Tempus AI galt lange als eines der vielversprechendsten Unternehmen in der Schnittstelle zwischen künstlicher Intelligenz und präzisionsorientierter Medizin. Als eines der favorisierten Investments von Cathie Wood, einer der bekanntesten und einflussreichsten Fondsmanagerinnen, die für ihre mutigen und zukunftsweisenden Wetten auf Technologieunternehmen bekannt ist, stand die Aktie im Fokus vieler Investoren. Doch am 28. Mai 2025 erlebte Tempus AI einen massiven Einbruch seines Aktienkurses von fast 19 Prozent innerhalb eines Tages. Warum stürzt ein so hoch gehandelte und von einem prominenten Investor unterstütztes Unternehmen plötzlich ab? Diese Frage führt uns zu den jüngsten Geschehnissen rund um Tempus AI und den Vorwürfen eines Short-Sellers.
Tempus AI positioniert sich als Pionier im Bereich der präzisionsmedizinischen Anwendungen, die mithilfe von künstlicher Intelligenz bessere Behandlungsmethoden für Patienten entwickeln wollen. Diese Kombination aus Gesundheitstechnologie und künstlicher Intelligenz reizt viele Investoren, besonders in einem Marktumfeld, das von der Begeisterung für KI-Anwendungen getrieben wird. Doch genau hier liegt auch der Kern der aktuellen Krise: Ein Bericht des Short-Selling-Unternehmens Spruce Point Capital Management erhebt schwere Vorwürfe gegen Tempus AI und behauptet, dass das Unternehmen seine Fähigkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz stark überschätze und Investoren in die Irre führe. Die Vorwürfe sind weitreichend und betreffen zentrale Bereiche des Unternehmensmanagements und der Öffentlichkeitsarbeit. Besonders kritisch wird der Umgang von Tempus' Gründer und langjährigen Führungskraft Eric Lefkofsky betrachtet.
Lefkofsky hat bereits in der Vergangenheit mehrere Technologieunternehmen gegründet, die mit hochtrabenden Versprechen angetreten sind, jedoch oft nicht die erwarteten Ergebnisse liefern konnten. Laut dem Bericht verlässt Lefkofsky die Unternehmen oft nach einem frühen finanziellen Erfolg, während die Aktionäre mit geringen oder enttäuschenden Renditen zurückbleiben. Diese Historie nährt Zweifel an der Glaubwürdigkeit der aktuellen Führungsetage von Tempus AI. Ein weiterer großer Kritikpunkt des Short-Reports betrifft das vermeintliche Missverhältnis zwischen der publicierten KI-Nutzung und dem tatsächlichen Geschäftsmodell von Tempus AI. Kurz vor dem Börsengang des Unternehmens hatte Tempus sich von Tempus Labs in Tempus AI umbenannt, um die starke Ausrichtung auf künstliche Intelligenz im Gesundheitssektor hervorzuheben.
Diese Rebranding-Maßnahme geschah zu einer Zeit, als die Aufmerksamkeit für KI-Themen auf dem Höhepunkt war und viele Investoren regelrecht nach KI-Unternehmen suchten. Doch der Bericht von Spruce Point offenbart, dass lediglich rund 2 Prozent der Einnahmen im Jahr 2024 aus KI-Anwendungen stammen sollen – eine erschreckend geringe Zahl angesichts des Namens und der kommunizierten Strategie. Die Diskrepanz zwischen der Außendarstellung und der tatsächlichen Geschäftstätigkeit hat die Zweifel an der Nachhaltigkeit von Tempus' Geschäftsmodell verstärkt. Darüber hinaus weist der Bericht auf mögliche Unregelmäßigkeiten in der Buchführung hin sowie einen Rückgang der Geschäftsbeziehungen zu wichtigen Partnern wie AstraZeneca. Solche Schwächen könnten das Wachstumspotenzial weiter bremsen und das Vertrauen der Investoren massiv beeinträchtigen.
