Die Nachfrage nach leistungsfähigeren und effizienteren Mikroelektroniksystemen wächst stetig. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, gewinnt die 3D-Integration an Bedeutung – hierbei werden Chips übereinander gestapelt, um eine kompakte und leistungsstarke Architektur zu schaffen. Dieses Verfahren ermöglicht es, Hochleistungsprozessoren, die beispielsweise für künstliche Intelligenz eingesetzt werden, eng mit spezialisierten Chips für Kommunikations- oder Bildverarbeitungstechnologien zu kombinieren. Trotz der vielversprechenden Vorteile bringt diese neue Struktur eine erhebliche Herausforderung mit sich: die Wärmeentwicklung und deren effiziente Ableitung. Die Überhitzung stellt insbesondere bei sogenannten 3D-gestapelten Schaltkreisen ein großes Problem dar, da die Hitze kaum entweichen kann.
Klassische Kühlsysteme sind dafür nicht ausgelegt, mehrere übereinander liegende Chips effektiv zu kühlen. Genau an dieser Stelle setzt das innovative Projekt des MIT Lincoln Laboratory an. Dort haben Forscher einen spezialisierten Chip entwickelt, der dazu dient, verschiedene Kühlungslösungen zu testen und deren Effektivität im realen Einsatz zu validieren. Der Testchip simuliert Hochleistungslogikchips und erzeugt erhebliche Wärmemengen innerhalb eines 3D-Chipstapels. Er kann nicht nur die Hitze entwickeln, sondern misst zugleich die Temperatur in den verschiedenen Lagen des Stapels.
Damit erlaubt er Wissenschaftlern, die Wärmeströme und die Kühlwirkung auf unterschiedliche Bereiche des Stapels präzise zu verfolgen. Einer der führenden Entwickler, Chenson Chen, beschreibt das Problem so: Während ein einzelner Chip meist von oben oder unten gekühlt werden kann, fehlen bei mehreren gestapelten Chips die effektiven Wege für die Wärmeabfuhr. Mit dem neuen Testchip kann nun erstmals untersucht werden, wie hier Abhilfe geschaffen werden kann. Aktuell wird der Chip bei HRL Laboratories eingesetzt, einem Forschungsunternehmen, das von Boeing und General Motors gemeinsam betrieben wird. Dort arbeiten Forscher an Kühlungssystemen für sogenannte 3D heterogene integrierte Systeme, bei denen neben Siliziumchips auch weitere Halbleitertechnologien wie III-V-Verbindungen verbaut werden.
Diese setzen besonders im Bereich der Hochfrequenztechnik hohe elektrische Leistungen um und erzeugen entsprechend viel Wärme. Die Herausforderung, solche komplexen, verschiedenartigen Systeme in einem 3D-Stapel effizient zu kühlen, erfordert innovative Prüfmethoden – genau die liefert der neue Testchip. Unterstützt wird das Forschungsprojekt von der Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) im Rahmen ihres Minitherms3D-Programms. Ziel ist es, Thermomanagement-Systeme zu entwickeln, die für die hybride 3D-Integration entscheidend sind. Die militärische Anwendung hat großes Interesse an solchen Technologien, da sie die Reichweite von Radarsystemen erweitert, fortschrittliche Sensoren auf unbemannten Fluggeräten ermöglicht und KI-basierte Datenauswertungen direkt vor Ort erlaubt, ohne auf externe Rechenzentren angewiesen zu sein.
Der Chip vereint zwei essentielle Funktionen: Er erzeugt Wärme und misst gleichzeitig die Temperatur. Dazu integrierten die Entwickler spezialisierte Schaltungen, die eine hohe Leistungsdichte erreichen können – im Bereich von Kilowatt pro Quadratzentimeter. Diese Werte sind vergleichbar mit den aktuellen und zukünftigen Leistungsanforderungen moderner Hochleistungschips. Weiterhin sind die Heizkreise so ausgelegt, dass sie typische interne Strukturen solcher Chips nachbilden und realistische Wärmeszenarien simulieren. Besonders relevant sind die sogenannten Hotspots, also lokal begrenzte Bereiche mit besonders hoher Wärmeentwicklung.
