Im Jahr 2024 sorgte die überraschende Übernahme von Relativity Space durch Eric Schmidt, den ehemaligen CEO und Vorsitzenden von Google, für großes Aufsehen in der Technologie- und Raumfahrtbranche. Seine Absichten hinter dem Kauf des aufstrebenden Start-up-Unternehmens mit Sitz in den USA deuten auf eine ambitionierte Vision: die Etablierung von Datenzentren im Erdorbit. Dieses Konzept hat nicht nur das Potenzial, die Herausforderungen der Energieversorgung und Kühlung herkömmlicher Rechenzentren zu adressieren, sondern könnte auch die Compute- und Speicherinfrastruktur für die nächste Generation von Künstlicher Intelligenz (KI) und anderen datenintensiven Anwendungen transformieren. Die zunehmende Verbreitung von KI-Anwendungen und Cloud-Diensten hat in den letzten Jahren den Energiebedarf von Datenzentren weltweit steigen lassen. Studien zeigen, dass ein einzelner ChatGPT-Anfrage etwa zehnmal mehr Energie verbraucht als eine typische Google-Suche.
Prognosen zufolge könnte der Energieverbrauch von Datenzentren bis 2030 auf mehrere Dutzend Gigawatt ansteigen – eine Größenordnung, die an den Output ganzer Kraftwerke heranreicht. Angesichts der aktuellen Energieprobleme und der Umweltbelastungen durch konventionelle Rechenzentren wird deutlich, dass herkömmliche Infrastruktur an ihre Grenzen stößt. Eric Schmidt sprach bei einer Anhörung vor dem US-Repräsentantenhaus über die Zukunft der künstlichen Intelligenz und die Herausforderungen im Bereich Energieversorgung. Dabei hob er hervor, dass allein der Betrieb von Datenzentren durch den steigenden Bedarf an Rechenleistung bereits enorme Mengen Strom beansprucht, die teilweise über 67 Gigawatt bis zum Jahr 2030 betragen könnten. Schmidt führte weiter aus, dass die herkömmliche Energieindustrie nicht darauf vorbereitet sei, mit einer solchen Nachfrage Schritt zu halten, da die jährliche Steigerung des Energieverbrauchs bisher nur bei etwa 0,5 Prozent lag.
Diese drängende Energieproblematik bringt Schmidt auf die Idee, Datenzentren ins Weltall zu verlegen. Im All könnten sie theoretisch durch großflächige Solarpanels mit energieeffizientem und kontinuierlichem Solarstrom versorgt werden. Zudem könnte die Wärme, die durch den hohen Rechenbetrieb entsteht, im Vakuum des Weltraums durch Strahlung effizient abgegeben werden, ein Vorteil, der auf der Erde nur sehr schwer und mit großem Wasserverbrauch für Kühlung zu erreichen ist. Relativity Space ist aufgrund seiner Technologie und Kapazitäten die perfekte Wahl für dieses Vorhaben. Das US-Start-up setzt auf innovative 3D-Druckverfahren in der Raketenherstellung und entwickelt die vielversprechende Terran R Rakete, die in der Lage ist, bis zu 33,5 Tonnen Nutzlast in den niedrigen Erdorbit zu bringen.
Im Vergleich zu anderen kommerziellen Trägersystemen hebt sich diese Rakete durch ihre Größe und Wiederverwendbarkeit hervor. Schmidt erhält dadurch die strategische Kontrolle über den Zugang zum Weltraum, die für den Aufbau und Betrieb großer Orbitaldatenzentren notwendig ist. Es gibt nur wenige etablierte, amerikanische Raumfahrtunternehmen, die schwere Nutzlasten kommerziell in den Orbit befördern können und unabhängig agieren. SpaceX und Blue Origin gehören milliardenschweren Unternehmern und sind nicht verfügbar, während die United Launch Alliance und Rocket Lab mit ihren Raketensystemen entweder teuer oder zu klein sind für Schmidts Ambitionen. Relativity Space schließt damit eine entscheidende Lücke im Markt und bietet nicht nur Startkapazitäten, sondern auch die Möglichkeit, Startkomplexe und Infrastruktur nach Schmidts Vorstellungen auszubauen.
