General Motors (GM) steht dabei, das Konzept des Autobesitzes grundlegend zu verändern, indem das Unternehmen von einem traditionellen Fahrzeughersteller zunehmend zu einem technologiegetriebenen Dienstleister wird. Im Zuge dieses Wandels verfolgt GM eine weitreichende Strategie, die als „Software-Defined Vehicle“ (SDV) bekannt ist – also das Fahrzeug, dessen Fähigkeiten maßgeblich durch Software und digitale Dienste definiert werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Ultifi-Plattform, eine softwarebasierte Architektur, die es erlaubt, bereits in Fahrzeugen verbaute Hardware-Funktionen über digitale Zugänge separat zu aktivieren und zu monetarisieren. Dies bedeutet im Klartext: Fahrer könnten für Funktionen bezahlen müssen, die sich technisch bereits in ihrem Auto befinden. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Herausforderung für das traditionelle Verständnis von Eigentum an einem Fahrzeug, sondern wirft auch fundamentale Fragen hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Fairness auf.
GM-Chefin Mary Barra hat diesen Paradigmenwechsel während einer Bilanzkonferenz für das erste Quartal 2025 beiläufig angesprochen, als sie von über „subscription take rates exceeding expectations“ sprach – also einem höheren als erwarteten Interesse an Abo-Diensten im Fahrzeug. Obwohl dieser Satz auf den ersten Blick wie ein nichtssagender Standardkommentar wirkte, offenbart sich dahinter eine tiefgreifende Verschiebung in der Geschäftsstrategie von GM. Statt sich ausschließlich auf den Verkauf von Fahrzeugen zu konzentrieren, setzt GM verstärkt auf den Verkauf von Softwarelizenzen, abonnementbasierten Funktionen und datengetriebenen Diensten, die sich über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs erstrecken. Ein Beispiel für die radikale Monetarisierung der bereits vorhandenen Hardware ist das Konzept des „Pay-to-Play“ bei der Fahrzeugleistung. Patentanmeldungen von GM zeigen, dass es künftig möglich sein könnte, Leistungsspitzen wie vorübergehende Zusatz-PS für Offroad-Fahrten oder maßgeschneiderte Drehmomentprofile bei Anhängerbetrieb digital zu aktivieren und per Übertragungsupdate zu verkaufen.
Solche temporären Performance-Boosts sind beispielsweise bei Konkurrenten wie BMW oder Mercedes-Benz bereits in Ansätzen erprobt worden. BMW testet Mikrotransaktionen für Funktionen wie beheizbare Sitze oder tempobasierte Boosts, während Mercedes-Benz für seine elektrische EQ-Reihe jährliche Abonnements für Beschleunigungssteigerungen anbietet. GM aber plant, diese Business-Modelle umfassender und tiefgreifender in seine Fahrzeuge zu integrieren und dabei die Hardware gezielt durch Software zu steuern. Diese Entwicklung stellt Autobesitzer vor neue Herausforderungen. Funktionalitäten, die einst automatisch zum Fahrzeug gehörten, könnten zukünftig nur noch gegen eine zusätzliche Gebühr genutzt werden.
Das Konzept führt dazu, dass ein Auto zum digitalen Ökosystem wird, bei dem die tatsächliche Leistung, der Fahrkomfort und sogar Grundfunktionen von zeitlich begrenzten Softwarelizenzen abhängig sein können. Der Markttrend geht weg von linearen Kaufentscheidungen hin zu dynamisch anpassbaren Benutzererfahrungen; „Feature Unlocking“ ähnelt zunehmend dem Upgrade eines Smartphone-Apps oder eines Streaming-Dienst-Abonnements. Doch der finanzielle Aspekt ist nur die eine Seite der Medaille. Ein besonders kritischer Punkt ist der Umgang mit den durch die Fahrzeuge generierten Daten. GM sammelt über die Ultifi-Plattform umfangreiche Informationen über das Fahrverhalten der Nutzer, ihre Routen, Beschleunigungsmuster, Bremsverhalten, sogar biometrische Sensorwerte.
