Die Ankündigung von Bill Gates, die Gates Stiftung im Jahr 2045 zu schließen, markiert einen Wendepunkt in der Geschichte einer der weltweit bedeutendsten philanthropischen Organisationen. Seit ihrer Gründung im Jahr 2000 hat die Stiftung unter der Leitung von Bill und Melinda Gates enorme Summen, mehr als 100 Milliarden US-Dollar, in Projekte zur globalen Gesundheit und zur Armutsbekämpfung investiert. Mit der geplanten Auflösung in weniger als 25 Jahren will Gates nun den Fokus auf einen beschleunigten und zielgerichteten Ausgleich legen, anstatt die Stiftung über eine unbestimmte Zeit hinweg weiterzuführen. Diese ambitionierte Entscheidung wirft zahlreiche Fragen auf: Was bedeutet das für die internationale Entwicklungszusammenarbeit? Welche Auswirkungen hat der Wandel der Philanthropielandschaft? Und welche Lehren lassen sich aus der Erfahrung der Stiftung ziehen? Die Gates Stiftung hat in den letzten 25 Jahren globale Erfolge ermöglicht, insbesondere im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Sie trug maßgeblich zur Bekämpfung von Krankheiten wie Polio, Malaria und HIV/AIDS bei und unterstützte weltweit Impfkampagnen, die Millionen von Leben retteten.
Die Anstrengungen der Stiftung standen dabei stets unter dem Leitbild der „Goldenen Regel“, einem Prinzip, dem Bill Gates eine besondere Bedeutung beimisst. Dieses Werteverständnis sollte zeigen, dass Wohlstand und Einfluss auch mit Verantwortung und Mitgefühl gegenüber den Ärmsten der Gesellschaft einhergehen. Nun, da die Stiftung ihren geplanten Schlusspunkt setzt, stellt sich die Frage, wie der Einfluss von privaten Stiftungen und persönlicher Wohltätigkeit zukünftig aussehen wird. Gates selbst begründet den Zeitplan für die Beendigung der Stiftung mit der Überzeugung, dass viele der zentralen Ziele der Organisation innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte erreicht werden können. Die Idee, die Stiftung aufzulösen, vermittelt auch eine gewisse Dringlichkeit und Entschlossenheit, vorhandene Ressourcen nicht nur sparsam, sondern wirkungsvoll einzusetzen.
Im Angesicht des zunehmenden politischen Gegenwinds gegen internationale Entwicklungshelfen – besonders deutlich unter der Trump-Administration in den USA – erscheint die Verkürzung der Spenden- und Einsatzzeit als pragmatische Antwort auf ein sich wandelndes geopolitisches Klima. Der Rückgang der öffentlichen Unterstützung für Auslandshilfe in den letzten Jahren hat bereits spürbare Folgen. Studien, etwa aus The Lancet und Nature, warnen vor dramatischen Verlusten an Menschenleben, sollte die finanzielle Hilfe für Gesundheitsprogramme wie PEPFAR reduziert oder eingestellt werden. Die Gates Stiftung und andere Akteure haben traditionell eine wichtige Lücke gefüllt, als staatliche Gelder knapp wurden oder politisch gefährdet schienen. In diesem Kontext erscheint der Plan, die Stiftung „auszulaufen“ zu lassen, auch als ein Aufruf zur Eigenverantwortung und nachhaltiger Selbstorganisation in den beteiligten Ländern.
