Am 6. Mai 2025 erlebte die deutsche Politik einen historischen Moment, als Friedrich Merz, Vorsitzender der konservativen CDU/CSU und Wahlsieger der Bundestagswahl im Februar, überraschend an der ersten Hürde seiner Wahl zum Bundeskanzler scheiterte. Im Parlament erhielt Merz im ersten Wahlgang 310 Stimmen, was deutlich unter der notwendigen absoluten Mehrheit von 316 Stimmen lag. Dieses Ergebnis führte bundesweit und darüber hinaus zu großen Verwunderungen, da es in der Nachkriegszeit noch nie zuvor vorgekommen war, dass ein Kandidat mit Koalitionsmehrheit nicht im ersten Anlauf gewählt wurde. Die Abstimmung offenbarte damit erhebliche Uneinigkeiten und Differenzen innerhalb der Regierungskoalition, die Merz gemeinsam mit der SPD bildet.
Diese außergewöhnliche Situation lässt auf tiefsitzende Probleme in der politischen Zusammenarbeit schließen, insbesondere in einer Koalition, die wirtschaftspolitisch und außenpolitisch vor gewaltigen Herausforderungen steht. Merz, der als erfahrener, aber auch als polarisierender Politiker gilt, setzt sich nun mit dem ungewöhnlichen Abstimmungsergebnis auseinander und zeigte sich betont pragmatisch. Statt Schuldzuweisungen zu betreiben, betonte er die Wichtigkeit des Zusammenhalts in der Koalition und kündigte an, sich auf die dringlichsten Aufgaben für Deutschland zu fokussieren – darunter die Wiederherstellung wirtschaftlicher Stabilität und die Sicherung der Freiheit des Landes. Der missglückte erste Wahlgang wirft ein Schlaglicht auf die innerparteilichen und koalitionsinternen Friktionen. Besonders aus den Reihen der eigenen CDU/CSU-Fraktion soll es kritische Stimmen gegeben haben, die Merz' Kurs skeptisch beurteilen.
Anlass zur Sorge gibt vor allem Merz' Entscheidung, trotz früherer Wahlkampfversprechen die fiskalische Zurückhaltung aufzugeben und einen umfangreichen Kreditrahmen für Investitionen zu akzeptieren, was innerhalb der konservativen Basis für Unmut sorgte. Diese sogenannte „U-Turn“-Politik zum Thema Staatsverschuldung schien für manche Abgeordnete ein Vertrauensbruch zu sein und könnte maßgeblich zum Abstimmungsverhalten im ersten Wahlgang beigetragen haben. Der Erfolg im anschließenden zweiten Wahlgang, bei dem Merz mit 325 Stimmen eine knappe Mehrheit erzielen konnte, bestätigt zwar formal seine Kanzlerschaft, doch die sichtbar gespaltene Unterstützung zeugt von einer angespannten Stimmung. Politische Analysten warnen vor den Schwierigkeiten, die sich aus diesem schwachen Vertrauensvotum ergeben können. Die Bundesregierung könnte damit zu Beginn ihrer Amtszeit mit ständigen internen Spannungen und Vertrauensfragen konfrontiert sein, was die politische Stabilität und Handlungsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigen könnte.
Zeitlich fällt Merz’ Amtsantritt in eine kritische Phase. Europa sieht sich derzeit mit komplexen sicherheitspolitischen Fragen konfrontiert, insbesondere hinsichtlich der Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Russland und den anstehenden Verhandlungen über Sicherheitsgarantien. Zudem belastet der internationale Handelskonflikt mit den USA, ausgelöst durch angekündigte amerikanische Zölle, die deutsche Wirtschaft, die ohnehin unter den Folgen der Energiekrise leidet, welche durch das Ende der Gaslieferungen aus Russland verschärft wurde. In diesem anspruchsvollen Kontext steht Merz vor der Herausforderung, einerseits stabile Regierungsarbeit zu gewährleisten und andererseits die deutsche Position in Europa und in transatlantischen Beziehungen zu festigen. Merz signalisiert zu Beginn seiner Amtszeit, die Themen Wirtschaftswachstum und Sicherheit in den Fokus zu rücken.
