In der Welt der persönlichen Blogs herrscht meist die Devise Einfachheit vor. Ein Blog ist oft eine einfache Webseite, mit ein paar statischen Seiten und einem einfachen Content Management System. Doch was passiert, wenn man anstatt leichter Wege bewusst den komplizierteren und technisch anspruchsvolleren Pfad wählt? Genau diesen spannenden Weg ist der Macher des sogenannten OKBlog gegangen – ein persönlicher Blog, der mit sieben Microservices läuft, die alle in verschiedenen Programmiersprachen geschrieben sind, unterstützt von gleich drei unterschiedlichen Datenbanksystemen und weiteren komplexen Elementen wie einer Message-Queue. Dieses Beispiel zeigt, dass selbst scheinbar einfache Anwendungen wie ein Blog überaus komplex und architektonisch anspruchsvoll gebaut werden können. Dabei bietet ein solches Vorhaben nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch wertvolle Lernmöglichkeiten rund um moderne Softwareentwicklung, Deployment und Monitoring.
OKBlog steht für „Over Kill Blog“, eine Anspielung auf die bewusst gewählte Überengineering-Strategie. Statt eines einfachen WordPress-Systems, das vielfach vorkonfiguriert ist und viele Nutzer zufriedenstellt, wurde hier eine modulare Infrastruktur geschaffen, die viele Komponenten beinhaltet, die sonst nur in umfangreichen Unternehmensapplikationen zu finden sind. Dieses Konstrukt ist dabei nicht nur eine Demonstration technischer Möglichkeiten, sondern dient als Vorbildprojekt für alle, die sich in die Welt der Microservices, containerisierten Deployments und verteilten Systeme einarbeiten wollen. Der technische Aufbau ist bewusst komplex gestaltet. Das Frontend besteht aus drei separat entwickelten Teilen: einem API-Gateway auf Basis von nginx, das den Zugriff koordiniert, einem Verwaltungs-Frontend, das mit React.
js gebaut ist sowie einer öffentlichen Webseite, die mit Vue.js realisiert wurde. Das sorgt nicht nur für klare Trennung von Verantwortlichkeiten, sondern demonstriert ebenso den Umgang mit verschiedenen modernen JavaScript-Frameworks im gleichen Projekt. Die Medieninhalte, etwa Bilder, werden direkt über ein Content Delivery Network (CDN) ausgeliefert, das die Dateien aus einem Amazon S3 Bucket bezieht. Diese Trennung bietet Vorteile bei Verfügbarkeit und Performance.
Im Backend zeigen sich die vielschichtigen Herausforderungen und eingesetzten Technologien besonders deutlich. Der Profil-Service ist in Go mit dem Go-Kit gebaut und greift auf eine PostgreSQL-Datenbank zurück. Für das Blog-Post-Management kommt ein in Java mit Spring Boot geschriebenes Service zum Einsatz, das eine MySQL-Datenbank verwendet. Diese Vielfalt an Programmiersprachen und Datenbanken spiegelt nicht nur unterschiedliche technische Präferenzen wider, sondern auch die jeweilige Eignung spezieller Tools für ganz bestimmte Aufgaben – ein gutes Beispiel für polyglotte Softwareentwicklung. Ein weiteres Highlight in der Architektur ist der Umgang mit Echtzeitdaten und Event-Streaming.
Mit Debezium wird Change Data Capture (CDC) genutzt, das Änderungen in der MySQL-Datenbank erkennt und diese Ereignisse an Apache Kafka, eine beliebte Messaging-Plattform, sendet. Daraus ergibt sich ein modernes, reaktives System, das Events und Datenänderungen in Echtzeit verarbeitet. Ein Suchservice, geschrieben in Rust mit dem Web-Framework Axum, greift statt direkter SQL-Abfragen auf Elasticsearch zu, was nicht nur Volltextsuche ermöglicht, sondern auch fehlertolerante Suchanfragen (Fuzzy Search) ermöglicht. Die Daten dafür werden über Kafka an Elasticsearch weitergeleitet. Die Tag-Verwaltung ist ein weiterer interessanter Baustein.
