Die jüngsten Entwicklungen rund um den Austritt von NATS aus der Cloud Native Computing Foundation (CNCF) haben eine intensive öffentliche und fachliche Diskussion entfacht. NATS, ein leichtgewichtiges, hochperformantes Messaging-System, das in der Cloud-nativen Landschaft eine bedeutende Rolle spielt, hat sich nach Jahren gemeinsamer Entwicklung und Zusammenarbeit entschlossen, die CNCF zu verlassen. Dabei spiegeln sich in diesem Schritt vielfältige Herausforderungen wider, die von Projektkultur und Governance über die Anforderungen der Gemeinschaft bis hin zur Lizenzierung reichen. Um die Tragweite dieser Entscheidung zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte sowie eine Analyse der Hintergründe essenziell. Die Zukunft von NATS steht ebenso im Fokus, denn der Weg außerhalb der CNCF birgt Chancen und Risiken gleichermaßen.
NATS und CNCF: Ein Rückblick auf die gemeinsame Reise NATS wurde bereits in den frühen 2010er Jahren als schlankes, zuverlässiges Messaging-System ins Leben gerufen. Mit steigender Beliebtheit und wachsender Community erwuchs der Wunsch nach einer formalen Einbindung in eine Open Source Foundation, die den Projektfortschritt fördern und eine breite Marktakzeptanz sicherstellen kann. Die Wahl fiel auf die CNCF, eine Organisation, die bekannt für ihre Unterstützung großer und innovativer Cloud-Projekte wie Kubernetes, Prometheus und OpenTelemetry ist. Die CNCF bot NATS internationale Sichtbarkeit und Infrastruktur, die insbesondere durch Konferenzen und die Integration in ein Ökosystem namhafter Unternehmen geprägt war. Die Mitglieder des NATS-Projektteams schätzten die Vorteile der CNCF-Mitgliedschaft: Networking-Möglichkeiten, Marketingunterstützung und die Plattform zur Community-Beteiligung.
Doch trotz dieser positiven Aspekte zeigte sich, dass nicht alle Voraussetzungen für eine langfristige Kooperation erfüllt waren. Im Kern stand die Herausforderung, den Charakter von NATS als agiles, schnell entwickeltes Projekt mit den formalen Anforderungen einer großen Stiftung zu vereinbaren. Der Weg zur „Graduation“ in der CNCF und die unerwarteten Hindernisse Innerhalb der CNCF definiert die „Graduation“ den Reifegrad eines Projekts, der eine breite Akzeptanz und Nachhaltigkeit widerspiegelt. Ziele wie eine vielfältige Maintainerbasis, Betriebssicherheit und dokumentierte Prozesse sind zwingende Voraussetzungen. Für NATS begann dieser Prozess bereits mit großer Energie und dem Ziel, formell zu den etablierten und voll anerkannten Projekten der CNCF zu gehören.
Zwischen 2018 und 2020 wurden zahlreiche Anstrengungen unternommen, um die Bedingungen für eine Graduation zu erfüllen. Das Projektteam passte seine Arbeitsweise an, eröffnete den Maintainer-Kreis für externe Entwickler und berichtete transparent über Fortschritte. Die technische Qualität des Projekts erfüllte bereits die schriftlich dokumentierten Anforderungen. Dennoch stellte sich heraus, dass die Hürde sich in der Bewertung der Maintainerstruktur verbarg. Die CNCF Technical Oversight Committee (TOC) äußerte Bedenken dahingehend, dass ein zu großer Anteil der Maintainer aus demselben Unternehmen, Synadia, stamme – dem Hauptsponsor und -entwickler von NATS.
Diese Tatsache führte zu einer als subjektiv empfundenen Verschärfung der Anforderungen. Während vergleichbare Projekte mit ähnlicher Maintainerzusammensetzung den Status leichter erreichten, erlebte NATS eine Verschiebung des Maßstabs, die den Abschluss der Graduation faktisch blockierte. Für die Verantwortlichen war dies frustrierend, da diese Regelung nicht nur den Zulassungsprozess erschwerte, sondern auch die Identität des Projekts und dessen Entwicklungstempo tangierte. Kulturelle Differenzen zwischen Projekt und Foundation Der stete Drang von NATS nach schneller Umsetzung und Innovationsfreiheit stand in Kontrast zu den rigiden Governance-Strukturen, die in der CNCF implementiert sind. Diese Strukturen zielen auf Durchsetzbarkeit von Standards und Konsistenz ab, sehr zum Schutz des Ökosystems und der Nutzer.
Für ein agiles Projekt wie NATS, das von einer kleinen Kernmannschaft angetrieben wird, ergab sich dadurch ein Spannungsfeld. Die Notwendigkeit, eine Vielzahl an externen Maintainern zu integrieren, um Diversität zu demonstrieren, bestand zwar, wurde aber aufgrund der Komplexität des Systems und der hohen Einstiegshürden kaum realisierbar. Ein weiterer bedeutender Aspekt war die Frage der Geschwindigkeit bei der Entwicklung. NATS war es wichtig, seine Roadmap zügig anzupassen und umzusetzen, um den dynamischen Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Diese Flexibilität litt unter den strikten Regeln der CNCF, was im Projektteam zunehmend Unmut erzeugte.