Obwohl der Short-Seller wirtschaftliche Vorteile davon hat, dass die Aktie von Tempus fällt, lenken die vorgelegten Beweise den Fokus auf existierende Probleme. In der Welt der Börsenanalyse sind Short-Berichte oft kontrovers, da sie gezielt Aktien kritisieren, um Gewinn aus fallenden Kursen zu schlagen. Dennoch legen sie oft Schwachstellen offen, die vorher übersehen wurden. Auch wenn manche Anklagepunkte überzogen erscheinen mögen, bleibt das Fazit, dass Tempus AI möglicherweise überbewertet ist und sich Anleger vor einem Einstieg gründlich informieren sollten. Die Rolle von Cathie Wood in diesem Szenario ist besonders interessant.
Wood, die vor allem durch ihren ARK-Investmentfonds Bekanntheit erlangte, setzt bei ihren Investments gezielt auf innovative Unternehmen mit disruptivem Potenzial. Ihre Strategie basiert auf langfristigen Trends wie künstlicher Intelligenz, Genomik und erneuerbaren Energien. Deswegen investierte ARK mehrfach in Tempus AI, das mit seiner Kombination aus KI und Gesundheitsdatenanalyse perfekt in das strategische Bild passte. Die aktuelle Krise wirft jedoch auch ein Schlaglicht auf die Risiken, die mit einem ausschließlichen Fokus auf Zukunftstechnologien verbunden sind. Selbst die erfahrensten Investoren können nicht immer verhindern, dass bestimmte Unternehmen zu hoch bewertet werden oder langfristig hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Der Fall Tempus zeigt, dass eine intensive Prüfung der tatsächlichen Geschäftszahlen, der Technologiepraktiken und der Führungsethik unverzichtbar ist – besonders bei Unternehmen, die selbstbewusst mit Trendbegriffen wie künstlicher Intelligenz werben. Für kleine und individuelle Anleger bedeutet der Kurssturz von Tempus AI vor allem eines: Vorsicht. Die Begeisterung für technologische Innovationen sollte nie dazu führen, die fundamentalen Eigenschaften einer Aktie aus den Augen zu verlieren. Dazu zählen die Profitabilität, ein transparentes Management, realistische Wachstumspläne und eine nachvollziehbare Umsatzstruktur. Im Falle von Tempus AI werfen die Berichte nicht nur Fragen zur Zukunft der Geschäftsausweitung auf, sondern auch zu der Ehrlichkeit und Verlässlichkeit des Unternehmens gegenüber seinen Investoren.
Trotz der negativen Schlagzeilen sollte man die langfristigen Chancen im Bereich der Gesundheits-KI nicht komplett abtun. Präzisionsmedizin und künstliche Intelligenz bieten enorme Möglichkeiten, Krankheiten besser zu diagnostizieren und individueller zu behandeln. Viele Unternehmen forschen intensiv an Lösungen, die das Gesundheitswesen revolutionieren könnten. Doch in diesem sich schnell entwickelnden Feld wird es immer Gewinner und Verlierer geben. Die Aktie von Tempus AI symbolisiert aktuell eher die Risiken dieser Entwicklung.
Investoren sollten sich vor einer Entscheidung daher gut informieren und verschiedene Informationsquellen vergleichen. Das blinde Folgen von Influencern oder prominenten Fondsmanagern kann gefährlich sein, wenn die dahinterliegenden Fakten wenig Substanz bieten. An diesem Punkt zeigt sich, wie wichtig eine kritische und datenbasierte Analyse bei Investitionen ist – vor allem in einem Marktsegment, das so stark von Hype und Erwartungen geprägt ist wie künstliche Intelligenz in der Medizin. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Absturz der Tempus AI-Aktie eine Warnung an den Markt darstellt. Die starke Korrektur ist das Resultat einer Reihe von Vorwürfen, die die Glaubwürdigkeit des Unternehmens erschüttern.