Die fortschreitende Integration von Künstlicher Intelligenz (KI) in verschiedenste Lebensbereiche wirft nicht nur technische Herausforderungen auf, sondern bringt auch erhebliche gesellschaftliche und rechtliche Fragestellungen mit sich. Eine der aktuellsten und kontroversesten Debatten im Vereinigten Königreich dreht sich um die Frage, wie urheberrechtlich geschützte Werke im Zeitalter der KI genutzt werden dürfen. Im Zentrum steht dabei die Entscheidung des britischen Oberhauses (House of Lords), das sich gegen die Regierung gestellt hat, indem es gegen Pläne stimmte, KI-Unternehmen die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zur Trainingszwecken ohne ausdrückliche Genehmigung zu erlauben.Der Gesetzgebungsprozess und die anhaltenden Streitigkeiten verdeutlichen, wie komplex und wichtig der Schutz geistigen Eigentums in einer Zeit ist, in der Technologien wie maschinelles Lernen und generative KI vermehrt auf große Datenmengen zurückgreifen müssen, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Die geplanten Änderungen im sogenannten „Data Bill“ oder Daten-Gesetz sehen vor, KI-Firmen eine Opt-out-Regelung einzuräumen.
Das bedeutet, dass diese Unternehmen automatisch auf urheberrechtlich geschützte Werke zugreifen können, sofern die Urheber nicht explizit widersprechen. Diese Regelung hat bei vielen Künstlern und kreativen Schaffenden starke Gegenwehr ausgelöst.Die namensgebende Stimme gegen die Regierung im Oberhaus ist Beeban Kidron, eine crossbench-Peer und Filmemacherin, die bereits mehrfach versucht hat, Schutzmaßnahmen für Künstler durchzusetzen. Kidron und ihre Unterstützer argumentieren, dass es sich bei der Nutzung von geschütztem Material ohne Einwilligung um eine Form von Diebstahl handelt, die die kreative Branche existenziell bedroht. Die Stimmung unter denjenigen, die sich gegen die Regierung stellen, ist daher kämpferisch und geprägt von der Sorge, dass die Regierung die kreativen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt.
Mehrfach kam es zu Abstimmungen, bei denen die Mehrheit im Oberhaus sich gegen die Regierung stellte – zuletzt mit 221 zu 116 Stimmen. Diese Ablehnungen verlängern den Gesetzgebungsprozess zunehmend und bringen das Gesetz in eine sogenannte „double insistence“-Phase, eine parlamentarische Sackgasse, in der Oberhaus und Unterhaus (House of Commons) keine Einigkeit erzielen können. Sollte diese Pattsituation nicht gelöst werden, droht das Gesetz sogar zu scheitern – ein äußerst seltenes Szenario, das seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen ist.Auf Seiten der Regierung, vertreten durch die Lordsministerin für digitale Wirtschaft und Online-Sicherheit Maggie Jones, wird betont, dass der Gesetzesentwurf unter anderem wichtige Maßnahmen für den Datenschutz und die Online-Sicherheit enthält. Dazu gehört die Bekämpfung von sexuellen Deepfake-Bildern und die Stärkung von Befugnissen gegenüber Social-Media-Plattformen bei sensiblen Fällen, beispielsweise wenn ein Kind verstorben ist.
Die Regierung verteidigt ihren Vorschlag auch mit Blick auf die erwarteten wirtschaftlichen Vorteile von rund zehn Milliarden Pfund durch modernisierte Datengesetze. Ebenso betont sie, dass keine Schwächung des Urheberrechts geplant sei.Trotz dieser Argumente stoßen die eingeschlagenen Nachbesserungen auf wenig Zustimmung bei den Kritikern im Oberhaus. Viele sehen die Kompromisse als unzureichend. Die Forderung nach Transparenz seitens der KI-Unternehmen – also eine Offenlegung, welche Werke für das Training verwendet werden – ist ein zentraler Bestandteil der vorgeschlagenen Änderungen der Oppositionspeers.
Diese Forderung gilt als notwendig, um dem Missbrauch urheberrechtlich geschützten Materials entgegenzuwirken und Künstlern eine Handhabe gegen ihre unerlaubte Nutzung in der KI-Ausbildung zu geben.Prominente Persönlichkeiten aus der Musik- und Kunstbranche unterstützen diese Haltung. Elton John, eine bekannte Stimme im Kampf für Urheberrechte, bezeichnet den Schutz vor der Nutzung durch KI als „existenzielles Thema“ für Künstler. Seine Worte verdeutlichen die emotionale und wirtschaftliche Dimension, die dem Thema zugrunde liegt, und zeigen, wie stark der Widerstand aus der Kreativszene gegen die geplanten Gesetzesänderungen ist.Die Debatte hat auch eine breitere gesellschaftliche Relevanz.
KI-Modelle verändern bereits viele Branchen und schaffen neue Formen kreativer Arbeit, doch ebenso verändern sie die Dynamik des geistigen Eigentums grundlegend. Der Umgang mit urheberrechtlich geschütztem Material ist dabei nur ein Teil des breiteren Diskurses um Regulierung, Ethik und Fairness im Zeitalter digitaler Technologien. Viele Experten sehen den aktuellen Gesetzgebungsstreit als Weckruf dafür, dass es baldmöglichst klare, faire Regeln geben muss, um Innovation zu fördern und zugleich den Schutz der Rechte von Urhebern zu gewährleisten.Die internationale Dimension darf in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht vergessen werden. Während die britische Politik händeringend nach Lösungen sucht, treffen ähnliche Konflikte und Diskussionen in vielen Ländern aufeinander.
Die Frage, wie KI-Modelle legal mit urheberrechtlich geschützten Werken trainiert werden können, ohne die Rechte der Schöpfer zu verletzen, stellt eine weltweite Herausforderung dar. Die Entscheidung von Parlamenten wie dem britischen Oberhaus könnte somit bedeutende Signalwirkung auf internationale Urheberrechtsgesetzgebungen haben.In der Zwischenzeit verschärfen sich die Gespräche und Verhandlungen in Großbritannien weiter. Der gegebene Spielraum für Zugeständnisse seitens der Regierung erscheint begrenzt, was die Aussichten auf eine schnelle Einigung mindert. Sollte die Regierung nicht doch noch eine für Künstler akzeptable Lösung anbieten, droht das wichtige Daten-Gesetz zu scheitern, was weitere Verzögerungen beim dringend benötigten rechtlichen Rahmen für digitale Technologien bedeuten würde.
Die Lage bringt somit nicht nur Fragen des Urheberrechts auf den Tisch, sondern auch schwierige Fragen nach dem politischen Willen, dem Schutz kultureller Werte und der Zukunftsfähigkeit der Kreativwirtschaft im digitalen Zeitalter. Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Kreativbranche ausreichenden politischen Rückhalt erhält und ob der Schutz von Kunst und Kultur vor den Herausforderungen der konvergenten digitalen Technologien in Großbritannien gestärkt werden kann.