Anstatt bloß einfache Datenbankabfragen zu tätigen, konsumiert der Tag-Service ebenfalls Kafka-Nachrichten, um Posts pro Tag in einer spezialisierten In-Memory-Datenstruktur zu speichern (Valkey Sorted Set). Diese Technik optimiert die Antwortzeiten erheblich und reduziert häufige Datenbankzugriffe. Abgerundet wird das Backend mit einem File-Service, geschrieben in Python mit Flask, der für den Umgang mit den Mediendateien zuständig ist und die Anbindung an den S3 Bucket realisiert. Die Mischung unterschiedlicher Programmiersprachen erlaubt so auch, Stärken einzelner runtime-Umgebungen effektiv zu nutzen. Der Live-Betrieb der Plattform erfolgt automatisiert, dank CI/CD-Pipelines, die über GitHub Actions laufen.
Jede Codeänderung wird getestet, bevor ein neues Container-Image erstellt und in Docker Hub abgelegt wird. Sicherheits-Scanner überprüfen die Images auf potentielle Schwachstellen, und bei bestandener Prüfung erfolgt die automatische Bereitstellung auf dem Hosting Plattform CapRover. Dies garantiert ein hohes Maß an Qualitätssicherung und automatisiertem Deployment, bei dem Ressourceneffizienz und Sicherheit eine große Rolle spielen. Interessanterweise benötigt der Rust-Service am längsten zum Kompilieren, während das Python-Image das größte Volumen aufweist. Monitoring und Analyse der Plattform erfolgen durch Elasticsearch und Kibana, die eine zentrale Sammlung von Logs ermöglichen und deren Visualisierung vereinfachen.
Ebenfalls im Einsatz ist New Relic, eine umfassende Monitoring-Lösung, die Ressourcennutzung und Performance detailliert darstellt und mit ihrem großzügigen kostenlosen Tarif besonders für Lernzwecke bestens geeignet ist. Für Web-Analytics wird Umami eingesetzt, eine datenschutzfreundliche Alternative zu Google Analytics. Ein besonders moderner Aspekt des Projekts ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Softwareentwicklung. Der Entwickler nutzte sogenannte „vibe coding“ Methoden mit AI-gestützter Codeerstellung durch den Dienst Cursor, unterstützt durch das Modell Claude. Diese Kombination aus menschlicher Kreativität und KI-Unterstützung zeigt, wie zukünftige Programmierprozesse aussehen könnten.
Humorvoll wird betont, dass KI menschliche Entwickler nicht ersetzt, jedoch die Qualität und Vielfalt neuer Anwendungen erhöht und neue Arbeitsplätze schafft. Die Motivation hinter dem Über-Engineering war nicht nur technischer Ehrgeiz, sondern auch eine Methode, ein großes Projekt wirklich abzuschließen. Im Gegensatz zu früheren, schnell aufgegebenen Versuchen wurde OKBlog gerade durch seine Komplexität fesselnd genug. Die vielen beweglichen Teile und unterschiedlichen Technologien boten stetige Herausforderungen und machten das Projekt lebendig. Für Technikbegeisterte gibt es dabei ständig Raum für Erweiterungen und neue Services, die das System noch bunter und vielseitiger machen.
Wer selbst Interesse daran hat, über den Tellerrand eines simplen Blogs zu blicken und komplexe verteilte Systeme kennenzulernen, findet in OKBlog eine spannende Basis. Der Quellcode ist frei auf GitHub verfügbar, sodass man in aller Ruhe die einzelnen Microservices studieren, anpassen oder erweitern kann. Zusammenfassend zeigt dieses Beispiel, dass persönliche Blogs nicht zwingend nur einfache Webseiten sein müssen. Über-Engineering ist zwar in den meisten Fällen unnötig, kann aber eine hervorragende Lernplattform für moderne Software-Architekturen, Developer-Tools und DevOps-Pipelines bieten. Besonders für Software-Ingenieure und solche, die es werden wollen, eröffnet sich damit eine faszinierende Welt voller Herausforderungen und Möglichkeiten, die weit über die herkömmliche Blog-Erstellung hinausgeht.
OKBlog ist damit gleichermaßen ein Technikspielplatz und ein Beweis, dass auch einfache Inhalte mit komplexen Mitteln hervorragend umgesetzt und betrieben werden können.