Die öffentliche Börse in den USA steht vor einer möglichen Renaissance der Börsengänge (Initial Public Offerings, IPOs), trotz der weiterhin bestehenden Herausforderungen durch Handelszölle und geopolitische Unsicherheiten. Lynn Martin, Präsidentin der New York Stock Exchange (NYSE), betonte kürzlich auf der renommierten Piper Sandler Global Exchange und FinTech-Konferenz in New York, dass der Markt für gut vorbereitete Unternehmen bereit sei, und das Interesse der Investoren steige spürbar an. Die aktuelle Lage zeigt, dass das Narrativ, Unternehmen könnten angesichts der volatilen Handelssituation nicht an die Börse gehen, so nicht haltbar sei, sondern vielmehr eine selektive aber vielversprechende Neubewertung des IPO-Marktes stattfinde. Die Wahrnehmung vieler Marktteilnehmer war in den letzten zwei Jahren geprägt von Skepsis und Zurückhaltung, nicht zuletzt durch die Auswirkungen der weltweiten Handelskonflikte insbesondere mit Europa und China sowie durch die Unsicherheiten im Bereich der US-Zölle. Trotz dieser Herausforderungen gelang es einigen Firmen, den Gang an die Börse erfolgreich zu gestalten, was als Zeichen einer langsam einsetzenden Erholung interpretiert werden kann.
Beispielsweise konnten Unternehmen wie der Cybersecurity-Spezialist Rubrik oder die Social-Media-Plattform Reddit im Jahr 2024 durch ihre gut vorbereiteten Börsengänge überzeugen und damit den Weg für weitere IPOs ebnen. Die NYSE verfolgt nach Angaben von Präsidentin Martin einen besonders strengen Maßstab bei der Auswahl der gelisteten Unternehmen, was dazu beiträgt, dass nur jene Firmen den Schritt an die Börse schaffen, die gut fundamentiert und somit für Investoren attraktiv sind. Die hohe Qualität der Börsengänge ist maßgeblich für die nachhaltige Entwicklung des Marktes verantwortlich. Experten wie Matt Kennedy von Renaissance Capital, die auf IPO-Analysen spezialisiert sind, beobachten eine steigende Dynamik: Für die Monate Juni und Juli würden jeweils ein bis zwei IPOs pro Woche erwartet, mit einer Beschleunigung des Marktwachstums im Herbst nach der Sommersaison. Dies signalisiert, dass der IPO-Markt sich schrittweise stabilisiert und in eine Phase gesteigerter Aktivität eintritt, wobei die weitere Entwicklung eng mit der globalen politischen und wirtschaftlichen Lage verbunden bleibt.
Parallel zur steigenden IPO-Aktivität plant die NYSE auch signifikante Veränderungen im Handelsbetrieb. Ein innovatives und gleichzeitig vorsichtiges Vorgehen verfolgt die Börse mit der Einführung eines 24-Stunden-Handels auf ihrer Hauptplattform. Zwar sei der Ansatz noch in der Umsetzungsphase, doch liegt der Fokus klar auf Stabilität, Zuverlässigkeit und Resilienz der Handelsinfrastruktur, um gerade institutionellen und privaten Anlegern durchgängige Handels- und Ausführungssicherheit bieten zu können. Dieses Angebot soll den NYSE-Standort im internationalen Wettbewerb stärken und den Bedürfnissen der Märkte flexibler gerecht werden. Gleichzeitig spitzt sich der Wettbewerb im Bereich der Handelsplattformen spürbar zu.
Die Eröffnung der Texas Stock Exchange, die von Schwergewichten wie BlackRock und Citadel Securities unterstützt wird, schlägt bereits Wellen und könnte das Listinggeschäft merklich beeinflussen. Die neue Börse, die Anfang 2025 den Betrieb aufnahm, verzeichnet erste Erfolge mit namhaften Unternehmen als Gründungsmitglieder, darunter auch kontroverse Akteure wie die Trump Media & Technology Group. Die NYSE setzt deshalb verstärkt auf Kundengespräche und strategische Kommunikation, um Unternehmen von den Vorteilen eines Listings in New York zu überzeugen. Insgesamt zeichnet sich ein Bild ab, in dem die US-amerikanischen öffentlichen Kapitalmärkte trotz geopolitischer Unsicherheiten und Zollstreitigkeiten ihre Attraktivität für qualitätsorientierte Unternehmen und Investoren zurückgewinnen. Die Kombination aus starken Listing-Standards, zunehmendem Anlegerinteresse und technischen Innovationen im Handel unterstützt die Erwartung, dass 2025 ein Jahr mit einer spürbaren Wiederbelebung im IPO-Segment werden könnte.
Die Beobachtung der Entwicklung bleibt für Marktteilnehmer angesichts der noch immer bestehenden externen Risiken essenziell, wobei der Erfolg vor allem von der Stabilität der Wirtschafts- und Handelspolitik abhängen wird. Der Optimismus von Marktführern wie Lynn Martin weist jedoch auf eine selbstbewusste Haltung hin, die Chancen in einem komplexen Umfeld zu nutzen und sowohl Emittenten als auch Anlegern eine verlässliche Plattform zu bieten. Die kommenden Monate dürften zeigen, inwieweit das Potenzial für eine stärkere IPO-Aktivität realisiert wird und ob die US-Märkte ihre Rolle als zentraler Ort für Unternehmensfinanzierungen weiterhin behaupten können.