Die Rolle von Synadia und die Finanzierung der Entwicklung Synadia, als Gründungsunternehmen hinter NATS, trug die Hauptlast der Entwicklungskosten. Diverse hunderttausende Entwicklerstunden flossen in die Kernentwicklung, oftmals finanziert durch Synadia, um die technische Tiefe und Innovationskraft von NATS aufrechtzuerhalten. Externe Beiträge beschränkten sich überwiegend auf Clients und Integrationsthemen, während das Herzstück der Messaging-Engine weitestgehend unter Synadias Ägide stand. Bemerkenswert ist, dass viele Großunternehmen vor allem an kommerziellen Partnerschaften interessiert waren, statt direkt in Open Source Entwicklung zu investieren. Dies führte teilweise zu Missverständnissen in der Community und um die Erwartungshaltung bezüglich externer Beiträge an ein solch komplexes System.
Aus Sicht von Synadia ergab sich daraus auch das Bedürfnis, gewisse Teile des Codes mit einer restriktiveren Business Source License (BUSL) zu schützen, um die wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu sichern. Lizenzierung, Community und Debatten rund um den Ausstieg Der Einsatz der BUSL in Verbindung mit Open Source Komponenten sorgte für gemischte Reaktionen in der Open Source Gemeinschaft. Während einige die Mischung aus freier Software und geschäftsorientiertem Schutz kritisch sehen, ist es aus Sicht der Synadia-Strategie ein notwendiger Schritt, um die Weiterentwicklung zu sichern. Die Diskussion um Lizenzmodelle ist Teil eines größeren Trends, bei dem Projekte Wege suchen, sich gegenüber kommerziellen Nutznießern abzusichern. Die CNCF wiederum versuchte, den Austritt von NATS zu verhindern und argumentierte mit einer breiten Beitragsbasis und einer Vielzahl an beteiligten Organisationen – teils über 700 Firmen seien genannt worden.
Dennoch hatte die CNCF in der Vergangenheit ähnliche Argumente für die ausbleibende Graduation von NATS zurückgewiesen. Dieses widersprüchliche Verhalten wurde in der Community kritisch betrachtet und führte zu einem Vertrauensverlust. Der endgültige Austritt von NATS aus der CNCF erfolgte nach einer internen Abstimmung, bei der alle beteiligten Maintainer zustimmten. Für viele Beobachter war dieser Schritt konsequent angesichts der langjährigen Schwierigkeiten und des fundamentalen Unverständnisses zwischen den Projektverantwortlichen und der Foundation. Zukunftsperspektiven für NATS außerhalb der CNCF Der Austritt aus der CNCF bedeutet für NATS keine Abkehr von Open Source und Innovation, sondern vielmehr einen Neuanfang unter neuen Rahmenbedingungen.
Synadia kündigte an, weiterhin große Teile der Software als Open Source bereitzustellen und für Entwickler, kleine Unternehmen und Hobbyisten kostenlos verfügbar zu halten. Zudem können Unternehmen mit geringem Umsatz und spezielle Nutzergruppen von diesem Angebot profitieren. Die Befreiung von den CNCF-Einschränkungen gibt NATS die Möglichkeit, seine Entwicklung wieder freier und schneller voranzutreiben, ohne auf ein homogenes Maintainer-Portfolio achten zu müssen. Dies könnte zu einem Wettbewerbsvorteil und gesteigerter Attraktivität führen – vor allem für Nutzer, die flexible und stabile Messaging-Lösungen suchen. Gleichzeitig birgt die neue Unabhängigkeit Risiken.
Die fehlende Einbindung in die CNCF könnte den Verlust an Sichtbarkeit und das Nutzervertrauen beeinträchtigen. Zudem steht NATS vor der Herausforderung, weiterhin ein engagiertes Entwicklernetzwerk zu fördern und zu erhalten, um nicht in der Innovation hinter anderen Projekten zurückzufallen. Fazit: Ein notwendiger Wandel für NATS und die Open Source Landschaft Der Austritt von NATS aus der CNCF illustriert eindrucksvoll, dass nicht jedes Open Source Projekt in einer großen Foundation gleich behandelt oder erfolgreich sein kann. Es zeigt sich, dass Organisationen und Communities unterschiedliche Anforderungen haben und dass diese manchmal nicht unter einen Hut zu bringen sind. Die Geschichte von NATS ist eine Geschichte von Leidenschaft, Innovation und dem Ringen um Autonomie in einem komplexen Ökosystem.
Für Entwickler, Unternehmen und Open Source Enthusiasten bedeutet dieser Fall auch eine Lernerfahrung: Die Bedeutung von Governance, Lizenzmodellen und der Balance zwischen kommerziellen Interessen und freier Software kann nicht unterschätzt werden. NATS geht seinen eigenen Weg und wird mit Sicherheit für die Cloud-native Welt weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Wie sich NATS im Wettbewerb positionieren und weiterentwickeln wird, bleibt spannend. Doch die klare Botschaft lautet, dass Innovation auch abseits standardisierter Pfade möglich ist und manchmal sogar notwendig wird, um eine lebendige und sich entwickelnde Technologie zu erhalten.