In den letzten Wochen hat das Krypto-Projekt Worldcoin in der Berliner Öffentlichkeit für Furore gesorgt, insbesondere angesichts des dramatischen Anstiegs des WLD-Tokens um 230 %. Die Menschen strömen in Scharen zu den sogenannten „Orb“-Stationen, um ihre Augen scannen zu lassen. In einer Welt, in der Daten und digitale Identität immer wertvoller werden, kommt dieses Angebot für viele Menschen gerade recht – vor allem in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten. Bereits am Alexanderplatz, dem pulsierenden Herzen Berlins, versammelten sich zahlreiche Menschen vor einem großen Elektronikgeschäft. Anstatt in die neuesten Technologien wie iPhones oder PlayStation 5 zu investieren, warteten die Neugierigen darauf, ihre Augen scannen zu lassen.
Mit den futuristisch aussehenden Orbs, die den Prozess durchführen, hat Worldcoin ein System kreiert, das verspricht, „die Menschlichkeit zu verifizieren“ – ein Ansatz zur Bekämpfung von Bots und gefälschten Accounts in der digitalen Welt. Nach einem kurzen Blick in die Orb-Kamera erhalten die Teilnehmer WLD-Token, die derzeit einen signifikanten Marktwert haben. Ein Frühvollzieher, der gerade seine Iris scannen ließ, sagte: „Es ist kostenloses Geld. Warum sollte ich es nicht machen?“ Laut Worldcoin erhalten die Neulinge direkt nach dem Scan zehn Token, gefolgt von weiteren 65 Token, die über mehrere Wochen verteilt ausgezahlt werden. Dies könnte ein zusätzlicher Anreiz sein, denn bei den aktuellen Preisen könnten die Teilnehmer bis zu 600 US-Dollar einfach dafür verdienen, dass sie in eine Kamera blicken.
Die Anziehungs- und Verdienstmöglichkeiten durch Worldcoin sind in Berlin mehr als offensichtlich. In nur einer Woche hat das Projekt über 832.000 neue Konten weltweit verzeichnet, was einmal mehr zeigt, dass das Interesse an Kryptowährungen nach einem langen Bärenmarkt im Jahr 2022 wieder wächst. Die Menschen scheinen den Reiz des neuen digitalen Geldes und der Versprechungen, die damit verbunden sind, kaum widerstehen zu können. Die Gründer von Worldcoin, unter ihnen der CEO von OpenAI, Sam Altman, haben sich zum Ziel gesetzt, ein zukunftsfähiges digitales Identitätssystem zu schaffen.
Neben der Schaffung eines verlässlichen Identitätssystems, das es Menschen ermöglicht, sich online als echte Nutzer zu identifizieren, stehen jedoch auch Bedenken hinsichtlich der Privatsphäre und der Sicherheit im Raum. Die Scans der Augen, das Herzstück dieses Systems, haben bei Regulierungsbehörden und Datenschützern weltweit für Aufregung gesorgt. Darüber hinaus gab es in verschiedenen Ländern bereits rechtliche Auseinandersetzungen. In Hongkong wurden sechs Orb-Stationen von den Behörden durchsucht, während Worldcoin in Indien seine Aktivitäten einstellen musste. Auch in Ländern wie Frankreich, Deutschland, Kenia und Argentinien wird das Projekt von Regulierungsbehörden unter die Lupe genommen.
Kritiker sorgen sich, dass die Massensammlung biometrischer Daten potenziell zu Datenschutzverletzungen führen könnte. Worldcoin selbst betont jedoch, dass die gesammelten biometrischen Daten nicht aus den Scannern herausgelangen. Auf den Geräten werden die Daten lokal verarbeitet und dann sofort gelöscht. Lediglich ein sogenannter Iris-Code, der als numerische Darstellung des Irisbildes dient und keine persönlichen Informationen enthält, bleibt übrig. Dieses Vorgehen soll sicherstellen, dass es keine Verbindung zwischen der Iris und dem Worldcoin-Konto eines Nutzers gibt.
Das System beinhaltet zusätzlich die Nutzung von Zero-Knowledge-Proofs, einer Technologie, die es Nutzern ermöglicht, ihre Identität zu bestätigen, ohne persönliche Informationen preiszugeben. Zum Beispiel könnte eine Anwendung zeigen, dass jemand alt genug ist, um Alkohol zu kaufen, ohne das Geburtsdatum oder andere identifizierende Informationen offenbaren zu müssen. Diese innovative Technologie könnte, so die Hoffnung von Worldcoin, dazu beitragen, Vertrauen in digitale Identitätssysteme aufzubauen. Trotz dieser Erklärungen scheinen viele Menschen in Berlin weniger an den technischen Details oder Datenschutzfragen interessiert zu sein. Ein Teilnehmer, der seine Augen scannen ließ, bemerkte: „Ich weiß nicht, wie das alles funktioniert.
Ich mache das nur, weil mein Sohn gesagt hat, ich soll kommen.“ Dies zeigt, dass viele möglicherweise die potenziellen Risiken oder die langfristigen Auswirkungen einer solchen Technologie nicht vollständig verstehen, während die Aussicht auf „kostenloses Geld“ eine überwältigende Motivation darstellt. Die Reaktionen der Berliner sind jedoch gemischt. Während einige die Möglichkeit nutzen, können andere skeptisch sein. Eine junge Frau in der Schlange erklärte: „Ich mache das, weil ich das Gefühl habe, dass ich etwas verpasse, wenn ich nicht mitmache.
Alle reden darüber.“ In einer Stadt, die oft von Innovation und technologischem Fortschritt geprägt ist, ist es nicht überraschend, dass viele Menschen bereit sind, neue Wege zu beschreiten und sich auf dieses neuartige Konzept einzulassen. Oder wie es ein anderer Benutzer zusammenfasste: „Die Mieten in Berlin steigen ständig. Warum also nicht das zusätzliche Geld nehmen? Vielleicht kann ich mir einen kleinen Urlaub oder einfach ein paar neue Möbel leisten.“ Diese pragmatische Sichtweise auf das Handeln in der digitalen Welt spiegelt das Lebensgefühl vieler Berichterstatter wider, besonders in Zeiten finanzieller Unsicherheit.
Ungeachtet dieser Anziehungskraft bleibt abzuwarten, wie sich die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für Worldcoin in den kommenden Monaten entwickeln werden. Die Aufregung um das Projekt könnte sowohl das Interesse an neuen Identitätssystemen als auch die Diskussion über Datenschutz und persönliche Freiheit anheizen. Ob die Menschen bereit sind, ihre biometrischen Daten für digitale Gutscheine zu opfern oder nicht, wird sicherlich einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Die Welt von Worldcoin ist letztlich ein Spiegelbild des aktuellen Zustands der Krypto- und Digitalszene. In einer Zeit, in der Vertrauen und Identität zentral für unser Online-Leben sind, wird sich zeigen, ob Projekte wie Worldcoin diese Herausforderungen erfolgreich bewältigen können oder ob die Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Regulierung nicht doch überwiegen werden.
Bis dahin wird die Schlange der Neugierigen am Alexanderplatz weiter wachsen, während die Frage bleibt, ob das „kostenlose Geld“ der entscheidende Anreiz ist oder der Anfang von etwas viel Größerem in der digitalen Welt.