Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, kurz SSRIs, gehören zu den meistverordneten Antidepressiva weltweit. Dabei werden sie auch häufig während der Schwangerschaft eingesetzt, was jedoch zunehmend Fragen hinsichtlich ihrer Sicherheit aufwirft, speziell im Hinblick auf die Auswirkungen auf das sich entwickelnde Herz des Fötus. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass SSRIs nicht nur das serotonerge System im Gehirn beeinflussen, sondern auch tiefgreifende Auswirkungen auf die Herzmuskulatur haben können. Insbesondere wurde festgestellt, dass sie eine toxische Wirkung entfalten können, die durch eine Funktionsstörung der Mitochondrien und der Sarkomere in den Herzmuskelzellen zustande kommt. Diese Entdeckungen haben weitreichende Konsequenzen für die klinische Anwendung dieser Medikamente und das Verständnis kardiovaskulärer Risiken.
Die Mitochondrien sind als Zellkraftwerke für die Energiebereitstellung in Zellen, einschließlich der Herzmuskelzellen, von entscheidender Bedeutung. Sie produzieren Adenosintriphosphat (ATP), die Energiequelle, die für die Kontraktion des Herzens und zahlreiche andere zelluläre Prozesse notwendig ist. Eine Störung der mitochondrialen Funktion führt nicht nur zu einer verminderten Energieproduktion, sondern auch zur Erhöhung freier Sauerstoffradikale, die oxidativen Stress verursachen. Die Forschung an humanen pluripotenten Stammzellen hat gezeigt, dass eine Exposition gegenüber SSRIs wie Fluoxetin, Sertralin und Paroxetin die mitochondriale Atmung und ATP-Synthese erheblich hemmt. Insbesondere bewirken SSRIs eine Reduktion der basalen und maximalen respiratorischen Kapazität der Mitochondrien sowie eine gesteigerte Produktion reaktiver Sauerstoffspezies (ROS).
Dieses Gleichgewicht zwischen Energieversorgung und oxidativem Stress ist für die Erhaltung der Herzfunktion essenziell, insbesondere während der Entwicklungsphase. Neben der mitochondrialen Dysfunktion zeigt sich auch eine erhebliche Beeinträchtigung der Sarkomere, welche die kontraktilen Einheiten der Herzmuskelzellen darstellen. Die Sarkomere sind komplexe Strukturen, bestehend aus Myofilamenten wie Aktin und Myosin, die die Kontraktion des Herzmuskels ermöglichen. Studien haben nachgewiesen, dass SSRIs insbesondere das Protein MYH7, das Myosin-Schwerketten-Untereinheit codiert und essenziell für die Sarkomerstruktur ist, signifikant herunterregulieren. Dies führt zu einer Disorganisation der Sarkomere, was das koordinierte Zusammenziehen der Herzmuskelzellen stört.
Dadurch können Beeinträchtigungen in der Herzmorphogenese und der Herzfunktion entstehen, die sich insbesondere bei einer pränatalen Exposition problematisch auswirken können. Die praktische Relevanz dieser Befunde wird besonders deutlich angesichts der Tatsache, dass eine beträchtliche Anzahl von Schwangeren SSRIs verabreicht bekommt. Epidemiologische Daten bestätigen, dass die Einnahme dieser Medikamente im ersten Trimester das Risiko für kongenitale Herzfehler bei Neugeborenen erhöht. Die Forschungsarbeiten, die humane 2D-Monolayer-Kardiomyozyten und 3D-Kardioorganoide als Modelle nutzten, gaben detaillierte Einblicke in die molekularen und strukturellen Veränderungen, die durch SSRIs hervorgerufen werden. Die 3D-Organmodelle konnten sogar Aspekte der Herzentwicklung und Angiogenese widerspiegeln, wobei bei SSRIs-Exposition eine erhöhte Expression von CD31, einem Marker für Endothelzellen, nachgewiesen wurde, was auf eine mögliche Förderung der Angiogenese hindeutet.
