleistet, Europas digitale Souveränität zu wahren, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und neue wirtschaftliche Chancen in einem dynamischen globalen Umfeld zu eröffnen.