Die Finanzwelt wurde in ihrer gesamten Breite erschüttert, als Greensill Capital im Jahr 2021 zusammenbrach und damit eine Kettenreaktion auslöste, die letztlich auch zur insolvenzbedingten Krise bei Credit Suisse im Jahr 2023 beitrug. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem Warnungen, die der Schweizer Bankenriese bereits drei Jahre vor dem Greensill-Untergang erhielt, jedoch nur unzureichend berücksichtigte. Der Fall wirft gravierende Fragen zur Risikobewertung und Compliance bei Banken auf, die mit innovativen, aber riskanten Finanzprodukten arbeiten. Bereits 2018 gab es interne Hinweise aus dem Hause Credit Suisse, die auf erhebliche Zweifel an der Geschäftspartnerschaft mit Greensill Capital hinwiesen. Eine anonyme Quelle mahnte die Führungsebene, vorsichtiger mit der Vergabe von Investitionsfonds umzugehen, die auf Greensill-Krediten basierten.
Der Warnhinweis betonte, dass die Bankenmanager eine überprüfungswürdige Charakterbewertung jener Partner vorgenommen hätten, die einen ungewöhnlich großen Handlungsspielraum im Umgang mit Kundenvermögen genossen. Solche kritischen Stimmen, laut dem Report der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, fanden kaum Beachtung oder wurden sogar unzureichend kommuniziert. Greensill Capital war von Lex Greensill gegründet worden, einem ehemaligen Landwirt aus Australien, der später eine Karriere im Finanzsektor einschlug. Die Firma spezialisierte sich auf die Vergabe von Lieferkettenfinanzierungen, wobei Unternehmen Vorschüsse auf ihre Rechnungen erhielten. Das Geschäftsmodell erschien bahnbrechend und wurde als finanztechnologische Innovation mit hochkarätigen Beratern beworben, darunter auch der ehemalige britische Premierminister David Cameron.
Solch prominente Unterstützung und ein Performanceversprechen trugen dazu bei, dass institutionelle Anleger wie SoftBank und General Atlantic Milliarden in die Greensill-Fonds investierten. Dennoch häuften sich bereits Jahre vor der Pleite kritische Stimmen. Die Investitionen in Greensill waren stark auf intransparenten Kreditportfolios aufgebaut, von denen ein großer Teil mit der Stahlindustrie von Sanjeev Gupta in Verbindung stand – einem Sektor, der angesichts globaler Handelskonflikte und Rohstoffpreis-Schwankungen ohnehin als volatil galt. Der Zusammenbruch ähnlicher von Greensill unterstützter Fonds bei der Asset-Management-Gesellschaft GAM im gleichen Zeitraum stellte einen weiteren Warnhinweis dar. Die Entscheidung von Credit Suisse, beträchtliche Summen in solche Produkte zu stecken und sie vermögenden Kunden anzubieten, illustriert eine gefährliche Mischung aus Vertrauensseligkeit und mangelnder interner Kontrolle.
Es zeigte sich, wie entscheidend gründliche Due-Diligence-Prüfungen sind und wie problematisch es ist, wenn Risiko und Verantwortung unklar verteilt sind. Die von Greensill angebotenen Kredite waren oftmals in komplexen Strukturen verpackt, die für viele Investoren kaum transparent nachvollziehbar waren. Ein besonders brisanter Aspekt der Affäre ist die Art und Weise, wie Warnungen intern behandelt wurden. So leitete ein leitender Credit-Suisse-Manager eine anonyme Warnmeldung direkt an Lex Greensill weiter, kombiniert mit dem Rat, die Kommunikation zu verbessern. Dieses Vorgehen verdeutlicht nicht nur eine problematische Führungskultur, sondern auch potenzielle Interessenkonflikte innerhalb der Bank, die eine unabhängige Risikoanalyse erschwerten.
Der Fall Greensill ist ein Lehrstück für das Finanzsystem über die Risiken von Begeisterung für neuartige Finanzkonzepte ohne ausreichende Sorgfalt. Gleichzeitig wirft er Fragen zur Rolle von Aufsichtsbehörden wie der Finma auf, die trotz frühzeitiger Hinweise zunächst keine wirksamen Maßnahmen durchsetzen konnten. Die Veröffentlichung des Warnberichtes im Zusammenhang mit einem aktuellen Gerichtsprozess zwischen Credit Suisse-Fonds und SoftBank bringt nun Licht in die internen Abläufe und zeigt, wie tiefgreifend die Fehlentscheidungen waren. Die Insolvenz von Credit Suisse im Jahr 2023, ausgelöst durch die finanzielle Belastung durch Greensill sowie andere Faktoren, stellt einen der größten Schocks im modernen Bankensektor dar. Die Folge waren nicht nur finanzielle Verluste in Milliardenhöhe, sondern auch ein massiver Vertrauensverlust in eine Institution, die jahrzehntelang als Synonym für Stabilität galt.
Die Analyse der Greensill-Affäre unterstreicht die Notwendigkeit robuster Governance-Strukturen auf allen Ebenen von Banken. Es erfordert klare Verantwortlichkeiten für Risikomanagement, erhöhte Transparenz bei Investitionsprodukten sowie eine Kultur, in der kritische Stimmen nicht überhört oder gar unterdrückt werden. Darüber hinaus fordert der Fall eine Intensivierung der Kommunikation zwischen Banken und Regulierungsbehörden, um frühzeitig Risiken zu identifizieren und proaktiv gegenzusteuern. Auch für Anleger bietet die Situation wertvolle Erkenntnisse. Die Verheißungen von hohen Renditen bei gleichzeitiger Vertraulichkeit der zugrundeliegenden Finanzprodukte sollten stets kritisch hinterfragt werden.
Die Greensill-Pleite erinnert daran, dass auch vermeintlich innovative und von prominenten Persönlichkeiten unterstützte Finanzgeschäfte nicht immun gegen versteckte Risiken sind. Im Gesamtkontext stellt die Beziehung zwischen Credit Suisse und Greensill einen Wendepunkt dar, der den Finanzsektor nachhaltig prägen wird. Die Enthüllungen über die früheren Warnungen und die darauf folgenden Fehlentscheidungen könnten langfristige Konsequenzen für die Regulierung, die Unternehmensführung und das Vertrauen in die Bankenwelt haben. Es ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie wichtig Wachsamkeit, eine kritische Unternehmenskultur und verantwortungsbewusste Finanzpraktiken sind, um derart gravierende Krisen in Zukunft zu vermeiden.