Dezentrale Finanzen

Fujitsu und das Versprechen, keine öffentlichen Ausschreibungen mehr zu verfolgen – Was ist wirklich passiert?

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Fujitsu and its no public sector bids promises what happened to them?

Ein detaillierter Einblick in Fujitsus Umgang mit öffentlichen Ausschreibungen nach dem Post Office Horizon-Skandal, die wahren Hintergründe der vertraglichen Zusagen und die Auswirkungen auf den britischen öffentlichen Sektor.

Im Januar 2024 sorgte Fujitsu für Aufsehen, als das Unternehmen öffentlich bekanntgab, vorerst keine Angebote für öffentliche Aufträge in Großbritannien abgeben zu wollen. Dieser Schritt erfolgte vor dem Hintergrund des Post Office Horizon-Skandals, einem der schwerwiegendsten Justizirrtümer der britischen Geschichte, der weitreichende Konsequenzen für das Vertrauen in technologische Dienstleister im öffentlichen Sektor mit sich brachte. Doch was zunächst wie eine klare Absage an künftige öffentliche Ausschreibungen wirkte, entpuppte sich im weiteren Verlauf als deutlich komplexere und widersprüchlichere Situation. Ein genauerer Blick auf die Details hinter Fujitsus Versprechen und deren Umsetzung zeigt, warum das Unternehmen trotz der offiziellen Ankündigung weiterhin bedeutende Regierungsaufträge erhielt und welche Mechanismen dabei eine Rolle spielten. Der Horizont-Skandal entzündete sich an dem IT-System Horizon, das von Fujitsu entwickelt wurde und in den Filialen der britischen Post genutzt wurde.

Zahlreiche Postverwalterinnen und -verwalter wurden fälschlicherweise beschuldigt, Geld unterschlagen zu haben, was auf Fehler des Systems zurückzuführen war. Die öffentliche Empörung führte zu einer umfassenden Untersuchung und einem andauernden öffentlichen Inquiry, das in den Medien und der Bevölkerung großes Interesse fand. Fujitsu räumte schließlich Fehler ein und entschuldigte sich offiziell für die Rolle, die das Unternehmen in dieser Katastrophe spielte, insbesondere nachdem interne Kommunikation erstmals öffentlich wurde. Angesichts der Schwere des Skandals gaben Fujitsus Führungskräfte glaubhaft den Willen zu erkennen, vorerst keine neuen öffentlichen Aufträge mehr anzustreben, bis das Inquiry abgeschlossen ist. In einer E-Mail vom Januar 2024 bestätigte Paul Patterson, Direktor von Fujitsu Services Ltd, gegenüber dem britischen Regierungskommerzministerium diese Entscheidung.

Das Unternehmen wolle seine Teilnahme an neuen Ausschreibungen für öffentliche Auftraggeber „pausieren“, bestand dabei aber auf der Formulierung, nur auf ausdrückliche Anfrage neuer öffentlicher Kunden Bieter zu werden. Gleichzeitig wurden Ausnahmen eingeräumt: Fujitsu behielt sich vor, an Ausschreibungen für bestehende Regierungsaufträge teilzunehmen und bestehende Verträge zu verlängern. Diese Ausnahmeregelung stellte sich später als entscheidender Punkt heraus und führte zu Missverständnissen sowohl innerhalb des Unternehmens als auch bei den öffentlichen Behörden. Überraschend war für viele Beobachter und auch für Fujitsu selbst, dass das Unternehmen trotz der öffentlichen Zusage weiter an neuen Ausschreibungen beteiligt war. So gewann Fujitsu im Frühjahr 2025 einen Vertrag im Wert von 125 Millionen Pfund vom nordirischen Finanzministerium, der Land- und Grundstücksdienste betreffen sollte.

Dabei handelte es sich um keine Vertragsverlängerung oder einen bestehenden Kundenauftrag, sondern um eine komplett neue Ausschreibung. Offiziell hatte man erwartet, dass Fujitsu solch eine Möglichkeit erst nach Abschluss des Inquiry nutzen würde. Die nordirische Behörde verwies darauf, dass die Vergabe in Übereinstimmung mit den geltenden Vergaberegeln erfolgte und keine Verpflichtung bestand, die Beteiligung Fujitsus zurückzuweisen. Gleichzeitig wurde aber nicht klar kommuniziert, ob die Behörde Fujitsu explizit aufgefordert hatte, an der Ausschreibung teilzunehmen – was den einzigen offiziell genannten Ausnahmefall darstellt. Der entscheidende Grund für diese vermeintlich widersprüchliche Vorgehensweise lag im langen Zeitrahmen des Vergabeprozesses.

