Seit der Einführung von Siri im Jahr 2011 beim Launch des iPhone 4s hat Apple über ein Jahrzehnt an seinem Sprachassistenten gefeilt. Doch trotz enormer Investitionen und weltweiter Bekanntheit hat Siri im Jahr 2025 den Anschluss an die Konkurrenz fast gänzlich verloren. Während ChatGPT, Google Assistant und Amazons Alexa mit smarteren, intuitiveren und leistungsfähigeren Fähigkeiten aufwarten, hinkt Siri hinterher – eine Tatsache, die Apple längst einräumt, ohne dies direkt auszusprechen. Die Frage, die sich immer drängender stellt, lautet: Warum kann Siri nicht einfach besser werden, und wie sollte Apple mit dieser Herausforderung umgehen? Die Antwort liegt in einer grundlegenden Veränderung des Verständnisses zwischen Produkt und Plattform sowie einer Öffnung des Systems für Drittanbieter, ohne dabei die hohen Sicherheits- und Qualitätsstandards des Konzerns zu gefährden. Als Apple Siri übernahm, war der Sprachassistent mehr ein experimentelles Feature als eine Kerntechnologie.
Mit der Anbindung an iPhone, iPad und weitere Apple-Hardware sollte Siri nicht nur Fragen beantworten, sondern auch Handlungen wie das Setzen von Timern, das Versenden von Nachrichten oder die Steuerung von Smart-Home-Geräten ermöglichen. In den ersten Jahren gelang dies halbwegs zufriedenstellend, doch mit der rasant fortschreitenden Entwicklung künstlicher Intelligenz in den letzten Jahren wurde die Diskrepanz immer sichtbarer. Robuste Sprachmodelle wie ChatGPT demonstrieren heute, wie natürlich und kontextsensitiv Interaktionen sein können, während Siri noch grundlegende Erkennungsfehler macht. Wenn Siri beispielsweise eine einfache Anweisung wie „Ruf Mama an“ nicht korrekt versteht und stattdessen „Tom“ auswählt, wirkt das nicht nur ärgerlich, sondern auch rückständig. Apple hat offenbar erkannt, dass Siri in seiner aktuellen Form nicht das gesamte Potenzial ausschöpfen kann.
Ein für 2026 angekündigtes „AI-powered Siri 2.0“ musste wegen Unzulänglichkeiten auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Qualität liege derzeit nur bei etwa zwei Dritteln der erwarteten Leistungsfähigkeit, was weder für Beta- noch für Marktreife genüge. Dabei steht Apple vor einem grundlegenden Dilemma: Während das Unternehmen traditionell stark darin ist, geschlossene, integrierte Produkte zu erschaffen, funktioniert ein moderner Sprachassistent anders. Er ist weniger ein Produkt im klassischen Sinne, sondern vielmehr eine Plattform, die ständig wächst, lernt und sich mit einer großen Vielfalt an externen Diensten und APIs vernetzt.
Die Stärken von Apple mit Hardwaredesign, OS-Integration und Benutzererfahrung sind unbestreitbar, doch der derzeitige Umgang mit Siri offenbart eine fehlende Offenheit, die den Fortschritt hemmt. Neben den technischen Herausforderungen zeigt sich auch ein Nutzer-Phänomen, das Apples Position noch komplizierter macht: Anwender basteln eigene Workarounds, indem sie Siri Shortcuts erstellen, die die Anfrage an externe KI-Dienste wie ChatGPT weiterleiten. Diese „Hintertür“-Lösungen sind ein klares Indiz für den Wunsch nach leistungsfähigeren Assistenten und geben gleichzeitig ein kritisches Feedback an Apple. Denn Nutzer wollen nicht minderwertigen Sprachservice, sondern intelligente und kontextbasierte Hilfe. Wenn sie Siri als reinen Tunnel nutzen, um mit einer anderen KI zu sprechen, dann erklärt das, wie begrenzt die aktuelle Strategie ist.
Eine wichtige Erkenntnis aus Apples früheren Erfahrungen ist der Umgang mit Drittanbietern auf iOS. Lange Jahre war Safari der einzige Browser auf iPhones, bis Apple es zugelassen hat, dass Chrome, Firefox und andere ihre Apps anbieten – allerdings alle basierend auf der WebKit-Engine. Dieses Modell verband Nutzungsfreiheit mit Kontrolle über das Kernsystem und die Sicherheit. Die Parallele zu Sprachassistenten wäre naheliegend: Apple könnte erlauben, dass Google Assistant, Alexa, ChatGPT oder andere intelligente Assistenten auf iOS tätig sind, allerdings müssten sie Apples Schnittstellen, die sogenannten Intent APIs, für Systembefehle wie das Versenden von Nachrichten, das Erstellen von Terminen oder das Steuern von Hardware verwenden. So bliebe die Sicherheit gewahrt, während der Nutzer von intelligenteren Diensten profitiert.