Gleichzeitig verringerte sich die Expression von WT1, einem wichtigen Faktor für die Herzentwicklung, was auf eine Störung der organbildenden Prozesse hinweist. Mechanistisch betrachtet beeinflussen SSRIs die mitochondriale Qualitätssicherung, was sich in vermehrter mitochondrialer Fragmentierung und einer gestörten Netzwerkbildung äußert. Die Überexpression von PGAM5, einem Regulator der mitochondrialen Dynamik und des programmierten Zelltods, wurde nach SSRI-Exposition beobachtet. PGAM5 fördert sowohl mitochondriale Biogenese als auch Mitophagie, was auf eine Zellantwort auf mitochondriale Schäden hinweist. Dies wiederum kann zu einer verstärkten Zellschädigung oder sogar zum Zelltod führen, wenn die Schädigung über das Kompensationsvermögen hinausgeht.
Die erhöhte ROS-Belastung trägt wesentlich zur mitochondrialen Dysfunktion bei und bildet so einen Teufelskreis, der die Herzmuskelzellen gefährdet. Die Auswirkungen der SSRIs sind jedoch nicht einheitlich für alle Wirkstoffe. Unterschiedliche SSRIs zeigen verschiedene Toxizitätsgrade. So wurde Sertralin als besonders toxisch für Kardiomyozyten identifiziert, gefolgt von Paroxetin und schließlich Fluoxetin. Dennoch führen alle drei Medikamente zu einer Beeinträchtigung mitochondrialer Funktionen und Sarkomerorganisation, was auf einen gemeinsamen toxischen Pathomechanismus hinweist.
Die Relevanz dieser Erkenntnisse für die klinische Praxis liegt darin, dass die Risiken von SSRIs für die Herzgesundheit besonders bei schwangeren Frauen und während der fetalen Entwicklung sorgfältig abgewogen werden müssen. Die Entscheidung für eine SSRI-Therapie sollte stets eine individuelle Nutzen-Risiko-Analyse beinhalten, wobei alternative Behandlungsmöglichkeiten geprüft und gegebenenfalls zusätzliche Überwachungsmaßnahmen für die Herzfunktion eingesetzt werden sollten. Zudem weist die Forschung darauf hin, dass mitochondriale Schadensmechanismen und Sarkomerschäden auch Grundlage für andere kardiovaskuläre Erkrankungen sein können, wie beispielsweise Kardiomyopathien oder Herzinsuffizienz. Die durch SSRIs induzierte Dysfunktion könnte somit langfristige Auswirkungen über die Entwicklungsphase hinweg haben oder die Anfälligkeit für Herzkrankheiten erhöhen. Die zukünftige Forschung sollte sich darauf konzentrieren, die molekularen Signalwege genauer zu untersuchen, die zur mitochondrialen und sarkomerischen Dysfunktion durch SSRIs führen.
Insbesondere könnten gezielte Therapien entwickelt werden, die die mitochondriale Integrität schützen oder die sarcomerische Struktur stabilisieren. Gleichzeitig sind umfassendere epidemiologische Studien notwendig, um die Auswirkungen verschiedener SSRIs auf die Herzgesundheit bei unterschiedlichen Patientengruppen zu beleuchten. Zusammenfassend zeigen neueste wissenschaftliche Untersuchungen, dass SSRIs durch die Schädigung von Mitochondrien und Sarkomeren in Herzmuskelzellen kardiotoxische Effekte auslösen. Diese Schäden manifestieren sich auf energetischer Ebene mit verringerter ATP-Produktion sowie strukturell durch eine gestörte Organisation der Sarkomere. Insbesondere während der Schwangerschaft birgt die Anwendung von SSRIs damit ein erhöhtes Risiko für die normale Herzentwicklung des ungeborenen Kindes.
Die Erkenntnisse legen nahe, dass ein umsichtiger Umgang mit diesen Medikamenten erforderlich ist, um potenzielle kardiovaskuläre Schäden zu minimieren und die Sicherheit für Mutter und Kind zu gewährleisten.