In den letzten Jahren hat sich das Online-Publizieren grundlegend verändert. Plattformen wie Medium, die einst eine Revolution für unabhängige Autoren darstellten, sehen sich nun Konkurrenz durch neue Anbieter wie Substack gegenüber. Diese Entwicklungen werfen Fragen auf: Ist Substack wirklich das neue Medium? Welche Vorteile und Herausforderungen bieten beide Plattformen? Und wie könnte sich das digitale Schreiben in Zukunft entwickeln? Substack hat sich in kürzester Zeit als populäre Alternative für Autoren etabliert, die direkt mit ihrem Publikum kommunizieren und ihre Inhalte monetarisieren möchten. Das Modell basiert stark auf E-Mail-Newslettern, bei denen Abonnenten bestimmte Inhalte regelmäßig direkt in ihren Posteingang erhalten. Dies erlaubt eine direkte Bindung zwischen Verfasser und Leserschaft, ohne Umwege über komplexe Plattformstrukturen oder Algorithmen.
Es gibt keine Werbung, die Leser stören könnte, und gleichzeitig bietet Substack den Autoren die Möglichkeit, bezahlte Abonnements anzubieten. Im Vergleich dazu ist Medium eine Plattform, die Inhalte aus einer Vielzahl von Genres bündelt und vor allem durch ihre einfache Bedienbarkeit und das ansprechende Design punktet. Autoren profitieren dort vom sogenannten Partnerprogramm, bei dem die Vergütung nach Leser-Engagement organisiert ist. Allerdings steht Medium oft für eine starke Abhängigkeit vom Plattformalgorithmus und gewisse Einschränkungen bei der Monetarisierung. Zudem sind einige wichtige Funktionen, beispielsweise umfangreiche Formatierungsmöglichkeiten wie Codeblöcke, lange Zeit zu kurz gekommen.
Ein Kritikpunkt, der besonders bei Substack häufig genannt wird, betrifft die Nutzererfahrung. Die Website setzt Benutzer oftmals frühzeitig unter Druck, sich anzumelden oder zu abonnieren. Das Scrollen wird unterbrochen, um den Lesern das Eingeben der E-Mail-Adresse abzuringen, und der Weg zu einem Abschluss ist nicht selten von mehreren Aufforderungen begleitet, auch anderen Autoren zu folgen. Dies kann Nutzer abschrecken und lässt die Barriere zwischen Autoren und Publikum höher erscheinen, als sie vielleicht sein müsste. Darüber hinaus sind viele Artikel auf Substack vergleichsweise lang und inhaltlich nicht immer qualitativ durchgängig überzeugend.
Die Plattform bietet zwar Autor*innen umfassende Freiheit, aber einen strengen redaktionellen Prozess gibt es nicht. Das Resultat ist eine Mischung aus tiefgründigen Analysen und eher oberflächlichen Beiträgen, die wohl jeder neuen Publikationsplattform eigen sind, solange die Community noch wächst und sich professionalisiert. Unter dem Gesichtspunkt der Entdeckbarkeit und Reichweite steht Substack vor einer anderen Herausforderung als Medium. Medium bündelt durch seine große Nutzerbasis Inhalte mit hoher Sichtbarkeit und setzt auf algorithmische Empfehlungen, um Leser zu binden. Substack hingegen fokussiert sich meist auf direkte Abonnements, wodurch Inhalte weniger viral gehen und neue Leser oft erst durch externe Quellen oder persönliche Empfehlung auf einen Newsletter stoßen.
Finanziell betrachtet entsteht bei Substack ein spannendes Ökosystem. Die Plattform behält einen Prozentsatz der Abonnementsgebühren ein, bietet den Autoren jedoch ein transparentes Geschäftsmodell ohne Werbeeinblendungen. Venture-Capital-Unterstützung hat Substack in den letzten Jahren ermöglicht, das Wachstum zu beschleunigen und in Funktionen zu investieren, die den Autorinnen und Autoren die Verwaltung ihrer Inhalte erleichtern. Im Gegensatz zu Medium, wo Einnahmen teilweise durch ein Abonnement-Modell mit Werbeanzeigen ergänzt werden, setzt Substack klar auf direkte Finanzierung durch die Leserschaft. Die Frage, ob Substack das neue Medium ist, muss daher differenziert betrachtet werden.
Es geht nicht darum, eine Plattform schlicht zu ersetzen, sondern vielmehr darum, unterschiedliche Bedürfnisse innerhalb der Online-Community abzudecken. Während Medium als breites Content-Ökosystem fungiert, zielt Substack auf eine intensive, persönliche Beziehung zwischen Autor und Leser ab, die auf Vertrauen und Zahlungsbereitschaft basiert. Für Autoren, die maximale Kontrolle über ihre Inhalte und Monetarisierung wünschen, bietet Substack viele attraktive Möglichkeiten – insbesondere wenn es um Nischenpublikationen mit klar definiertem Publikum geht. Gleichzeitig fordert die Eigenvermarktung und das Community-Building ein hohes Maß an Eigeninitiative und Marketingfähigkeiten. Medium bleibt hingegen attraktiv für Autoren, die eine breitere Leserschaft ansprechen möchten, ohne sich zu sehr um administrative Aufgaben kümmern zu müssen.
Die Plattform bietet eine visuelle und technisch ausgereifte Umgebung, in welcher Beiträge unkompliziert veröffentlicht und geteilt werden können. In der Praxis ergänzen sich die beiden Plattformen daher häufig eher, als dass sie sich ausschließen. Manche Autorinnen und Autoren veröffentlichen auf beiden Kanälen oder nutzen unterschiedliche Formate für unterschiedliche Zielgruppen. Substack kann als Werkzeug für den Aufbau einer treuen Community fungieren, während Medium als Schaukasten für die breite Öffentlichkeit genutzt wird. Abschließend ist es wichtig zu erwähnen, dass der Erfolg von Online-Publishing-Plattformen stark von der Content-Qualität und der Kompetenz der Autoren abhängt.
Technische Features oder Geschäftsmodelle können unterstützen, ersetzen aber nicht eine sorgfältige Themenwahl, gute Sprache und konsequentes Engagement. Die Zukunft des digitalen Schreibens wird vermutlich eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen sein. Individuelle Autorenmarken, persönliche Newsletter, thematische Communities und benutzerfreundliche Publishing-Tools werden gemeinsam neue Wege eröffnen, um Inhalte zu teilen und zu monetarisieren. Substack ist ein wichtiger Teil dieser Entwicklung, liefert aber eher eine Ergänzung denn den alleinigen Nachfolger zu Plattformen wie Medium.