Der technologische Grundstein für eine solche Lösung ist mit SiriKit und App Intents bereits gelegt. Drittanbieter dürfen auf iOS Apps grundsätzlich ihre Fähigkeiten über diese Schnittstellen freigeben, was theoretisch auch Sprachassistenten zugutekommen könnte. Doch die politische und strategische Entscheidung innerhalb Apples steht noch aus. Derzeit erlauben Sicherheitsbedenken, die Sorge um Konsistenz der Nutzererfahrung und das Verhindern von „Markenverwässerung“ dem Unternehmen, diese Öffnung nicht durchzuführen. Allerdings haben bereits vergleichbare Debatten um Drittanbieter-Tastaturen, Browser und Standard-Apps gezeigt, dass Apple mit einer klugen Implementierung eine Balance zwischen Kontrolle und Freiheit schaffen kann.
Die Bedenken Apples sind nachvollziehbar, kommen aber nicht ohne Widerspruch. Die Kontrolle über Nutzererlebnis ist für Apple traditionell ein Schlüsselfaktor ihres Erfolgs. Doch gerade bei Sprachassistenten, die tief in alle Bereiche des digitalen Alltags eingreifen, führt mangelnde Offenheit zu Frustration und stagnierendem Fortschritt. Nutzer wären durchaus bereit, explizit zuzustimmen, wenn sie die Wahl haben könnten, etwa Google oder OpenAI die Verarbeitung ihrer Sprachdaten zu überlassen. Datenschutz und Sicherheit blieben dabei gewahrt, wenn Apple klare Rahmenbedingungen und Sandboxing-Verfahren beibehält.
Das zeigt, dass Vertrauen und Komfort sich nicht ausschließen müssen. Ein zweiter, häufig genannter Aspekt ist die Markenwahrung: Apple fürchtet, dass das Angebot alternativer Assistenten die eigene Marke verwässert oder das iPhone weniger attraktiv macht. Das Argument ist jedoch fragwürdig, denn Nutzer, die ihre bevorzugten Sprachassistenten mitnehmen können, könnten sogar zum iPhone wechseln. Die offene Voice-Assistant-Strategie könnte Apples Plattform ausweiten und neue Nutzer gewinnen, anstatt bestehende zu verprellen. Der entscheidende Punkt ist, dass Apple nicht mehr versuchen kann, alles allein zu machen.
Der Wettbewerb zeigt, dass offene und erweiterbare Plattformen der Schlüssel zu Innovation im AI-Bereich sind. Siri wird langfristig keine Chance gegen sprachliche Intelligenzen haben, die auf Kooperation und partizipative Weiterentwicklung setzen, wenn die Systeme geschlossen bleiben. Statt den Kopf in den Sand zu stecken oder immer wieder auf neue Versionen zu setzen, die nicht überzeugen, sollte Apple endlich seinen Stärken bei Plattformgestaltung folgen und Siri als Teil eines größeren Ökosystems verstehen, auf dem andere mitbauen können. Siri ist nicht einfach ein Produkt, sondern ein Interface für das gesamte digitale Leben auf Apple-Geräten – ob iPhone, Apple Watch, CarPlay oder sogar das neue Vision Pro. Wenn diese Schnittstelle nicht überzeugt, leidet die gesamte Benutzererfahrung und das Apple-Ökosystem verliert an Attraktivität.
Für die nächste Evolutionsstufe muss Apple mutiger sein und Voice-Assistenten zulassen, die die Intelligenz und Vielseitigkeit bieten, die moderne Nutzer erwarten. Gleichzeitig bewahrt Apple seine Kontrolle über Systeme und Datenschutz durch klare Schnittstellen und Richtlinien. Fairerweise darf man nicht übersehen, dass Apple schon viel in das Sprachassistenzsystem investiert hat und beste Absichten verfolgt, um Benutzererlebnisse zu verbessern. Doch Fortschritt in einem Feld, das sich so schnell entwickelt, erfordert Offenheit und Kooperationsbereitschaft. Die Vorstellung, allein durch eigene Entwicklungen der beste Assistent sein zu können, hat sich als überholt erwiesen.
Blickt man in die Zukunft, könnte Apple an einen Punkt kommen, an dem iOS der beste Ort sein wird, um Sprachassistenten zu nutzen – ganz egal, ob sie von Apple stammen oder von anderen Unternehmen. Ein solches Mutterkonzern-Verständnis würde nicht nur Innovation fördern, sondern auch die Nutzerbindung stärken, weil die Anwender die Wahl hätten, das für sie passende Sprachinterface zu wählen. Wenn Apple diesen Schritt geht, trifft das Unternehmen genau den Kern der heutigen Anforderungen an digitale Intelligenz und zeigt, dass es trotz aller Konkurrenz weiterhin innovativ und relevant bleiben kann. Abschließend lässt sich sagen, dass Apples Bekenntnis zur Unvollkommenheit von Siri kein Eingeständnis des Scheiterns ist, sondern eine Einladung zum Umdenken. Die Zukunft gehört nicht mehr ausschließlich denen, die geschlossene Systeme schaffen, sondern jenen, die offen kooperieren und die besten Lösungen integrieren.
Siri könnte so zur Stimme für ein neues Apple-Ökosystem werden, das intelligente Assistenten jeden Ursprungs willkommen heißt und dadurch das gesamte digitale Nutzererlebnis verbessert. Für Apple ist der beste Weg nach vorne nicht mehr die absolute Kontrolle, sondern eine visionäre Plattform, auf der die klügsten Stimmen das Wort haben – in der Tat: „Can I speak to someone smarter?“.