Der jüngste Token-Launch und Airdrop der dezentralisierten Social-Media-Plattform Zora hat in der Web3-Community für große Verwirrung und Enttäuschung gesorgt. Die Erwartungshaltung war hoch, doch die Umsetzung des ZORA Tokens führte zu einem Preisverfall von über 50 Prozent innerhalb weniger Stunden und löste eine Welle der Kritik aus – nicht nur aufgrund mangelnder Kommunikation seitens des Zora-Teams, sondern auch wegen der umstrittenen Tokenverteilung und begrenzten Nutzbarkeit des Tokens. Dieses Ereignis verdeutlicht die Herausforderungen, vor denen die Web3 Creator Economy aktuell steht, aber auch die Chancen, die sich daraus ableiten lassen. Zora hat sich als Onchain-Netzwerk bislang als beliebte Plattform für Künstler, Musiker und Kreative etabliert, die ihre Werke direkt auf der Blockchain monetarisieren möchten. Doch der Rückgang des Interesses an NFTs – einer der zentralen Blockchain-Anwendungsfälle für Kreative – wirft die Frage auf, ob das traditionelle NFT-Modell für Künstler noch zukunftsfähig ist oder ob alternative Blockchain-basierte Ansätze die Oberhand gewinnen.
Die Enttäuschung über den ZORA Token manifestiert sich vor allem in drei Hauptkritikpunkten. Erstens startete das Token-Trading bereits mehrere Stunden vor einer offiziellen Ankündigung, was bei der Community Unruhe und Zweifel auslöste. Zweitens fiel der Preis des Tokens schnell ab, was viele Nutzer frustrierte, die auf Kursgewinne gehofft hatten. Drittens führte die Tokenomics zu Kritik, da fast die Hälfte des Gesamtangebots für das Team und Investoren reserviert ist, während die Nutzer mit einem vergleichsweise kleinen Anteil bedacht wurden. Zudem ist die Tokenfunktionalität zu Beginn auf ein spielerisches Element beschränkt und bietet keine Governance-Rechte oder direkten Einfluss auf die Plattform.
Doch trotz dieser Probleme zeigen viele Stimmen aus der Web3-Creator-Szene Toleranz und Zuversicht. So sehen einige Künstler den Airdrop als Anerkennung für ihre frühe Teilnahme an einer innovativen Plattform und erwarten, dass sich die Funktionalitäten und Werte des Tokens im Laufe der Zeit erweitern. Die Musikerin Vérité erklärte, dass sie den Entwicklungsgedanken und die kulturelle Identität hinter Zora schätzt, auch wenn die Auswirkungen noch nicht voll realisiert sind. Interessanterweise spiegelt Zoras Wandel von klassischen NFTs hin zu sogenannten „Content Coins“ oder Meme-Coins eine tiefgreifende Veränderung in der Web3-Creator-Landschaft wider. Statt einzelne Beiträge als einzigartige NFTs zu minten, werden nun tokenisierte Meme-Formate geprägt, die handelbar sind und an denen Kreative direkt durch Transaktions- und Liquiditätsgebühren beteiligt werden.
Dieser Schritt ist umstritten, stellt aber die Anpassung an eine neue Generation von Content-Erstellern dar, die sich stärker auf virale und remixbare Inhalte fokussieren. Adam Levy, ein Branchenkenner und Podcaster, sieht in diesem Modell eine Antwort auf den Wandel der kreativen Kultur im Internet. Für ihn sprechen die Mechanismen hinter memetischen Tokens eine neue Kreativschicht an, die vor allem von jungen Nutzern geprägt wird, die digitale Inhalte auf völlig andere Weise konsumieren und verbreiten als frühere Künstlergenerationen. Gleichzeitig ist diese Entwicklung begleitet von einem Rückgang der traditionellen NFT-Verkäufe, was viele Akteure und Entwickler dazu veranlasst hat, sich von reinen Blockchain-Plattformen abzuwenden oder zumindest den Blockchain-Anteil für die Endnutzer zu verschleiern. Das Beispiel der Musik-NFT-Plattform Sound.