Die Koalitionsvereinbarungen beinhalten Maßnahmen wie die Senkung der Unternehmenssteuer und eine Reduzierung der Energiepreise, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. Außerdem hat sich die Regierung zu einer verstärkten Unterstützung der Ukraine verpflichtet sowie zu einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben. Diese Schritte sollen nicht nur wirtschaftliche Anreize setzen, sondern auch Deutschlands Rolle als verlässlicher Partner in Europa und darüber hinaus unterstreichen. Trotz des holprigen Starts gibt es Stimmen innerhalb Europas, die hoffen, dass Merz durch seine langjährige Erfahrung in europäischen Institutionen eine konstruktivere und pro-europäische Politik führen wird als sein sozialdemokratischer Vorgänger Olaf Scholz. Französische Präsident Emmanuel Macron äußerte unmittelbar nach der Wahl seine Glückwünsche und betonte die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit für die Zukunft Europas.
Diese Partnerschaft wird als zentraler Motor der europäischen Integration angesehen, und Merkels Stil könnte für eine verstärkte politisch-diplomatische Dynamik sorgen. Der politische Hintergrund der Wahlniederlage wirft ebenfalls ein Licht auf den wachsenden Einfluss populistischer und rechter Parteien wie der AfD, die in einigen Umfragen inzwischen erstarkte und von der Destabilisierung der großen Parteien profitiert. Das Vertrauen in traditionelle politische Institutionen und die etablierte Parteiendemokratie steht vor erheblichen Herausforderungen, was sich durch das Vorgehen einzelner Abgeordneter im Bundestag widerspiegelt. Die geheimen Abstimmungen ermöglichen es Gesetzgebern, von der offiziellen Fraktionslinie abzuweichen, was ein Spiegelbild von innerparteilichen Konflikten und breiteren gesellschaftlichen Unzufriedenheiten sein kann. Die Ernennung des neuen Kabinetts setzt diesen Trend fort: Merz setzt auf Fachleute mit ausgeprägter Expertise und privatwirtschaftlichem Hintergrund, um den Anforderungen einer komplexen globalen Wirtschaft besser gerecht zu werden.
Dies mag einerseits notwendig erscheinen, führt aber gleichzeitig zu einem Bruch mit der traditionellen Rolle politischer Loyalitäten und Friedenssicherung innerhalb der Koalition. Mit nur einem Minister, Verteidigungsminister Boris Pistorius, bleibt ein Altbekannter aus der vorherigen Regierung im Amt. Für Merz beginnt eine Phase, die von zahlreichen Erwartungshaltungen geprägt ist. Seine unmittelbar anstehenden Termine, wie die Treffen mit Frankreich und Polen sowie ein möglicher Dialog mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump vor dem NATO-Gipfel, verdeutlichen, wie wichtig eine stabile Führung Deutschlands für das gesamte europäische Sicherheitssystem und die transatlantischen Beziehungen ist. Die Hoffnungen liegen darauf, dass der Kanzler trotz der fragilen internen Lage Deutschlands außenpolitisch Stärke und Vertrauen demonstrieren kann.
Insgesamt stellt der erste Abstimmungs-Rückschlag für Friedrich Merz nicht nur eine politische Anekdote dar, sondern symbolisiert die Herausforderungen, denen sich Deutschland in einem Wandel von innen und außen stellen muss. Die Verflechtung von wirtschaftlichen Zwängen, gesellschaftlichen Unsicherheiten und geopolitischen Turbulenzen bildet ein komplexes Geflecht, innerhalb dessen Merz seinen Kurs finden muss. Der Erfolg seiner Amtszeit wird maßgeblich davon abhängen, ob es ihm gelingt, die internen Zweifel zu überwinden, Vertrauen in der eigenen Koalition aufzubauen und gleichzeitig Deutschland als stabilen und handlungsfähigen Akteur wieder auf internationaler Bühne zu positionieren.