Rémy Cointreau, einer der bedeutendsten Hersteller von Cognac und Spirituosen weltweit, steht derzeit vor einer Phase beträchtlicher Herausforderungen. Mit dem Wechsel in der Führungsetage übernimmt Franck Marilly, ehemaliger Manager bei Shiseido und Chanel, die Leitung des traditionsreichen Unternehmens. Doch die Aufgaben, die auf ihn warten, sind alles andere als einfach. In den letzten zwölf Monaten haben sich Umsatz und Gewinn von Rémy Cointreau deutlich verschlechtert – eine Entwicklung, die unter anderem auf den schwächelnden Cognac-Markt und schwierige geopolitische Bedingungen zurückzuführen ist. Der Umsatzrückgang und Gewinnrückgang sind deutlich spürbar.
Im letzten Geschäftsjahr, das bis Ende März andauerte, sank der Nettogewinn um beachtliche 34,4 Prozent auf 121,2 Millionen Euro, organisch sogar um 36,8 Prozent. Auch das operative Ergebnis ging um fast 28 Prozent zurück. Insgesamt schrumpften die Umsätze um 18 Prozent auf 984,6 Millionen Euro. Nicht zuletzt ist dieser Abwärtstrend die zweite aufeinanderfolgende negative Periode, was die Dringlichkeit eines klaren Strategiewechsels erheblich erhöht. Das Kerngeschäft von Rémy Cointreau besteht zu etwa 70 Prozent aus Cognac, einer Spirituosensparte, die in jüngster Zeit erheblichen Gegenwind erfahren hat.
Besonders die beiden größten Absatzmärkte, die Vereinigten Staaten und China, zeigen seit geraumer Zeit Schwierigkeiten. In den USA ist die Kategorie Cognac insgesamt unter Druck geraten, was sich direkt auf die Verkaufszahlen von Rémy Martin auswirkt. Auch wenn zuletzt im vierten Quartal ein starker Umsatzanstieg in den USA verzeichnet wurde, bleiben die grundsätzlichen Herausforderungen bestehen. China stellt für den Hersteller ein weiteres kritisches Marktumfeld dar. Trotz eines Marktanteilszuwachses von Rémy Martin im Land sind die konsolidierten Bedingungen durchgehend schwierig.
Handelshemmnisse, politische Spannungen und wirtschaftliche Unsicherheiten wirken auf die Importdynamik und das Konsumverhalten ein. Besonders die mögliche Erhöhung von Zöllen auf EU-Importe stellen eine existenzielle Bedrohung dar. Diese Zollproblematik stellt einen der größten Unsicherheitsfaktoren dar. Rémy Cointreau warnt davor, dass potenzielle Erhöhungen der Einfuhrzölle in den USA und China die Gewinne erheblich beeinträchtigen könnten. Das Unternehmen kalkuliert mit einem Worst-Case-Szenario, in dem zusätzliche Zollkosten von bis zu 100 Millionen Euro auf die Bilanz schlagen könnten.
Diese Unsicherheit erschwert nicht nur die operative Planung, sondern auch die Kommunikation mit Investoren und Partnern. Vor diesem Hintergrund hat Rémy Cointreau eine vorsichtige Prognose für das Geschäftsjahr 2025/26 abgegeben. Es wird erwartet, dass die Umsätze organisch wieder ein mittleres einstelliges Wachstum erreichen könnten, primär getragen von einer technischen Erholung in den USA ab dem ersten Quartal. Doch die Gewinnentwicklung bleibt mit der Einschränkung verbunden, dass keine weiteren Zollanhebungen eintreten. Vor diesem Hintergrund wurde die mittelfristige Prognose zurückgezogen, um besser auf die volatilen Marktbedingungen reagieren zu können.
Die fundamentalen Geschäftsstrukturthemen sind ein weiteres Problemfeld. Die starke Abhängigkeit vom Cognac-Segment macht das Unternehmen anfällig für Marktschwankungen. Während Diversifikation in der Spirituosenwelt häufig eine sinnvolle Strategie ist, setzt Rémy Cointreau weiterhin stark auf diese eine Kategorie. Zwar erweitert die Gruppe ihr Portfolio auch um Whisky-Marken wie Bruichladdich, doch dieses Segment trägt bisher nicht ausreichend zur Stabilisierung bei. Vor dem Hintergrund all dieser Herausforderungen wird von Franck Marilly erwartet, dass er mit seiner langjährigen Erfahrung in der Luxus- und Konsumgüterindustrie neue Impulse setzt.
Sein Hintergrund bei Shiseido und Chanel, Unternehmen mit starkem Fokus auf Markenführung und Innovation, könnte wertvolle Ansätze liefern, um den Rückgang zu stoppen und nachhaltiges Wachstum einzuleiten. Neben den finanziellen und marktbezogenen Herausforderungen steht Rémy Cointreau vor strategischen Aufgaben in Bezug auf Markenpositionierung und Innovationsfähigkeit. Der Cognac-Markt entwickelt sich, insbesondere jüngere Konsumentengruppen suchen neue Produkte und Erlebnisse. Hier ist Kreativität und Anpassungsfähigkeit gefordert, um die Tradition mit modernen Trends zu verbinden und neue Zielgruppen zu erschließen. Gleichzeitig muss das Unternehmen mit geopolitischen Risiken umgehen, die über Handelszölle hinausgehen.
Handelskonflikte, währungsbedingte Schwankungen und sich verändernde regulatorische Rahmenbedingungen könnten das globale Geschäft weiter belasten. Eine flexible und vorausschauende Strategie wird notwendig sein, um diesen multiplen Bedrohungen zu begegnen und dabei gleichzeitig effiziente operative Strukturen zu gewährleisten. Ein weiterer Fokus dürfte auf der Digitalisierung und der Optimierung der Vertriebswege liegen. Online-Handel und direkter Kundenkontakt gewinnen auch im Spirituosenbereich zunehmend an Bedeutung. Hier bieten sich Chancen, um den Absatz zu erhöhen und Kundenbindung zu stärken.
Doch diese Transformation verlangt Investitionen und eine rasche Adaption an neue Technologien und Marketingkanäle. Abschließend lässt sich festhalten, dass der neue CEO eine vielseitige und komplexe Aufgabe vor sich hat. Rémy Cointreau muss nicht nur auf kurzfristige Erholung drängen, sondern gleichzeitig die Weichen für eine zukunftsfähige und widerstandsfähige Unternehmensstrategie stellen. Die Erwartungen sind hoch, ebenso die Herausforderungen. Doch mit der richtigen Mischung aus Innovation, strategischem Geschick und einem scharfen Blick auf Marktveränderungen könnte das traditionsreiche Haus seinen Platz wieder festigen und langfristig wachsen.
Insgesamt symbolisiert die Situation von Rémy Cointreau exemplarisch die Schwierigkeiten, denen viele Luxus- und Spirituosenhersteller in einem zunehmend volatilen und globalisierten Markt gegenüberstehen. Erfolgsentscheidend wird sein, wie flexibel, innovativ und marktnah das Unternehmen unter Franck Marilly agieren wird, um aus der derzeitigen Schwächephase eine nachhaltige Stärke zu entwickeln.