Die Verteidigung gegen moderne ballistische Raketen stellt seit Jahrzehnten eine der schwersten Herausforderungen der Sicherheitspolitik und Technologieentwicklung dar. Mit dem sogenannten 'Golden Dome'-Plan hat die US-Regierung eine visionäre Raketenabwehrstrategie angekündigt, die das Land vor Angriffen durch Staaten wie Russland, China und Nordkorea schützen soll. Doch trotz ambitionierter technischer Pläne stößt dieses Vorhaben an fundamentale Grenzen der Physik, die den Erfolg eines solchen Systems stark infrage stellen. Die Vorstellung einer nahezu undurchdringlichen Schutzkuppel gegen Raketen ist verlockend. In modernen Kriegen gilt oft die Devise, dass die beste Verteidigung eine gute Offensive ist.
Doch bei nuklearen Bedrohungen ist diese Gleichung weitaus komplexer. ICBMs, also Interkontinentalraketen, früher undenkbare Waffen, bewegen sich mit Geschwindigkeiten von bis zu 25.000 Kilometern pro Stunde – etwa sieben Mal schneller als ein Gewehrgeschoss. Sie tragen oft mehrere Kernsprengköpfe, die allein schon eine enorme Zerstörungskraft besitzen. Eine bestehende Verteidigungslinie in den USA ist das bodengestützte Mittelstreckensystem namens Ground-Based Midcourse Defense (GMD), das mit etwa 44 Interzeptoren arbeitet und hauptsächlich für Angriffe durch einzelne, weniger komplexe Raketen ausgelegt ist.
Tests dieser Systeme zeigen, dass sie zumindest unter kontrollierten Bedingungen mit etwa 60 Prozent Erfolg treffen können. Doch diese Tests sind oft nicht realitätsnah und seit Jahren umstritten. Die Verteidigung gegen Ausweichmanöver und Täuschkörper bleibt eine der größten Herausforderungen, denn im Weltraum reisen echte Sprengköpfe und Täuschobjekte mit ähnlicher Geschwindigkeit und Flugbahn, was sie schwer unterscheidbar macht. Der 'Golden Dome'-Plan will die bestehende Infrastruktur erweitern und in den Weltraum verlegen. Ziel ist es, Tausende von Interzeptoren in niedrigen Erdumlaufbahnen zu stationieren.
Diese Satelliten sollen Angriffe in der sogenannten Boost-Phase abfangen, also während der Raketenstarts, solange Triebwerke gezündet sind und die Rakete noch relativ langsam ist. Frühzeitiges Abfangen gilt als vielversprechender Ansatz, da die Gefechtsköpfe noch nicht freigesetzt wurden und somit nicht von Täuschkörpern begleitet werden. Allerdings bringt gerade die Boost-Phase enorme technische und geopolitische Hürden mit sich. Die kurze Zeitspanne von wenigen Minuten erfordert die ständige Präsenz eines Netzwerkes von Interzeptoren rund um den Erdball, die auf verschiedene Startorte ausgerichtet sein müssen. Die Anzahl der benötigten Satelliten für eine einzige effektive Abwehr einer begrenzten Anzahl von Raketen aus Ländern wie Nordkorea beläuft sich laut unabhängigen Studien auf über tausend Einheiten.
Bei Angriffen durch größere Staaten mit hunderten von Raketen wie Russland und China steigt die Forderung auf Zehntausende. Dies übersteigt bei weitem das aktuelle Netz aktiver Satelliten im Orbit und wirft Fragen zur Machbarkeit und den Kosten auf. Allein die Einrichtung eines solchen Weltraumbasierten Verteidigungssystems schätzt der Kongressnachrichtendienst auf Kosten zwischen 161 und 542 Milliarden US-Dollar über 20 Jahre. Physikalisch gesehen bleibt die Unterscheidung zwischen echten Gefechtsköpfen und Täuschkörpern im freien Raum eine ungelöste Herausforderung. Ohne die Reibung der Erdatmosphäre gleichen alle Objekte während der Flugphase ihre Geschwindigkeit an, was die Identifizierung erschwert.
Aus diesem Grund ist eine zuverlässige Abwehr im sogenannten Midcourse, also der mittleren Flugphase einer Rakete, besonders problematisch. Gegnerische Staaten könnten mithilfe von vermeintlich simplen Tricks wie Ballons oder Metallstreifen das System täuschen und so den Angriff durchbringen. Jenseits der technischen Herausforderungen gibt es politische und strategische Implikationen. Ein sich zunehmend auf Weltraumraketenabwehr verlagernder Ansatz könne in einem unerwünschten Wettrüsten enden, wobei Gegner fortschrittlichere Ballistik- und Täuschsysteme entwickeln, um die Abwehr zu umgehen. Die Vorstellung, dass der 'Golden Dome' ein undurchdringliches Schutzschild darstellt, wird von Experten als unrealistisch eingestuft.
Stattdessen wird angenommen, dass das System lediglich Kleinangriffe mit wenigen Sprengköpfen abwehren kann. Ein massiver Angriff mit zahlreichen Raketen würde vermutlich dennoch durchbrechen, was die Überlebensfähigkeit eines solchen Verteidigungssystems infrage stellt. Die Kritik richtet sich auch gegen die Zeitplanung und das Budget. Der Plan sieht vor, innerhalb weniger Jahre ein funktionierendes System aufzubauen, was angesichts der zuvor genannten Komplexität höchst ambitioniert bis unrealistisch erscheint. Die Technologieentwicklung, Produktion, das Starten der erforderlichen Satelliten und die Integration mit bestehenden Verteidigungsnetzwerken sind Vorgänge, die normalerweise Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Mit seinem Kostenvoranschlag von 175 Milliarden US-Dollar liegt der 'Golden Dome' zwar unter bisherigen Gesamtaufwendungen für Raketenabwehr in der Geschichte der USA, doch Experten bezweifeln, dass mit einem solchen Budget und Zeitrahmen die ambitionierten Ziele realisiert werden können. Zudem stellt der Aufbau von Weltraumwaffen eine neue militärische Dimension dar, die internationale Verträge und diplomatische Beziehungen belasten könnte. Weltraumkooperationen und Rüstungskontrollen, die jahrzehntelang zur Eindämmung des Wettrüstens beitrugen, könnten durch eine neue Generation von Offensiv- und Defensivtechnologien unter Druck geraten. Die US-Raketenabwehragentur betont derweil, dass die neuesten Technologien und Entwicklungen die Skepsis überkommen würden und man voll gewappnet sei, das Land gegen Bedrohungen zu verteidigen. Auch Befürworter sehen in den gesunkenen Startkosten und technologischem Fortschritt eine historische Chance, den Weltraum als erste Verteidigungslinie zu nutzen.
Doch Wissenschaftler wie Frederick Lamb und James Wells von der American Physical Society mahnen zur Vorsicht und verweisen darauf, dass die grundlegenden physikalischen Beschränkungen und die enormen technischen Schwierigkeiten bestehen bleiben. Die Herausforderung der Raketenabwehr ist somit nicht alleine eine technische, sondern auch eine wissenschaftliche. Sie erfordert Innovationen, die weit über herkömmliche Raketentechnologien hinausgehen. Gleichzeitig gehören dazu realistische politische Ziele, klare Strategien und ein Verständnis der physischen Grenzen, welche die Wirksamkeit der Systeme bestimmen. Der Weg zum 'Golden Dome' ist also von vielen ungeahnten Hürden geprägt, die nicht nur das Militär, sondern auch die Politik und Gesellschaft berücksichtigen müssen.