Das Kniegelenk ist besonders anfällig für Verschleißerscheinungen wie Arthrose, die meist mit zunehmendem Alter auftreten. Überraschenderweise zeigen aktuelle Studien, dass strukturelle Veränderungen im Kniegelenk, die mit Arthrose in Verbindung gebracht werden, bereits bei relativ jungen Erwachsenen im Alter von 33 Jahren häufig zu finden sind – selbst in weitgehend asymptomatischen Populationen. Diese Erkenntnis wirft wichtige Fragen hinsichtlich der Prävention, Früherkennung und des Verständnisses für den Verlauf degenerativer Knieerkrankungen auf. Die in der jüngsten Untersuchung der Nordfinländischen Geburtskohorte 1986 (NFBC1986) gewonnenen Daten liefern erstmals detaillierte Einblicke in die Prävalenz und Verteilung von Knie-MRT-Befunden in einer nicht speziell vorselektierten Allgemeinbevölkerung im mittleren Erwachsenenalter. Von 288 gesunden Teilnehmern im Durchschnittsalter von 33,7 Jahren zeigten mehr als die Hälfte bereits kleine Knorpelschäden im Bereich des Patellofemoralgelenks, während knapp ein Viertel Veränderungen am Tibiofemoralgelenk verzeichnete.
Diese Knorpelschäden waren meist geringfügig und in vielen Fällen noch ohne vollständigen Verschleiß des Knorpels, was auf ein Anfangsstadium degenerativer Veränderungen hinweist. Die MRT-Analyse erfolgte mit hochauflösenden Sequenzen an 3-Tesla-Geräten, die eine präzise Darstellung der Kniegelenksstrukturen erlauben. Die Befunde umfassten neben Knorpelläsionen auch Knochenmarkläsionen sowie Osteophyten, also knöcherne Ausziehungen, die in mehr als der Hälfte der untersuchten Kniegelenke nachgewiesen wurden. Besonders im Patellofemoralgelenk waren selbst bei dieser jungen und überwiegend symptomfreien Kohorte bereits osteophytenartige Veränderungen häufig vorhanden. Neben den strukturellen Veränderungen wurden auch weitere Aspekte wie Meniskusform und Meniskusschäden, Gelenkergüsse sowie begleitende Veränderungen am Bandapparat erhoben.
Die meisten Menisken waren intakt, und schwerwiegende Bandverletzungen waren selten. Gelenkergüsse traten zwar häufiger bei Männern auf, zeigten jedoch insgesamt eine niedrige Ausprägung. Diese Befunde verdeutlichen, dass morphologische Läsionen unabhängig von akuten Verletzungen oder starken klinischen Symptomen vorhanden sein können. Ein besonders auffälliger Zusammenhang zeigte sich zwischen dem Body-Mass-Index (BMI) und den MRT-Befunden. Ein höherer BMI war über verschiedene strukturelle Parameter hinweg signifikant mit einem größeren Auftreten und einer erhöhten Schwere von Knorpelschäden, Knochenmarkläsionen und Osteophyten assoziiert.
Dies bestätigt frühere Erkenntnisse, die Übergewicht als wesentlichen Risikofaktor für Kniearthrose identifiziert haben. Allerdings zeigte die Studie, dass der BMI bereits in relativ jungen Jahren Einfluss auf die Gelenkstruktur nehmen kann, was die Bedeutung frühzeitiger Interventionen zur Gewichtskontrolle unterstreicht. Darüber hinaus zeigten sich Hinweise darauf, dass erhöhte Werte von Plasma-Urat ein unabhängiger Risikofaktor für bestimmte MRT-Veränderungen sein könnten. Da Urat oft mit Stoffwechselstörungen wie Gicht und metabolischem Syndrom in Verbindung gebracht wird, unterstützt dies die Hypothese, dass metabolische Faktoren neben mechanischer Belastung eine wichtige Rolle bei der Entwicklung degenerativer Gelenkveränderungen spielen. Während genetische Faktoren wie eine familiäre Belastung mit Kniearthrose ebenfalls in Zusammenhang mit manchen Befunden standen, war der Einfluss im Vergleich zu Lebensstilfaktoren wie BMI weniger ausgeprägt.