Diese Daten sind ein wertvolles Gut, das unter anderem Versicherungen, Werbetreibenden und Kommunen angeboten wird. So könnten Versicherungsverträge künftig nach dem tatsächlichen Fahrverhalten individualisiert werden – was zwar potenziell faire Tarife ermöglicht, aber auch eine umfassende Überwachung der Fahrer darstellt. Auf städtischer Ebene könnten Verkehrsdaten zur Optimierung der Infrastruktur dienen, jedoch entstehend daraus zugleich neue Fragen zur Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und zur informierten Zustimmung der Betroffenen. Der Umgang mit dem Thema Datenschutz ist derzeit Gegenstand intensiver Debatten. Im Januar 2025 hat die Federal Trade Commission (FTC) in den USA gegen GM und seinen Tochterdienst OnStar ein Verfahren eingeleitet, nachdem festgestellt wurde, dass die Unternehmen ungefragt und ohne eindeutige Zustimmung präzise Standortdaten und Fahrverhalten sammelten und zum Teil verkauften.
Diese Daten wurden teilweise alle drei Sekunden erhoben, was eine nahezu lückenlose Überwachung ermöglicht. Als Folge wurde eine Einigung erzielt, die GM verpflichtet, zukünftig klare Einwilligungen einzuholen und betroffenen Kunden das Recht auf Datenzugang, Löschung und Beschränkung zu gewähren. Trotzdem bleiben viele Verbraucher skeptisch gegenüber dem Umfang der Daten, die ihre Fahrzeuge sammeln und weitergeben. Die technischen Hintergründe der Softwarearchitektur von GM machen die Situation zusätzlich komplex. Im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern, bei denen Hacker und unabhängige Werkstätten mitunter Möglichkeiten finden, alte Funktionen freizuschalten oder Modifikationen vorzunehmen, setzt GM auf eine hochintegrierte Hardware-Software-Kombination, die sogenannte „Hardware Lock-Ins“.
Dadurch wird es äußerst schwer, mögliche Feature-Locks ohne Zustimmung des Herstellers zu umgehen. Dies führt auch zu Befürchtungen im Bereich der Reparatur und Wartung: Im Zukunftsmodell könnten selbst einfache Fehlerbehebungen zu bezahlpflichtigen Software-Updates werden. Unabhängige Kfz-Werkstätten könnten dadurch an Bedeutung verlieren, und die Kosten für Fahrzeugbesitzer könnten weiter steigen. Neben dem Kosten- und Datenschutzaspekt bringt die Strategie von GM auch tiefgreifende gesellschaftliche und marktwirtschaftliche Fragen mit sich. Die Bindung vieler Funktionen an teure Software-Abos führt zu einem zweistufigen Automobilmarkt, bei dem sich wohlhabendere Nutzer mehr Leistung, Komfort und Sicherheit leisten können, während andere Kunden mit Basisvarianten vorliebnehmen müssen.
Dies könnte Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit, den Wiederverkaufswert von Gebrauchtwagen und die allgemeine Mobilität haben. Ein Auto wird somit kein einmaliger Kaufgegenstand mehr, sondern eine sich ständig verändernde Plattform mit variablen Kosten. Das erschwert Prognosen für Kosten, Werterhalt und Nutzungsmöglichkeiten erheblich. Für Verbraucher, die sich in diesem Umfeld zurechtfinden möchten, wird es wichtiger denn je, die Datenschutz- und Software-Einstellungen ihres Fahrzeugs genau zu kennen. Möglichkeiten zum Deaktivieren von Konnektivitätsdiensten, das Ablehnen von Datenfreigaben oder das konsequente Verzichten auf Zusatz-Abos können helfen, den finanziellen und privaten Schaden zu begrenzen.
Dennoch bleibt ein gewisses Risiko, da moderne Fahrzeuge ohne Vernetzung und Software-Updates oft nicht die volle Funktionsfähigkeit erreichen und gewisse Datenströme technisch kaum vollständig deaktivierbar sind. Aus regulatorischer Sicht wächst der Druck auf Gesetzgeber, verbindliche Vorgaben zu schaffen. Die Forderungen aus Verbraucherschutzorganisationen gehen in Richtung mehr Transparenz, der Sicherstellung von informierter Zustimmung, Schutz vor unlauterer Datennutzung und ein Recht auf freien Zugang zu Fahrzeugfunktionen ohne übermäßige Zusatzkosten. Darüber hinaus werden Initiativen wie das „Right to Repair“ immer relevanter, um unabhängigen Werkstätten die Möglichkeit zu geben, Reparaturen ohne Abhängigkeit zu den Hersteller-Software-Diensten durchzuführen. Die Zukunft des Automobils zeichnet sich immer mehr als eine Schnittstelle von Hardware, Software und Daten aus.