Die Hoffnung liegt darin, dass nachhaltige Gesundheitssysteme aufgebaut werden können, sodass die Hilfe nach dem Abzug der Stiftung weiterhin Bestand hat. Die Entscheidung fällt auch in eine Zeit des gesellschaftlichen Wandels hinsichtlich Philanthropie. Die Ära der Giving Pledge, in deren Rahmen viele Superreiche zugesagt hatten, mehr als die Hälfte ihres Vermögens zu spenden, ist mittlerweile einem komplexeren und zum Teil kritischeren Bild von Reichtum und Verantwortung gewichen. Bewegungen wie Effective Altruism haben neue Maßstäbe an Transparenz, Wirksamkeit und messbaren Impact gesetzt. Gleichzeitig lässt sich eine Verschiebung beobachten, in der einige der größten Vermögenden ihre Wohltätigkeitsstrategien verändern oder sogar neu ausrichten – wie im Fall von Warren Buffett, dessen Unterstützung die Gates Stiftung maßgeblich prägte, nun aber zurückgeht.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der bei der Entscheidung zur Schließung eine Rolle spielt, ist die radikale Veränderung der globalen Armutsbekämpfung seit den 1990er Jahren. Während der Anteil der Menschen in extremer Armut zwischen 1990 und 2014 drastisch gefallen ist, stagniert diese Entwicklung seit einigen Jahren. Die Folgen der Covid-19-Pandemie und die damit einhergehende globale Wirtschaftskrise haben insbesondere die ärmsten Länder hart getroffen. Viele Impfprogramme wurden ausgesetzt, Entwicklungsfortschritte rückten ins Stocken, und zahlreiche Staaten befinden sich in einer prekären Verschuldungslage. Diese Herausforderungen machen deutlich, dass das Missionsfeld für die globale Philanthropie nach wie vor weit ist, auch wenn die Erfolge nicht so schnell voranschreiten wie erhofft.
Im Kern signalisiert Bill Gates’ Plan, die Stiftung im Jahr 2045 zu schließen, ein notwendiges Umdenken in der Art und Weise, wie langfristige philanthropische Arbeit gestaltet wird. Anstatt auf eine endlose Existenz zu setzen, die durch stetige Mittelzuflüsse getragen wird, plädiert Gates für eine klare zeitliche Begrenzung und einen strategischen Einsatz des Kapitals. Dies soll gewährleisten, dass die Stiftung ihr Ziel mit größtmöglicher Effektivität verfolgt, ohne in eine institutionelle Trägheit oder übermäßige Bürokratie zu verfallen. Die Entscheidung fordert zudem andere Akteure heraus, über neue Modelle der Zusammenarbeit nachzudenken, bei denen Staat, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft stärker Hand in Hand gehen. Die Auflösung der Stiftung wird auch die philanthropische Landschaft neu gestalten.
Die Gates Stiftung war lange Zeit ein Leuchtturmprojekt für private Großspender und wurde international als Vorbild gesehen – nicht zuletzt wegen ihrer datengetriebenen, zielorientierten Ansätze. Andere Stiftungen und private Akteure müssen nun eigene Strategien entwickeln, um ähnlich nachhaltige Wirkungen zu erzielen, ohne über Jahrzehnte dieselbe Organisation zu unterhalten. Gleichzeitig bleibt abzuwarten, wie neue philanthropische Bewegungen, insbesondere jene mit Fokus auf digitale Innovation, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz, die Rolle von Megastiftungen ersetzen oder ergänzen können. Im gesellschaftlichen Diskurs spiegelt sich Gates’ Entscheidung auch in der breiteren Debatte über die Rolle von Wohlhabenden und deren Verantwortung gegenüber der Welt. Die Kritik an der Einflussnahme privater Akteure in globalen Entwicklungsfragen nimmt zu, und es wird stärker hinterfragt, ob und wie langjährige Machtkonzentrationen in der Philanthropie demokratisch legitimiert sein können.
Indem die Stiftung nach 45 Jahren schließt, wird eine neue Ära eingeläutet, in der vermehrt auf lokale Akteure, politische Strukturen und partnerschaftliche Lösungsmodelle gesetzt wird. Zusammengefasst steht die Ankündigung Bill Gates’ und seiner Stiftung für einen wegweisenden Einschnitt in der Geschichte moderner Philanthropie. Einerseits empfiehlt sie einen beschleunigten und fokussierten Einsatz von Ressourcen, um nachhaltige Veränderungen zu bewirken. Andererseits fordert sie ein Umdenken in den globalen Partnerschaften und ein Gleichgewicht zwischen kurzfristiger Hilfe und langfristiger Eigenverantwortung der Empfängerländer. In den kommenden zwei Jahrzehnten wird es spannend sein zu beobachten, wie die Stiftung ihre verbleibende Zeit nutzt und welche Impulse daraus für die gesamte Branche hervorgehen.
Die Botschaft scheint klar: Globale Herausforderungen können nur durch mutige, partnerschaftliche und effektive Aktionen bewältigt werden – mit einem klaren Blick auf das Ende des eigenen Epos.