Der Mars fasziniert Wissenschaftler und Interessierte seit Jahrhunderten. Einer der bemerkenswertesten Oberflächenphänomene, die seit den ersten orbitalen Aufnahmen beobachtet wurden, sind sogenannte „Slope Streaks“ – dunkle, teils ausgedehnte Striemen, die sich auf steilen Marsabhängen bilden. Lange Zeit rätselten Forscher, ob diese Erscheinungen auf dem Roten Planeten Wasser enthalten oder ob sie das Ergebnis trockener physikalischer Prozesse sind. Neueste Studien liefern nun handfeste Beweise, dass diese Striemen auf den Marsabhängen trocken sind – was weitreichende Konsequenzen für unser Verständnis des Marsökosystems und dessen potenzieller Bewohnbarkeit hat. Diese Slope Streaks unterscheiden sich deutlich von den sogenannten Recurring Slope Lineae (RSL), die erst 2011 entdeckt wurden und zuvor als starke Hinweise auf flüssiges Wasser oder salzige Lösungen auf Marsoberflächen angesehen wurden.
Während RSL häufig in höheren, felsigen Regionen auftreten und eine starke saisonale Variation zeigen, befinden sich Slope Streaks vor allem in staubreichen Niedriglandszonen nahe des Äquators. Sie bilden sich spontan, verändern ihr Aussehen über Jahre bis Jahrzehnte und heller werden, wenn sie verwittern. Eines der bedeutendsten Ergebnisse der aktuellen Forschung ist die Erstellung eines globalen Katasters, das mehr als eine halbe Million Einzeldaten von Slope Streaks erfasst. Diese umfangreiche Datenerhebung konnte Dank moderner Deep-Learning-Technologien realisiert werden, welche Orbitalaufnahmen des Mars mit hoher Genauigkeit analysierten und Slope Streaks zuverlässig identifizierten. Erstaunlich ist, dass diese Striemen zusammen weniger als 0,1 Prozent der gesamten Marsoberfläche verändern, aber dennoch eine enorme Menge an Staub bewegen – vergleichbar mit mehreren Staubstürmen globalen Ausmaßes pro Marsjahr.
Dies macht sie zu einem wichtigen Teil des Mars-Staubzyklus. Wichtig für die wissenschaftliche Gemeinschaft ist die Erkenntnis, dass die Entstehung der Slope Streaks nicht durch flüssige Prozesse, wie das Fließen von Wasser oder Salzlösungen, verursacht wird. Stattdessen sprechen mehrere Argumente und Datenanalysen klar für eine trockene Entstehung. So konnten Korrelationen zwischen der Häufigkeit von Slope Streaks und saisonalen Staubablagerungen, starken Winden sowie neuen Einschlagskratern nachgewiesen werden. Insbesondere Meteoriteneinschläge und der Windtransport feinen Staubs scheinen als Auslöser der Staublawinen zu wirken, die diese Striemen bilden.
Dagegen zeigen die Daten keine bevorzugte Ausrichtung der Slope Streaks auf Sonnen- oder Schattenseiten der Hänge, wie es bei fließenden Wässern und Frostbildung nachzuahmen wäre. Auch sind die Temperaturbedingungen auf den Hängen während der Hauptbildungszeiten dieser Striemen nicht typischerweise geeignet für flüssiges Wasser. Die Ausstellung der Slope Streaks mit einem spektralen Albedo-Muster zeigt zudem, dass sie bevorzugt auf sehr hellen, staubreichen Oberflächen erscheinen – kleine Partikel spielen bei der Entstehung eine zentrale Rolle. Die Verteilung der Slope Streaks ist vor allem in Äquatornähe zwischen 40 Grad Nord und 20 Grad Süd konzentriert, mit einem klaren Schwerpunkt nördlich des Marsäquators. Diese geographische Anordnung unterscheidet sich deutlich von anderen Oberflächenmerkmalen, was wiederum die Eigenständigkeit und ein unabhängiges Entstehungsprinzip dieser Striemen unterstreicht.