xyz zeigt diese Entwicklung sehr gut. Während das Projekt in der Vergangenheit auf direkte Blockchain-Interaktion setzte, hat sich der Fokus inzwischen auf Vault verlagert, eine Plattform, die Blockchain-Technologie im Hintergrund hält und eine komfortablere Nutzererfahrung verspricht. Die Co-Gründer erklärten, dass der Hype um Spekulationen die ursprüngliche Verbindung zwischen Künstlern und Fans grob verzerrt hat – sobald die Spekulation abkühlte, verschwand auch das Engagement vieler Nutzer. Diese kritische Reflexion über den Einfluss der Spekulation auf die Web3 Creator Economy wird von vielen Musikern und Entwicklern geteilt. Vérité betont, dass Digitaler Kunstwert außerhalb von Spekulation, Erlebniswert und Förderung durch Fans schwer zu bewahren ist.
Die Community habe sich zu sehr auf technische Aspekte und Fachjargon versteift, anstatt den Fokus auf kulturelle Inhalte und echte Beziehungen zu legen. Diese Erkenntnis lässt viele vermuten, dass die Zukunft der Creator Economy mehr auf Benutzerfreundlichkeit, kulturelle Relevanz und praktische Probleme der Kreativen eingehen muss. Ein Schlüsselthema ist dabei die Usability von Blockchain-Technologien. Trotz des immensen Potenzials von NFTs und Kryptowährungen hakt es häufig an der Zugänglichkeit für normale Nutzer, vor allem bei der Handhabung von Wallets und der Integration in den Alltag. Renata Lowenbraun, CEO von Infanity, bringt Zweifel an der bisherigen Entwicklung auf den Punkt, indem sie das Web3 mit den Anfängen des Internets vergleicht, das Jahrzehnte benötigte, um Mainstream zu werden.
Sie ist überzeugt, dass NFTs und Blockchain-Technologien einen zweiten, längeren Entwicklungscyclus durchlaufen müssen, bis wir ihre tiefgreifenden kulturellen und wirtschaftlichen Auswirkungen sehen. Die Zukunft der Web3-Creator Economy scheint folglich weniger in einer einzelnen Technologie oder einem Modell zu liegen, sondern vielmehr in der kreativen Nutzung von Blockchain als Werkzeug, das sich den Bedürfnissen und Realitäten der Künstler anpasst. Anstatt dogmatisch an der Blockchain festzuhalten, suchen viele nach hybriden oder „versteckten“ Lösungen, die das Nutzererlebnis in den Mittelpunkt stellen und Blockchain im Hintergrund laufen lassen. Ein Beispiel ist der Fanclub der Rapgruppe Run The Jewels, bei dem Mitglieder onchain verwaltete „JWL“-Punkte sammeln können, ohne sich auf den technischen Blockchain-Aspekt konzentrieren zu müssen. Innovatoren wie Latashá, ehemalige Zora-Community-Leiterin, sehen die Zukunft darin, dass Künstler selbst ihre Plattformen bauen und so die Abhängigkeit von übergreifenden Web2-ähnlichen Plattformen reduzieren.
Diese Dezentralisierung könnte die Unabhängigkeit der Künstler stärken und zugleich neue Formen der Monetarisierung und des Community-Aufbaus ermöglichen. Die Erkenntnis, dass echte Unterschiede im Web3 vom Mitwirken der Kreativen selbst abhängen, stellt einen Paradigmenwechsel dar, der Chancen und Herausforderungen zugleich bietet. Trotz der Rückschläge ist eines klar: Die Web3 Creator Economy steht nicht am Ende, sondern vor einer Phase der notwendigen Neuausrichtung. Das aktuell erschwerte Marktumfeld und die kritische Betrachtung von Spekulation und Tokenomics sind Teil eines Reifungsprozesses, der langfristig eine nachhaltigere und inklusivere Struktur für Kreative schaffen kann. Die Technologie bleibt dabei ein kraftvolles Werkzeug, muss jedoch auf die Bedürfnisse der Nutzer zuschnitten werden und Kultur in den Mittelpunkt stellen.