In der Welt des Kinos gibt es kaum ein Genre, das so polarisiert wie der Horrorfilm, insbesondere jenes Untergenre, das sich mit Haien beschäftigt. Die Faszination für diese majestätischen Kreaturen der Meere, kombiniert mit der Angst, die sie in uns auslösen, hat Generationen von Filmemachern inspiriert. Doch während sich solche Filme, wie nun auch der britische Thriller „Something in the Water“, großer Beliebtheit erfreuen, wirft deren Erfolg auch moralische Fragen auf. In den letzten vier Jahrzehnten hat sich eine mediale Jagd auf Haie entwickelt, die nicht nur das Bild dieser Tiere, sondern auch das Ökosystem der Ozeane beeinflusst hat. „Something in the Water“ erzählt die Geschichte von vier jungen Frauen, die zur Hochzeit ihrer Freundin Lizzie auf eine traumhafte, abgelegene Insel reisen.
Die Idylle wird schnell zum Alptraum, als die Frauen unüberlegte Entscheidungen treffen, die bald ihr Überleben auf die Probe stellen. Unter der Regie von Hayley Easton Street entwickelt sich der Film zu einem nervenaufreibenden Thriller, der nicht nur Spannung bietet, sondern auch gesellschaftliche Themen anspricht. Die Handlung umkreist die Bemühungen zweier Ex-Freundinnen, ihre Beziehung wiederzubeleben, während die Bedrohung durch einen nähernden Hai dafür sorgt, dass die Frauen zusammenfinden – und gegeneinander kämpfen müssen. Der Film bedient sich bewährter Klischees des Hai-Films: eine paradiesische Kulisse, schöne Frauen in Bikinis und das unvermeidliche Aufeinandertreffen mit dem gefürchteten Meeresräuber. Doch hier wird auch ein feministischer Ansatz sichtbar.
Die Charaktere sind nicht nur passive Opfer, sondern versuchen, aus ihren prekären Situationen herauszukommen. Dennoch spiegelt sich die gängige Narration wider, die Haie als die ultimativen Bösewichte inszeniert – ein Muster, das sich durch die gesamte Geschichte des Genres zieht. Steven Spielberg, der mit „Der weiße Hai“ von 1975 das Horror-Genre maßgeblich prägte, ist sich der Konsequenzen bewusst. Er gab zu, dass der immense Erfolg seines Films zur rapide sinkenden Hai-Population beitrug. Diese Erkenntnis führte dazu, dass der Autor Peter Benchley, auf dessen Roman der Film basiert, sich zeitlebens dem Schutz der Meere verschrieb.
Doch die Eigendynamik des Genres bleibt ungebrochen. Filme wie „Sharknado“ oder „47 Meters Down“ reißen die Zuschauer immer wieder mit, sie inszenieren Haie als unkontrollierbare, mörderische Kreaturen und vergessen oft deren tatsächliche Rolle im Ökosystem. Das Dilemma ist klar: Während das Publikum sich nach Nervenkitzel und Unterhaltung sehnt, tragen diese Darstellungen erheblich zu einem verzerrten Bild von Haien bei. Die Assoziation von Haien mit Gefahr und Tod hat nichts mit der Realität zu tun; Haie sind in der Tat meist scheue Tiere, die den Kontakt zu Menschen meiden. Der Kampf ums Überleben, den die Frauen in „Something in the Water“ durchleben, wirft also die Frage auf, wer hier wirklich der Jäger und wer der Gejagte ist.
Die Regisseurin Hayley Easton Street betont, dass sie den Hai nicht als das pure Böse darstellen wollte. In einem Interview erklärte sie, dass Haie sich in einer geschwächten Position befinden und oft durch menschliche Aktivitäten in Bedrängnis geraten. Sie plädiert dafür, das Publikum dazu zu bringen, die Sichtweise zu wechseln und Haie nicht nur als Monster, sondern auch als Opfer menschlicher Gier und Umweltverschmutzung zu betrachten. Es wäre eine interessante Wendung für das Genre, einen Film aus der Perspektive des Hais zu drehen, der ums Überleben, um seine Existenz kämpft. Ein entscheidender Teil von „Something in the Water“ ist die Dynamik zwischen den Frauen selbst.
Die Konflikte, die durch vergangene Beziehungen und unterschiedliche Charaktere entstehen, spiegeln nicht nur das Drama wider, sondern auch eine tiefere Aussage über Freundschaft, Loyalität und die Herausforderungen, die sich im Angesicht des Todes stellen. Die Frauen müssen lernen, zusammenzuarbeiten, um zu überleben – eine Metapher für das, was oft im Leben passiert, wenn wir uns wirtschaftlichen und persönlichen Herausforderungen gegenübersehen. Funktionsweise und Struktur des Films folgen dem klassischen „Zehn kleine Jägermeister“-Prinzip, bei dem nacheinander Charaktere aus der Geschichte ausscheiden. Diese schleichende, nahezu unaufhaltsame Dramatik sorgt nicht nur für den Spannungsbogen, den das Publikum erwartet, sondern verdeutlicht auch die Dringlichkeit, mit der die Protagonisten handeln müssen. Ihre Entscheidungen, ihre Ängste und die Reaktionen auf die Bedrohung formen die Geschichte und ihre jeweilige Entwicklung.
Natürlich ist der Einsatz von Haien in „Something in the Water“ auch ein bewusster Schachzug, um die Zielgruppe zu fesseln. In Zeiten, in denen Streamingdienste und digitale Medien den Filmvertrieb revolutionieren, ist es für einen Film wichtig, sofortige Aufmerksamkeit zu erregen. Hai-Filme, aufgrund ihres bekannten Musters und der kindlichen, aber auch tiefsinnigen Angst, sind nach wie vor ein Garant für Klischees und Unterhaltung. Der Zuschauer könnte sich fragen, ob es wirklich notwendig ist, dieses Narrativ weiterzuführen oder ob es nicht an der Zeit ist, dem Hai eine Stimme zu geben. Angesichts der realen Bedrohung, die durch Umweltverschmutzung und Überfischung entsteht, könnten Filme ja auch erzieherische Elemente an sich tragen.
Sie könnten das Bewusstsein für den Schutz der Meerestiere stärken und den Menschen aufzeigen, was sie verlieren, wenn sie weiterhin in ihrer Angst verharren und das Böse im Hai suchen. Die dramatischen Wendungen, die „Something in the Water“ bietet, stehen in einem krassen Gegensatz zum Ernst der teils tragischen Realität, in der Haie sich befinden. Die Botschaft, dass unsere Ängste oft aus Unkenntnis und Missverständnissen entstanden sind, wird durch die Popkultur verstärkt, doch der Kurswechsel könnte hin zu einer neuen Ära im Filmemachen führen. Ab dem 5. September wird „Something in the Water“ in den Kinos zu sehen sein.
Es bleibt abzuwarten, ob dieser Film, der sich zwischen Unterhaltung und einer kritischen Reflexion bewegt, das Genre auf eine neue Ebene heben kann. Eines ist sicher: Die Diskussion um das Hai-Film-Dilemma wird weitergehen und hoffentlich neue Perspektiven eröffnen.