Im Bitcoin-Ökosystem entbrennt eine hitzige Debatte, die unter dem Namen „OP_RETURN-Krieg“ Bekanntheit erlangt hat. Im Zentrum steht die Frage, ob die Datenkapazität in OP_RETURN-Transaktionsausgängen erweitert werden sollte. Diese Diskussion offenbart viele Facetten über die gegenseitigen Prämissen und Zielsetzungen unterschiedlicher Entwicklergruppen rund um das Bitcoin-Protokoll. Dabei positionieren sich die Beteiligten nicht selten entlang technologischer, ökonomischer und ideologischer Linien, was die Entwicklung von Bitcoin als dezentrale Kryptowährung grundlegend beeinflusst. Die OP_RETURN-Funktion ist eine spezielle Ausgabemöglichkeit in Bitcoin-Transaktionen, die es Nutzern erlaubt, kurze Datenfragmente dauerhaft in einer Blockchain zu speichern.
Von Beginn an wurde diese Möglichkeit mit einer strikten Begrenzung versehen, um zu verhindern, dass das Netzwerk durch unnötige Datenspeicherung belastet und damit seine Skalierbarkeit und Sicherheit gefährdet wird. Die aktuell beim Bitcoin Core festgelegte Beschränkung liegt bei 83 Bytes pro OP_RETURN-Ausgabe und gilt seit mehreren Jahren als Sicherheitsmaßnahme gegenüber einer übermäßigen Nutzung der Blockchain für nicht-finanzielle Daten. Im Frühjahr 2025 setzten einige Entwickler innerhalb der Bitcoin Core Community einen erneuten Versuch in Bewegung, diesen Datenlimit-Ausschluss aufzuheben beziehungsweise aufzuweiten. Einen solchen Vorstoß gab es bereits 2023, doch die damals angegangene Änderung scheiterte aufgrund intensiver interner Kritik und mangelnder Übereinstimmung. Was letztes Jahr an Widerstand stieß, wurde 2025 durch einen von Peter Todd verfassten Pull Request mit der Nummer 32359 erneut eingebracht, was mancherorts als zweiter Versuch oder gar „Copycat“ des vorherigen Vorschlags bezeichnet wurde.
Dieser erneute Vorstoß führte zu erheblicher Kontroverse in der Entwicklergemeinde. Kritiker bezeichneten den Vorgehensstil als chaotisch, destruktiv und ohne ausreichenden Konsens, sogar als „Vandalismus“. Sie bemängelten, dass wichtige Standards wie die Einbindung des Bitcoin Improvement Proposal (BIP)-Verfahrens oder öffentliche Diskussionen auf Mailinglisten umgangen wurden, was in der Bitcoin-Entwicklerszene als Vertrauensbruch empfunden wird. Manche äußerten sogar die Sorge, dass größere, möglicherweise kommerziell getriebene Interessen hinter der Änderung stecken könnten, die dem finanziellen Fokus von Bitcoin entgegenstünden. Die Befürworter des PR 32359 hingegen betrachteten die Änderung als eine notwendige Modernisierung.
Sie argumentierten, dass das Speichern nicht-finanzieller Daten in Bitcoin-Transaktionen längst gängige Praxis sei, allerdings über andere Umwege, die technisch problematischer seien als das Updaten von OP_RETURN selbst. Beispielsweise nutzten viele bereits heute Ausgaben, die auch Daten enthielten, indem sie etwa die SegWit-Beobachter-Rabatt (Witness Discount) ausnutzten, um speicherintensive Transaktionen mit deutlich günstigeren Gebühren durchzuführen. In ihren Augen sei es folglich sinnvoller, diese Praxis zu standardisieren und zu normalisieren, statt sie weiter zu verschleiern oder technisch zu umgehen. Das erklärte Ziel der Befürworter lässt sich unter dem Begriff „Harm Reduction“ zusammenfassen – einem Begriff, der aus der öffentlichen Gesundheitsvorsorge stammt und Maßnahmen beschreibt, die bestehendes Risiko mindern, ohne es notwendigerweise zu verbieten. Ein Bild, das Peter Todd und seine Unterstützer hervorrufen, ist das Bereitstellen von sterilen Nadeln für Drogenkonsumenten als Methode, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.
Übertragen auf Bitcoin heißt das, dass eine Erhöhung der OP_RETURN-Datengröße den Schaden begrenzen würde, der durch das wachsende Volumen an sogenannten „unprunablen“ Outputs im UTXO-Set entsteht. Das UTXO-Set, also die Sammlung unspent transaction outputs, bildet das Rückgrat der Bitcoin-Netzwerkvalidierung. Unprunable Outputs sind hierbei Transaktionsausgänge, die nie ausgegeben werden können und dauerhaft im UTXO-Set verbleiben. Tritt eine Organisation wie Citrea auf, ein unternehmensgetriebenes Projekt, das zur Erfüllung bestimmter Protokollzwecke 100-Byte-Datenpakete dauerhaft in das UTXO-Set schreibt, verursacht das überhandnehmende Strukturkosten für volle Bitcoin-Knoten. Diese müssen immer größere Datenmengen validieren, herunterladen und speichern, was die Ressourcenbelastung stetig erhöht und langfristig die Dezentralität des Netzwerks gefährden kann.