Gerade diese Regionen befinden sich meist in den innersten, schwer zugänglichen Schichten eines Chipstapels. Um herauszufinden, ob neuartige Kühlsysteme wie Mikrokanäle für flüssigen Kaltmittel-Transport auch diese Hotspots wirksam erreichen, ist es notwendig, präzise Temperaturmessungen an verschiedenen Punkten vorzunehmen. Zur Temperaturerfassung dienen integrierte kleine „Thermometer“ in Form von Dioden. Diese Halbleiterelemente verändern ihre elektrische Leitfähigkeit je nach Temperatur. Durch Messung der Spannung und des Stromes lassen sich Rückschlüsse auf die genaue Temperatur an verschiedenen Stellen ziehen.
Die intelligente Nutzung dieser thermischen Eigenschaften erlaubt eine präzise Überwachung der Temperaturentwicklung während des Kühllaufs. Dies ist entscheidend, um die Effizienz verschiedener Kühlkonzepte bewerten zu können. Die Entwicklung des Chips erforderte eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Schaltungsentwicklern, Experten für elektrische Tests und Fertigungsexperten im Microelectronics Laboratory des MIT. Die Technologie entstand durch eine Kombination innovativer Schaltungsdesigns und bewährter Silizium-Fertigungsmethoden, was die schnelle Umsetzung und Einbindung des Prototyps in reale Testumgebungen ermöglichte. HRL Laboratories arbeitet eng mit dem MIT-Team zusammen, um den Testchip in 3D-Stapeln mit neuartigen Kühlsystemen zu betreiben.
Dabei stehen besonders Lösungen im Fokus, die es ermöglichen, die Wärmemenge, die mehr als 190 Laptop-CPUs entspricht, in einer Größe zu kühlen, die nur die eines einzelnen CPU-Pakets aufweist. Diese anspruchsvolle Herausforderung zeigt, wie gravierend das Wärmeproblem bei der 3D-Integration ist und wie wichtig technologische Durchbrüche wie der neue Benchmarking-Chip sind. Die Zukunft der Mikroelektronik wird maßgeblich von der effektiven Integration und dem Thermomanagement gestapelter Chips abhängen. 3D-Architekturen versprechen eine Revolution in der Leistungsfähigkeit und Funktionsvielfalt von elektronischen Systemen. Doch ohne adäquate Kühlungslösungen drohen Überhitzung, Leistungsverlust und Ausfälle.
Der neue Testchip des MIT Lincoln Laboratory bringt den Weg für praxisnahe und belastbare Entwicklungsschritte entscheidend voran. Die Fortschritte, die mit dem Gerät erzielt werden können, haben breitgefächerte Auswirkungen auf verschiedene Branchen. Neben der Verteidigung und Luftfahrt können Hochleistungscomputer, Kommunikationssysteme und KI-Anwendungen weltweit profitieren. Die Kombination aus präziser Hitzeerzeugung und umfangreicher Temperatursensorik macht den Chip zum unverzichtbaren Werkzeug bei der Entwicklung zukünftiger mikroelektronischer Systeme. Darüber hinaus fördert das Projekt den Austausch zwischen akademischer Forschung und industrieller Entwicklung.
Die enge Zusammenarbeit zwischen dem MIT Lincoln Laboratory, HRL Laboratories und DARPA zeigt, wie öffentliche Fördermittel zielgerichtet Innovationen fördern und die technologische Führungsrolle in Schlüsselbereichen sichern können. Insgesamt markiert die Einführung dieses spezialisierten Chips einen bedeutenden Meilenstein auf dem Weg zu vollkommen neuen Möglichkeiten der Wärmeableitung und Leistungsoptimierung in komplexen 3D-Mikroelektroniksystemen. Verstärkte Forschung und gezielte Entwicklung in diesem Bereich könnten schon bald die Tür zu neuartigen, hochintegrierten Systemarchitekturen öffnen, die bislang wegen thermischer Limitierungen unvorstellbar gewesen wären. Damit steht die Mikroelektronik an der Schwelle zu einer Ära, in der kluge Hardware und fortschrittliches Thermomanagement Hand in Hand gehen, um die Anforderungen der nächsten Technologiegeneration zu erfüllen.