Das berühmte Motto „Liberté, égalité, fraternité“, zu Deutsch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, ist tief in der französischen Geschichte verwurzelt und gilt heute nicht nur als nationales Symbol Frankreichs, sondern auch als Ausdruck universaler Werte, die weltweit Anerkennung finden. Seine Wurzeln reichen bis in die Französische Revolution zurück, doch seine Entwicklung und Bedeutung zeigen eine komplexe Geschichte voller gesellschaftlicher Debatten, politischer Umbrüche und philosophischer Reflexionen. Ursprünge während der Französischen Revolution Die Phrase „Liberté, égalité, fraternité“ begann zunächst als eine von vielen Losungen in der Zeit der Französischen Revolution von 1789. Historische Dokumente belegen, dass der Ausdruck in offiziellen Schriften erstmals 1790 auftauchte. Camille Desmoulins, ein Schriftsteller und Revolutionär, erwähnte ihn im Zusammenhang mit der Fête de la Fédération im Juli 1790.
Maximilien Robespierre trug erheblich zu seiner Popularisierung bei, indem er vorschlug, die Worte auf Uniformen und Fahnen der Nationalgarde einzuschreiben. Es handelte sich bei der Maxime jedoch nicht um einen festgelegten Wahlspruch; weitere Alternativen waren ebenfalls präsent, darunter „Liberté, unité, égalité“ oder „Liberté, raison, égalité“. Ein wichtiger Aspekt in der Frühzeit war, dass die Begriffe Freiheit und Gleichheit zunächst als miteinander kompatible und sich ergänzende Werte angesehen wurden, während die Bruderschaft (fraternité) schwieriger einzuordnen war. Sie war weniger ein juristischer Anspruch als vielmehr ein moralisches und soziales Ideal, das eng mit Solidarität und Gemeinschaft verbunden war. In der offiziellen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 fand die Brüderlichkeit keine explizite Erwähnung.
Erst später während der Revolution und in den 1791er Verfassungsdokumenten erhielt sie verstärkt Aufmerksamkeit. Ideengeschichte und philosophische Bedeutungen Das Verhältnis zwischen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurde intensiv diskutiert. Freiheit wurde definiert als die Abwesenheit von Zwang und willkürlicher Herrschaft, Gleichheit als gleiche Rechte vor dem Gesetz und Brüderlichkeit als der soziale Zusammenhalt, der ein Zusammenleben in Harmonie ermöglichen sollte. Diese drei Prinzipien spiegelten unterschiedliche Bereiche wider: Freiheit als individuelles Recht, Gleichheit als gesellschaftliche Regel und Brüderlichkeit als moralische Verpflichtung gegenüber dem Mitmenschen. Diese Tripartite wies unterschiedliche Spannungsfelder auf.
Während die Freiheit oftmals als Recht auf Eigenständigkeit verstanden wurde, bedeutete Gleichheit häufig eine Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und egalitären Voraussetzungen. Brüderlichkeit wiederum richtete den Blick auf die Gemeinschaft und auf gegenseitige Unterstützung. Manche Denker betrachteten Brüderlichkeit als die Grundlage, die Freiheit und Gleichheit erst ermöglichen könne, andere sahen sie als Folge dieser beiden Prinzipien. Veränderungen im 19. Jahrhundert Nach den Umwälzungen der Revolution und der Herrschaft Napoleons verschwand das Motto zeitweilig von offizieller Ebene.
Besonders Napoleon I. bevorzugte andere Wahlsprüche wie „Liberté, ordre public“ und verzichtete auf die emphatische Betonung von Brüderlichkeit und Gleichheit, die mit den revolutionären Exzessen und sozialen Konflikten in Verbindung gebracht wurden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts gewann die Maxime „Liberté, égalité, fraternité“ jedoch wieder an Bedeutung, vor allem im Kontext der liberalen und sozialistischen Bewegungen. Liberale betonten Freiheit und Gleichheit als individuelle Rechte und lehnten Brüderlichkeit oft als zu vage ab.
Sozialisten hingegen hoben die Bedeutung der Brüderlichkeit hervor und kritisierten den liberalen Individualismus. Verschiedene politische Revolutionen, etwa die Revolution von 1848, führten zur erneuten offiziellen Anerkennung und Verbreitung des Triptychons. Französische Dritte Republik und Institutionalisierung Erst mit der Gründung der Dritten Republik am Ende des 19. Jahrhunderts wurde „Liberté, égalité, fraternité“ zum offiziellen Motto der französischen Nation erklärt. Es symbolisierte die republikanischen Ideale und die demokratischen Werte, die die Republik vertreten wollte.
Zugleich begann eine breitere gesellschaftliche Debatte über die praktische Umsetzung dieser Prinzipien, insbesondere im Rahmen sozialer Reformen und des Staatsverständnisses. Im 20. Jahrhundert wurde das Motto sowohl bei der deutschen Besetzung während des Zweiten Weltkrieges als auch in der Vichy-Propaganda vorübergehend durch andere Slogans ersetzt, etwa „Travail, famille, patrie“. Nach der Befreiung Frankreichs wurde das Motto jedoch wiederhergestellt und fand Eingang in die Verfassungen der Republik von 1946 und 1958. Es prägt nun das öffentliche Leben, offizielle Dokumente und viele staatliche Symbole.
Globale Wirkung und andere Nationen Der Geist von „Liberté, égalité, fraternité“ übersteigt inzwischen die französischen Grenzen. Viele andere Länder und politische Bewegungen haben das Motto adaptiert oder sich an seiner Symbolik orientiert. Das Ideal von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wird weltweit als Fundament demokratischer Gesellschaften und Menschenrechte betrachtet. Ein Einfluss des Dreisatzes zeigt sich auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in der im ersten Artikel das Recht aller Menschen auf Freiheit und Gleichheit sowie der Aufruf zu Brüderlichkeit untereinander verankert sind. Darüber hinaus haben verschiedene sozialdemokratische und liberale Parteien weltweit ähnliche Werte in ihre Programme aufgenommen.
Kulturelle Bedeutung und Rezeption Neben seinem politischen Stellenwert hat das Motto auch eine starke kulturelle und symbolische Bedeutung erlangt. Es findet sich in Literatur, Kunst und Film, beispielsweise im Drehbuchzyklus „Drei Farben“ von Krzysztof Kieślowski, der die Farben der französischen Flagge und die damit verbundenen Werte thematisiert. Die drei Begriffe werden vielfach als Kern der europäischen Aufklärung verstanden, die den Weg zu modernen demokratischen Gesellschaften maßgeblich geprägt hat. Gleichzeitig sind sie Gegenstand fortwährender Interpretation und Kritik. Manche theoretische Auseinandersetzungen hinterfragen den Zusammenhang zwischen individueller Freiheit und sozialer Gleichheit oder die Grenzen dessen, was Brüderlichkeit in pluralistischen Gesellschaften bedeuten kann.