Da OP_RETURN-Ausgaben zwar dauerhaft in der Blockchain gespeichert werden, jedoch nicht zum UTXO-Set gehören, sind sie aus Sicht von Befürwortern der PR 32359 deutlich weniger belastend für das Netzwerk. Die vorgeschlagene Ausweitung der Datenkapazität für OP_RETURN-Ausgaben von 83 auf deutlich mehr Bytes – etwa über 100 – hätte es Projekten wie Citrea ermöglicht, ihre Datenschreibvorgänge effizienter und ohne das Wachstum des UTXO-Sets durchzuführen. Damit sei ein erhebliches Maß an „Harm Reduction“ gegeben, also das Vermeiden von größerem Schaden für das gesamte Bitcoin-Ökosystem. Allerdings ruft diese Argumentation auch Skepsis hervor. Gegner und viele Community-Mitglieder befürchten, dass die Erhöhung der OP_RETURN-Größe die Blockchain selbst unnötig aufblähen könnte.
Die Bitcoin-Blockchain ist mittlerweile mehrere hundert Gigabyte groß, und jede zusätzliche Möglichkeit, mehr Daten in jeden Block einzufügen, erhöht das Risiko einer exponentiellen Vergrößerung der Blockchain, was wiederum die Hürden für das Betreiben von Full Nodes steigen lässt. Höhere Anforderungen an Speicherplatz und Bandbreite könnten langfristig zu einer Zentralisierung führen, da nur noch Investitionsstarke Netzwerkteilnehmer diese Anforderungen erfüllen könnten. Darüber hinaus steht die Befürchtung im Raum, dass eine größere OP_RETURN-Datenkapazität nicht nur die sorgfältig regulierte Netzwerkökonomie beeinträchtigen kann, sondern auch das eigentliche Ziel von Bitcoin, nämlich die dezentrale, finanzielle Peer-to-Peer-Plattform, durch die verstärkte Nutzung für andere Zwecke in den Hintergrund rücken lässt. Ein weiteres kontroverses Thema rund um die PR 32359 war die Frage der Transparenz und potenzieller Interessenkonflikte. So wird Jameson Lopp, ein bekannter Investor von Citrea und Befürworter der PR, von Kritikern bezichtigt, keine klare Abgrenzung zwischen seinem Investment und dem Potenzial zur Änderung der OP_RETURN-Politik vorgenommen zu haben.
Lopp seinerseits bestreitet einen Interessenkonflikt und betont, dass das Citrea-Protokoll selbst von der Programmänderung nicht profitiere, sondern lediglich eingeladen werde, OP_RETURNs zur Vermeidung des UTXO-Bloat zu nutzen. Die Kontroverse gipfelte in einer gespaltenen Community, in der soziale Medien, offizielle Entwickler-Mailings und Foren wie StackerNews oder Reddit zum Schlachtfeld wurden. Einige Maintainer und Community-Mitglieder setzten sich für eine offene Diskussion ein und warnten vor überstürzten Änderungen an einer so grundlegenden Komponente wie der Bitcoin Core-Software. Andere wiederum unterstützten den Vorschlag vehement mit dem Hinweis, dass Veränderungen nötig seien, um das Netzwerk zukunftsfest zu gestalten und neue Nutzungen zu ermöglichen. Die Debatte zeigt exemplarisch die Herausforderungen, vor denen ein Open-Source-Projekt mit weltweiter Bedeutung steht.
Balance zwischen Innovation und Bewahrung bestehender Netzwerksicherheiten, die Vermeidung von Zensur und Wahrung der Dezentralität sowie das ständige Ringen um Konsens sind Prozesse, die die auf vielen Ebenen komplexe Governance von Bitcoin stark prägen. Ob der Vorschlag letztendlich in das Bitcoin Core Mainnet einfließen wird, steht derzeit noch nicht fest. Die Meinungsbildung in der Entwickler- und Nutzer-Community setzt sich fort, und auch weitere technische Analysen werden nicht ausbleiben. Dennoch hat die OP_RETURN-Debatte die Aufmerksamkeit auf die wachsende Nutzung der Blockchain für Speicherzwecke im Allgemeinen und die Herausforderungen für das Netzwerk in Zeiten steigender Nachfrage gelenkt. Diese Diskussion sollte dabei nicht nur als Konflikt verstanden werden, sondern auch als Ausdruck einer lebendigen, engagierten Gemeinschaft, die sich um die Weiterentwicklung einer der bedeutendsten digitalen Technologien unserer Zeit bemüht.
Letztlich wird die Lösung wohl weder in der völligen Ausweitung noch in der strikten Verhinderung des Datenwachstums liegen, sondern in einem ausgewogenen Ansatz, der sowohl die technische Integrität als auch die dezentrale Philosophie von Bitcoin gewährleistet.