Die Ausschreibung für die Land- und Grundstücksdienste war bereits im Dezember 2021 angelaufen, also lange vor Fujitsus Ankündigung im Januar 2024. Aufgrund der aufwendigen und zeitintensiven Natur öffentlicher Ausschreibungen in Großbritannien war es für das Unternehmen nicht praktikabel, laufende Angebote einfach abzubrechen oder aus dem Prozess auszusteigen. Die Ressourcen, die in die Erstellung eines Angebots fließen, sind beträchtlich – oft handelt es sich um viele Tausend oder sogar Millionen Pfund an Aufwendungen. Deshalb erklärte Fujitsu, dass mit dem Begriff „Pause bei neuen Ausschreibungen“ in erster Linie „neue Anläufe“ gemeint gewesen seien, nicht jedoch bereits laufende Verfahren oder bestehende Verpflichtungen. Dies führte zu einer konzeptionellen Diskrepanz zwischen der Kommunikation nach außen und der tatsächlichen Handhabung innerhalb des Unternehmens.

Diese Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit beschädigte zwar das Vertrauen einiger öffentlicher Auftraggeber und der breiten Öffentlichkeit, zeigte aber gleichzeitig, wie komplex und strukturell verzahnt die Beziehungen zwischen großen IT-Dienstleistern und staatlichen Stellen sind. Jahrzehntelange Zusammenarbeit, umfangreiche Infrastrukturprojekte und maßgebliche Abhängigkeiten haben eine starke Bindung geschaffen, die sich nicht so einfach durch Kommunikationsversprechen lösen lässt. Zudem wurde Fujitsu trotz der Rückschläge weiterhin im öffentlichen Sektor sehr aktiv. Neben dem Land- und Grundstücksauftrag in Nordirland wurde die Verlängerung des umstrittenen Horizon-Vertrages bis März 2025 bestätigt, wodurch die Gesamtsumme der entsprechenden Vereinbarungen auf 2,44 Milliarden Pfund angewachsen ist. Dieses Investment zeigt auf, dass das britische Regierungssystem zwar nach wie vor geschädigt war, die Notwendigkeit zur Aufrechterhaltung und Modernisierung wesentlicher IT-Strukturen aber Priorität hatte.

Interessanterweise zeigt die Fujitsu-Geschichte exemplarisch, wie eng der öffentliche Sektor an etablierte Technologieanbieter gebunden ist. Die oft lange Vertragslaufzeit, gekoppelt mit schwerfälligen Vergabeprozessen, erschwert ein schnelles Umdenken. Das Thema Ressourcenvergeudung spielt ebenfalls eine Rolle – Millioneninvestitionen in die Angebotserstellung und bisherige Umsetzungen wirken als Triebkräfte für Kontinuität. Ebenso wird der Umgang mit dem öffentlichen Vertrauen nach einer Krise deutlich: Trotz des umfangreichen Skandals und der öffentlichen Kritik konnte Fujitsu seine Rolle und Trajektorie nur begrenzt ändern. Zugleich fühlt sich das Unternehmen gezwungen, den Kontakt mit Ausschreibungen aufrechtzuerhalten, um zukünftige Chancen nicht zu verlieren.

Fujitsus Fall stellt daher auch ein Beispiel für die Herausforderungen großer Technologie- und Dienstleistungsunternehmen dar, die mit Reputationskrisen in Folge von Systemfehlern im öffentlichen Bereich konfrontiert sind. Transparenz und Rechenschaftspflicht sind für einen nachhaltigen Wiederaufbau von Vertrauen unerlässlich. Gleichzeitig offenbaren sich strukturelle Schwächen in der Art und Weise, wie öffentliche IT-Ausschreibungen geführt werden, insbesondere wenn skandalöse Vorfälle eine langfristige Zusammenarbeit in Frage stellen. Die Kombination aus staatlicher Abhängigkeit, aufwendigen Ausschreibungsverfahren und einem stark regulierten Markt führt zu Situationen, in denen Versprechen, wie das Pausieren von Angeboten bei öffentlichen Einrichtungen, nur schwer vollständig eingehalten werden können. Für Fujitsu bedeutet das, dass trotz aller Fehler, Entschuldigungen und öffentlicher Zusagen Beständigkeit und Kontinuität den Ton angeben.

Dies wirft auch Fragen auf, wie öffentliche Auftraggeber in Zukunft mit Anbietern umgehen sollten, die in vergangene Skandale verwickelt waren. Sollten härtere Maßnahmen und klare Sanktionen eingeführt werden? Oder ist die pragmatische Fortsetzung der Zusammenarbeit unvermeidlich, um betriebliche Kontinuität und technologische Weiterentwicklung zu gewährleisten? Abschließend zeigt der Fall Fujitsu eindrucksvoll, wie ein großes Unternehmen trotz öffentlicher Kritik und Krisenmanagement langfristig im System öffentlicher Beschaffungen verankert bleibt. Das Versprechen, keine öffentlichen Ausschreibungen anzustreben, wurde nicht vollständig umgesetzt, sondern vielmehr differenziert interpretiert, was sowohl auf Kommunikationsprobleme als auch auf strukturelle Besonderheiten öffentlicher Auftragsvergaben zurückzuführen ist. Die Debatte um Transparenz, Rechenschaft und den Umgang mit Reputationsschäden bleibt deshalb hochaktuell und bietet wichtige Lehren für zukünftige Governance-Modelle im Schnittfeld von Technologie, Staat und Gesellschaft.

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