Die Funktionsweise solcher trockenen Staubbewegungen lässt sich sich mit Lawinen auf staubigen Hängen vergleichen, bei denen feinste Teilchen durch lokale Instabilitäten ins Rutschen geraten und dadurch dunkle Streifen auf der Oberfläche bilden. Neben Windenergie können Schockwellen von Meteoriten-Einschlägen oder sogar kleine marsquakes, zumindest regional, als Auslöser fungieren, auch wenn die Verbindung zu Erdbeben auf dem Mars bisher statistisch nicht eindeutig belegt ist. Diese Erkenntnisse haben zudem bedeutende Auswirkungen auf das Thema Planetenschutz. Die Annahme von flüssigem Wasser auf der Marsoberfläche führte zu strengen Kontaminationsvorschriften für Raumfahrzeuge, um eine Einführung von irdischem Leben in potenziell bewohnbare Umgebungen zu vermeiden. Die aktuelle Studie legt nahe, dass die betroffenen Regionen trocken sind und keine saisonalen Wasservorkommen enthalten, wodurch Risiken einer biologischen Kontamination als gering eingestuft werden können.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Rolle der Slope Streaks im marstypischen Staubkreislauf. Marsdust ist ein entscheidender Faktor für das Klima und die atmosphärischen Prozesse des Planeten, da er Wärmestrahlung aufnimmt und reflektiert und so Temperatur, Wetter und Staubstürme beeinflusst. Die Bewegung großer Staubmengen durch Slope Streak-Aktivität kann somit einen wesentlichen Beitrag zum komplexen Zusammenspiel aus Oberfläche und Atmosphäre auf dem Mars leisten. Die methodische Grundlage dieser Forschung liegt in einer Kombination aus hochauflösenden Instrumenten wie dem Mars Reconnaissance Orbiter Context Imager (CTX) und dem High Resolution Imaging Science Experiment (HiRISE), kombiniert mit fortschrittlichen maschinellen Lernverfahren. Diese ermöglichten erstmals eine weltweit konsistente, flächendeckende und detaillierte Erfassung und Analyse von Slope Streaks.
Die Forscher erstellten eine statistische Zusammenfassung der Streifen nach Größe, Ausrichtung, Verteilung und Veränderung über die Zeit, um so belastbare Schlüsse zu ziehen. Trotz der umfassenden Datenlage zeigen sich auch offene Fragen und Ansatzpunkte für künftige Forschung. Beispielsweise könnten detaillierte Langzeitbeobachtungen der Aktivität von Slope Streaks wichtige Hinweise zu deren Entstehungsdynamik liefern. Auch der genaue Einfluss von Lokalklima und geologischen Eigenschaften des Untergrunds ist noch nicht abschließend geklärt. Nicht zuletzt könnten Bodenproben und Messungen durch künftige Marsmissionen weitere Klarheit über die genaue Zusammensetzung und Eigenschaften der Staubpartikel bringen.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Entdeckung trockener Entstehungsmechanismen für Slope Streaks maßgeblich dazu beiträgt, das Bild des gegenwärtigen Mars als trockenen, kargen und von Staub geprägten Planeten zu bestärken. Flüssiges Wasser scheint – zumindest in diesen geologisch aktiven Staubphänomenen – keine Rolle zu spielen, was auch Auswirkungen auf mögliche Lebensräume und Missionen hat. Gleichzeitig öffnet die Erkenntnis über die dynamische Rolle des Staubes neue Perspektiven für das Verständnis des marianischen Wetters und Klimasystems. Die Erforschung dieser faszinierenden Marsphänomene zeigt eindrücklich, wie moderne Technologien kombiniert mit interdisziplinärer Forschung dazu beitragen können, jahrzehntelange Rätsel eines fernen Planeten zu lösen. Auch für zukünftige Missionen bieten solche Erkenntnisse wertvolle Hinweise, um wissenschaftliche Anstrengungen zu fokussieren und zugleich Risiken für den Planeten und mögliche mikrobiologische Kontamination zu minimieren.
Mars bleibt damit ein spannendes, dynamisches Forschungsfeld mit noch vielen Geheimnissen, die es zu entdecken gilt.