Dennoch stehen solche orbitalen Datenzentren vor komplexen Herausforderungen. Zunächst stellt sich die Frage nach der Größe und dem Design der Anlagen. Klassische Rechenzentrumsgebäude lassen sich nicht einfach 1:1 in den Orbit transferieren. Die Hardware muss für die rauen Umweltbedingungen des Weltraums ausgelegt sein, mit effektiven Schutzmechanismen gegen Strahlung und Mikrometeoroiden. Das Thema Orbitalverkehr und Weltraummüll wird ebenfalls immer dringlicher, da der niedrige Erdorbit mittlerweile stark frequentiert ist.
Neue Datenzentren müssen daher so konzipiert sein, dass sie den vorhandenen Raum optimal nutzen, dabei die Umlaufbahnen anderer Satelliten berücksichtigen und nach ihrer Nutzungsdauer umweltverträglich entsorgt werden können. Die Energieversorgung könnte durch Solarpaneele sichergestellt werden, die im Weltall wesentlich effizienter arbeiten als vergleichbare Anlagen auf der Erde. Ohne atmosphärische Dämpfung steht praktisch kontinuierlich Sonnenlicht zur Verfügung. Die Herausforderung besteht darin, die erzeugte Energie effizient zu speichern und zu verteilen, insbesondere in Phasen, in denen die Einrichtungen im Erdschatten liegen. Das große Problem der Kühlung, das auf der Erde den Wasserverbrauch in großen Datenzentren erheblich mitbestimmt, lässt sich im Vakuum des Alls elegant lösen.
Die Wärmeabgabe erfolgt nicht durch konvektive oder evaporative Prozesse, sondern ausschließlich durch Wärmestrahlung. Dies erfordert spezielle radiative Kühlsysteme, die ausreichend große Flächen zum Abstrahlen der Wärme bereitstellen. Die Kostenfrage bleibt eine der wichtigsten Hürden. Der Bau und Betrieb orbitaler Datenzentren erfordert enorme Anfangsinvestitionen. Derzeit sind die Kosten pro Kilogramm Nutzlast in den Orbit noch hoch, auch wenn sie durch neuere, teilweise wiederverwendbare Raketen stark reduziert wurden.
Schmidts Investition in Relativity Space und seine Suche nach weiteren Finanzierungspartnern zeigen, dass er sich der enormen finanziellen Anforderungen bewusst ist. Dennoch könnte gerade die Aussicht, Energiekosten, Umweltbelastungen und Kühlungsprobleme auf der Erde erheblich zu reduzieren, einen wirtschaftlichen Anreiz bieten, der langfristig Investoren überzeugt. Die Vision, Datenoperationen ins All auszulagern, ist nicht neu, hat aber nun mit Schmidts Engagement einen neuen Schub erhalten. Auch die geopolitischen Dimensionen spielen eine Rolle. Die USA bemühen sich, ihre technologische Unabhängigkeit im Bereich KI und Raumfahrt zu sichern.
Orbitaldatenzentren können dabei nicht nur Energieprobleme lösen, sondern auch als strategische Infrastruktur für nationale Sicherheit und globale Vernetzung dienen. Auch Umweltschutzaspekte werden immer wichtiger. Während die klassische IT-Industrie durch massiven Energie- und Wasserverbrauch zu den bedeutenden Umweltbelastungen zählt, könnten orbital betriebene Rechenzentren dazu beitragen, den ökologischen Fußabdruck der digitalen Infrastruktur signifikant zu verkleinern. Eine Verlagerung in die Erdumlaufbahn würde Standortprobleme auf der Erde abbauen und für eine sauberere digitale Zukunft sorgen. Natürlich stellen sich noch viele offene Fragen: Wie groß kann und sollte eine solche Einrichtung im Weltraum sein? Wie integriert man diese Datenzentren sicher und nachhaltig in bestehende Umlaufbahnen? Welche technologischen Neuerungen sind erforderlich, um Hardware robuster gegen Weltraumbedingungen zu machen? Und nicht zuletzt die Frage, ob sich das gesamte Geschäftsmodell unter den wirtschaftlichen Bedingungen des nahen Weltraums rentiert.