Interessanterweise waren einige der strukturellen Veränderungen bei Männern etwas häufiger, obwohl generell bekannt ist, dass Frauen langfristig ein höheres Risiko für Arthrose haben. Dies könnte auf eine unterschiedliche Krankheitsentstehung oder auf die Wirkung anderer Risikofaktoren hinweisen. Die Ergebnisse sind besonders bemerkenswert, da die überwiegende Mehrheit der betrachteten Probanden asymptomatisch war und keine klinisch relevanten Beschwerden meldete. Dies bestätigt, dass viele strukturelle Knieveränderungen über Jahre oder Jahrzehnte ohne Schmerzen oder Funktionseinschränkungen bestehen können. Es bleibt daher unklar, welche dieser frühen Veränderungen tatsächlich zu fortschreitender Arthrose mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung führen.
Angesichts der Häufigkeit dieser MRT-Befunde in jungen Erwachsenen gewinnt die Bedeutung langfristiger Studien an der Identifizierung von Risikofaktoren und den natürlichen Verlauf solcher Veränderungen. Nur durch ein besseres Verständnis können gezielte Präventionsmaßnahmen und Therapien entwickelt werden, um die Entwicklung einer klinisch relevanten Arthrose zu verhindern oder zu verzögern. Klinisch stellt sich zudem die Frage, welchen Stellenwert subtile MRT-Veränderungen haben sollten, insbesondere bei Patientinnen und Patienten ohne Symptome. Derzeit ist die Bildgebung vorwiegend symptomorientiert, und routinemäßige MRT-Untersuchungen im jungen Erwachsenenalter sind unüblich. Trotzdem sind strukturierte Untersuchungen wie die hier dargestellte Studie ein wichtiger Schritt, um Normwerte zu definieren und pathologische Veränderungen besser einordnen zu können.
Dabei sollte berücksichtigt werden, dass einige Befunde, wie kleine Osteophyten, nicht zwingend auf eine beginnende Arthrose hinweisen, sondern auch physiologische Knochenumbauprozesse sein könnten. Die Unterscheidung zwischen degenerativen und “normalen” altersbedingten Veränderungen ist komplex und erfordert unter anderem den Vergleich von Querschnittstudien mit longitudinalen Daten. Nichtsdestotrotz bestärkt die vorliegende Studie die Bedeutung eines gesunden Lebensstils, besonders der Gewichtsregulation, schon in jungen Jahren zur Erhaltung der Gelenkgesundheit. Aktivitätsfördernde Maßnahmen, die Überlastungen vermeiden und die Muskulatur stärken, können ebenfalls einen positiven Beitrag leisten. Zudem sollten Risikopatienten mit familiärer Arthrosebelastung frühzeitig beraten und beobachtet werden.
Die Erkenntnisse regen auch zur Reflexion über die Rolle moderner Bildgebungsverfahren in der rheumatologischen und orthopädischen Praxis an. Der differenzierte Einsatz von MRT kann zukünftig helfen, individuelle Risikoprofile zu erstellen und Therapien genauer zu steuern. Zugleich dürfen die bildgebenden Erkenntnisse nicht isoliert, sondern müssen immer im klinisch-symptomatischen Zusammenhang betrachtet werden. Abschließend lässt sich sagen, dass strukturelle Knieveränderungen, die auf einem MRT bereits bei 33-jährigen Erwachsenen nachweisbar sind, deutlich häufiger vorkommen als bisher angenommen. Sie eröffnen neue Perspektiven für die Erforschung der frühen Phasen der Kniearthrose sowie für Präventionsstrategien.
Besonders die Rolle des BMI als modifizierbarer Faktor bietet einen praktikablen Ansatzpunkt, um die Gelenkgesundheit langfristig zu fördern. Weitere Forschungsvorhaben sollten sich deshalb auf die Verfolgung dieser frühen Befunde über längere Zeiträume konzentrieren, um prognostisch aussagefähige Marker und Maßnahmen zur Verhinderung der Krankheitsprogression zu identifizieren. Die Integration von Bildgebung, klinischen Parametern und biochemischen Biomarkern wird dabei eine zentrale Rolle spielen und die Versorgung von Patienten mit Kniebeschwerden in Zukunft maßgeblich verbessern.