Alan Turing gilt als einer der brillantesten Köpfe des 20. Jahrhunderts. Seine Beiträge zur Mathematik, zur Entschlüsselung der deutschen Enigma-Codes im Zweiten Weltkrieg und zur Entwicklung der theoretischen Grundlagen der Informatik haben die moderne Welt nachhaltig geprägt. Umso faszinierender ist es, dass eine umfangreiche Sammlung seiner persönlichen Papiere, tief verborgen in einem Dachboden, nach Jahrzehnten der Vergessenheit endlich wieder ans Licht gekommen ist und im Juni 2025 zur Auktion freigegeben wird. Diese bedeutende Entdeckung ermöglicht nicht nur einen unvergleichlichen Einblick in das Leben und Werk des visionären Wissenschaftlers, sondern zeigt auch, wie wertvoll solche Archivfunde für die Geschichtsschreibung und für die Wissenschaft sind.
Die Rückkehr der Turing-Unterlagen aus der Versenkung ist eine Geschichte, die an einen Spielfilm erinnert. Nach seinem Tod 1954 hinterließ Turing neben seinem Vermächtnis auch zahlreiche schriftliche Arbeiten, darunter unveröffentlichte Manuskripte, Briefe und wissenschaftliche Abhandlungen von epochaler Bedeutung. Diese Papiere wurden von Turing’s Mutter, Ethel, einst seinem Freund und Kollegen Norman Routledge übergeben. Leider gerieten sie nach Routledges Tod 2013 in Vergessenheit und schlummerten jahrelang in einem Familienloft, bis jüngere Familienmitglieder sie beinahe unachtsam vernichtet hätten. Zum Glück konnten Schreddern und endgültigen Verlust durch das Einschreiten einiger Verwandter verhindert werden, die den historischen Wert der Dokumente erkannten und den Schatz schließlich einer Spezialauktion übergaben.
Besonders hervorzuheben in diesem einzigartigen Fund ist eine handsignierte Kopie von Turings 1939 entstandener Dissertation „Systems Of Logic Based On Ordinals“. Experten schätzen, dass diese einzelne Abhandlung bei der Auktion einen Wert von etwa 40.000 bis 60.000 britischen Pfund erzielen könnte. Neben der Dissertation findet sich unter den Dokumenten auch Turings legendäres 1937 veröffentlichtes Papier „On Computable Numbers“, welches als das erste „Programmierhandbuch“ gilt und die Idee der universellen Rechenmaschine formulierte.
Dieser Aufsatz markiert nicht nur einen Meilenstein in der theoretischen Informatik, sondern legte den Grundstein für alle modernen Computertechnologien. Die Sammlung umfasst zudem handschriftliche Briefe, darunter einen bewegenden Schriftwechsel mit dem berühmten Schriftsteller E.M. Forster, sowie Turings letzte veröffentlichte Arbeit „The Chemical Basis of Morphogenesis“ aus dem Jahr 1952. In dieser Arbeit erforschte Turing, wie sich komplexe Muster wie Streifen und Spiralen in der Natur aus einfachen chemischen Prozessen spontan bilden können – zugleich ein bemerkenswertes Zeugnis seiner vielfältigen wissenschaftlichen Interessen jenseits der Informatik.
Die Dokumente wurden in einfachen, oft unscheinbaren akademischen Umschlägen aufbewahrt und waren von bemerkenswerter Erhaltung. Für Jim Spencer, Direktor des Auktionshauses Rare Book Auctions, handelt es sich um die „wichtigste Archivsammlung, die ich je in die Hände bekommen habe“. Er betont, wie überraschend es war, diese wertvollen Objekte in einem harmlos wirkenden Papiertütchen zu entdecken. Für ihn offenbaren die Papiere das Fundament der heutigen Computerwissenschaften und sind somit von unschätzbarem Wert für Historiker, Wissenschaftler und Sammler zugleich. Das Schicksal Alan Turings war ebenso brillant wie tragisch.
