In der heutigen digitalen Welt sind Online-Werbeanzeigen allgegenwärtig. Plattformen wie Facebook, inzwischen unter dem Mutterkonzern Meta firmierend, nutzen Werbung als zentrale Einnahmequelle und bieten Werbetreibenden ein breites Spektrum an Möglichkeiten zur Zielgruppenansprache. Dennoch besteht unter Experten, Verbrauchern und politischen Entscheidungsträgern zunehmend Unsicherheit darüber, welchen Einfluss diese Werbung tatsächlich auf das Nutzererlebnis und die Verbraucherbewertung hat. Eine neue Studie, basierend auf einer einzigartigen Langzeit-Feldauswertung, gibt hier nun spannende Antworten und relativiert die bislang angenommenen Auswirkungen von Online-Anzeigen auf die Nutzerwahrnehmung von Meta-Plattformen. Die Ergebnisse könnten weitreichende Konsequenzen für die digitale Werbebranche und regulatorische Maßnahmen haben.
Die Studie entstand aus der Zusammenarbeit renommierter Wissenschaftler von Carnegie Mellon University, Stanford University, Northwestern University und Meta selbst und wurde kürzlich als Arbeitspapier des National Bureau of Economic Research (NBER) veröffentlicht. Ausgangspunkt der Untersuchung war ein seit 2013 laufendes experimentelles Setting auf Facebook, in dem 0,5 Prozent der Nutzer in eine Gruppe eingeteilt wurden, die keinerlei Werbung innerhalb der Plattform zu sehen bekam. Dieses Experiment ermöglichte eine vergleichende Analyse zwischen Nutzern, die Werbung erhalten, und jenen, die komplett werbefrei agieren konnten. Im Jahr 2022 wurden über 53.000 Teilnehmer aus beiden Gruppen für eine breit angelegte Umfrage rekrutiert, in der sie ihren subjektiven Wert von Facebook mittels eines Online-Experiments einschätzten.
Dabei zeigte sich, dass es keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Nutzerbewertung zwischen Werbegesehenen und Werbefreien gab. Dieses Ergebnis liefert den Befund, dass Online-Werbung in der derzeitigen Form die Nutzerbewertung von Facebook kaum beeinflusst. Einen weiteren bemerkenswerten Aspekt stellte die Verweildauer der Nutzer dar: Die werbeexponierten Personen verbrachten etwa 9,4 Prozent weniger Zeit auf der Plattform als die werbefreien. Trotz dieser Differenz änderte sich an der Bewertung von Facebook durch die Nutzer nichts. Dies legt nahe, dass Werbeanzeigen zwar eventuell als störend empfunden werden, der Gesamtwert von Facebook für den Nutzer dadurch jedoch nicht gemindert wird.
Die Forscherinnen und Forscher diskutieren mögliche Erklärungen für diese überraschenden Resultate. Eine These ist, dass die positiven Effekte von zielgerichteter Online-Werbung, z. B. das Auffinden passender Produkte oder Dienstleistungen, die negativen Effekte durch störende oder irrelevante Anzeigen kompensieren. Alternativ könnte es sein, dass beide Effekte so gering sind, dass sie im Durchschnitt statistisch nicht ausmachbar sind.
Somit könnten Werbeanzeigen in ihrer aktuellen Gestaltung weder einen spürbaren Mehrwert noch eine spürbare Belastung für die Nutzer darstellen. Die Studie ist insofern einzigartig, als sie auf einem der größten und längsten Experimente im Bereich digitaler Werbung basiert. Die Größe der Stichprobe, die Laufzeit des Experiments und die Auswahl der Nutzer ermöglichen einen besonders belastbaren Einblick in die langfristigen Wirkungen der Anzeigenpraxis von Meta. Allerdings gibt es auch Einschränkungen: So wurde nur Facebook untersucht; Rückschlüsse auf andere Plattformen wie Instagram oder TikTok sind daher mit Vorsicht zu genießen. Zudem war die werbefreie Gruppe nicht völlig frei von allen Werbeanzeigen, da nur die meisten, nicht alle Anzeigen blockiert wurden.
Zudem sind mehr als die Hälfte der Autoren der Studie bei Meta beschäftigt, was Fragen zur Interessenslage provozieren könnte, wenngleich die wissenschaftliche Methodik transparent aufgearbeitet wurde. Für politische Entscheidungsträger ergeben sich wichtige Implikationen: In den USA und Europa werden Regulierungsvorschläge diskutiert, die das Targeting von Online-Werbung einschränken sollen. Die Studie liefert belastbare Daten, die dazu beitragen können, das Nutzen-Schaden-Verhältnis von Online-Werbung besser einzuschätzen und mögliche Überregulierungen zu vermeiden. Denn wenn Werbung kaum negative Auswirkungen auf die Nutzerbewertung hat und gleichzeitig für Werbetreibende und Plattformen zentralen wirtschaftlichen Wert schafft, sollte dies in politischen Abwägungen berücksichtigt werden. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse, dass ein Verzicht auf Werbung nicht automatisch zu einem besseren Nutzererlebnis oder einer höheren Bewertung der Plattform führt.
Für Unternehmen im digitalen Marketing bedeutet die Studie, dass Online-Anzeigen ihre Wirkung differenzierter betrachtet werden müssen. Statt pauschal Werbung als störend oder wirksam einzuschätzen, sollte die Gestaltung und Zielgruppenansprache feinjustiert erfolgen, um das Gleichgewicht zwischen Nutzerzufriedenheit und Werbewirkung zu behalten. Aus Verbrauchersicht kann die Studie dazu beitragen, Vorurteile bezüglich der Belastung durch Online-Werbung zu relativieren. Die meisten Nutzer scheinen den Werbeanzeigen weder besonders kritisch gegenüberzustehen noch sie als besonders hilfreich zu bewerten. Dennoch ist die geringe Aufenthaltszeit der werbewahrgenommenen Nutzer ein Indikator dafür, dass Werbung die Nutzungshäufigkeit und -dauer durchaus beeinflussen kann, was indirekt den Umsatz von Meta beeinflussen könnte.
Insgesamt zeigt die Forschung eine differenzierte Sicht auf den Einfluss von Online-Werbung bei Meta: Sie ist weder ein klarer Vorteil noch ein klarer Nachteil für die Nutzer, sondern vielmehr ein neutraler Faktor, der im Kontext der gesamten Plattformerfahrung betrachtet werden muss. Dies unterstreicht die Komplexität des digitalen Werbeökosystems und die Herausforderungen, den digitalen Raum für alle Beteiligten optimal zu gestalten. In Zukunft sind weitere Studien gefragt, die auch andere Plattformen, verschiedene Formen der Werbung und längere Beobachtungszeiträume einbeziehen. Auch die individuelle Wahrnehmung von Werbung, beispielsweise in Abhängigkeit vom Alter, Geschlecht oder Interessen der Nutzer, sollte tiefergehend erforscht werden, um maßgeschneiderte Empfehlungen für Politik und Praxis ableiten zu können. Abschließend verdeutlicht die Studie, dass eine nüchterne, empirisch fundierte Betrachtung der Online-Werbung unverzichtbar ist, um den digitalen Werbemarkt verantwortungsvoll weiterzuentwickeln.
Die sozialen, wirtschaftlichen und technischen Dimensionen sind eng verwoben und bedürfen ausgeglichener Lösungen, die dem digitalen Fortschritt gerecht werden ohne die Nutzererfahrung unnötig zu beeinträchtigen.