Als mathematisches Genie trug er wesentlich zur Verkürzung des Zweiten Weltkriegs bei, indem er das deutsche Enigma-Verschlüsselungssystem knackte. Dadurch rettete er laut Historikern unzählige Menschenleben. Seine Arbeit gilt als Geburtsstunde der Informatik und prägte grundlegende Konzepte wie den nach ihm benannten Turing-Test, um künstliche Intelligenz zu bewerten. Auswirkungen seiner Forschungen sind bis heute in jedem Computer und modernen Kommunikationssystem spürbar. Doch Turing erlitt wegen seiner Homosexualität schweres Unrecht: Verurteilt und staatlich verfolgt, starb er 1954 im Alter von 41 Jahren durch Suizid.
Erst viele Jahre später erhielt er posthum die längst überfällige Rehabilitation und pardonierte seine Verurteilung. Die historische Entdeckung seiner Papiere ermöglicht neue Erkenntnisse über Turings Persönlichkeit und wissenschaftlichen Werdegang. Die schier unzähligen Handnotizen, Briefe und Manuskripte lassen tief in seine Gedankenwelt blicken und bieten Wissenschaftlern unersetzliches Material zur Erforschung der frühen Computergeschichte. Besonders berührend ist ein Brief seiner Mutter, Ethel, die bereits früh das außergewöhnliche Talent ihres Sohnes erkannte und viele Schriften sorgfältig sammelte. Ihre Worte dokumentieren den Glauben an Alan Turings Genialität, trotz der Schwierigkeiten, denen er ausgesetzt war.
Die Auktion der Alan Turing Papiere wird am 17. Juni 2025 eröffnet und steht weltweit potenziellen Käufern offen, von privaten Sammlern über akademische Institutionen bis hin zu Museen und Historikern. Erwartet wird ein reges Interesse, da diese kostbare Sammlung nicht nur ein Stück Wissenschaftsgeschichte, sondern auch ein Kulturerbe von immensem Wert darstellt. Neben finanziellen Aspekten bedeutet die Versteigerung auch eine erneute Würdigung Turings wegweisenden Lebenswerks. Der Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, wertvolle historische Dokumente vor dem Vergessen zu bewahren und zugänglich zu machen.
In einer Zeit rasanten technologischen Wandels kann die Rückbesinnung auf die großen Urväter der Wissenschaft dabei helfen, die geistigen Wurzeln unserer heutigen digitalen Gesellschaft besser zu verstehen. Gleichzeitig erinnert Turings Schicksal an das menschliche Maß hinter der Wissenschaft – an Mut, Kreativität und die Tragik, die oft mit großem Genie einhergeht. Die Rettung des Turing-Archivschatzes aus einem Schattendasein im Dachboden sorgt nicht nur für Furore in wissenschaftlichen Kreisen, sondern weckt auch die öffentliche Aufmerksamkeit für den bedeutenden Pionier der Computergeschichte. Für Generationen von Forschern, Studenten und Technikbegeisterten eröffnet sich durch diese Sammlung die Möglichkeit, das Lebenswerk des digitalen Zeitalters in seinen Originalquellen zu erleben. Die Werte, die durch diese Wiederentdeckung zum Ausdruck kommen, fördern nicht zuletzt das Bewusstsein für die historische Verantwortung im Umgang mit Forschungsergebnissen und deren Nachlass.
Abschließend lässt sich sagen, dass die bevorstehende Auktion der Alan Turing Papiere nicht nur einen bedeutenden Moment für die Wissenschaftsgeschichte darstellt, sondern auch eine tiefgehende Würdigung des Menschen hinter dem genialen Mathematiker. Wer auch immer die Gewinner der Versteigerung werden, sie erhalten mit dieser Sammlung einen unbezahlbaren Schatz – das Vermächtnis eines der größten Köpfe der Menschheit, dessen Arbeit bis heute unser aller Leben prägt.