Die juristische Landschaft im Bereich des E-Commerce und Markenrechts sieht sich seit einiger Zeit mit einer immer wiederkehrenden problematischen Praxis konfrontiert, die als SAD Scheme bekannt ist – eine Abkürzung für dreifach verwendete Begriffe, die für eine spezifische Klagestrategie stehen. Die Kritik an dieser Praxis bezieht sich vor allem auf die Missachtung grundlegender rechtsstaatlicher Prinzipien, speziell auf die außer Acht gelassene Beachtung des rechtlichen Gehörs (Due Process). Die Konsequenzen daraus sind gravierend, denn wenn elementare Verfahrensstandards ignoriert werden, sind Fehler unvermeidbar und das Risiko von Rechtsmissbrauch steigt erheblich. Der Fall Modlily gegen Funlingo illustriert exemplarisch, wie diese problematische Vorgehensweise abläuft und welche Schäden sie anrichtet. Im Kern dreht sich die Kritik an SAD-Klagen darum, dass sie häufig ohne ordnungsgemäße Prozessführung betrieben werden.
So werden beispielsweise Sammelklagen eingereicht, die eine Vielzahl von Angeklagten unter einem Vorwand zusammenfassen, ohne dass für jeden einzelnen eine angemessene Einzelfallprüfung erfolgt. Dabei werden meist einstweilige Verfügungen ohne Anhörung der Gegenseite erwirkt, was den Eindruck erweckt, hier werde das Recht vorschnell durchgesetzt, während die Rechte und Verteidigungsmöglichkeiten der Beklagten faktisch verhindert werden. In der Modlily-Funlingo-Auseinandersetzung zeigte sich dies deutlich: Die Klägerin beantragte eine einstweilige Verfügung gegen multiple Amazon-Händler, darunter Funlingo, mit der Begründung von Markenrechtsverletzungen. Dabei machte sie hauptsächlich geltend, dass der Markenname „Modlily“ in den URLs auftauche – genauer gesagt in den sogenannten post-domain Paths, also dem Teil des Weblinks, der nach der eigentlichen Domain folgt. Die juristische Bewertung dieses Vorbringens basierte auf jahrzehntelanger Rechtsprechung, die eindeutig festlegt, dass die Verwendung einer Marke in der Post-Domain-URL in der Regel keine Markenrechtsverletzung begründet, da dieser URL-Teil primär der internen Strukturierung der Website dient und keine Herkunftsfunktion innehat.
Bereits Ende der 1990er Jahre, unter anderem im Fall Patmont Motors gegen Gateway Marine, und dann in Entscheidungen wie Interactive Products Corp. gegen a2z Mobile Office Solutions, wurde klargestellt, dass eine Marke im post-domain Bereich eines Links keinen Verbrauchertäuschungseffekt auslöst und damit für eine Markenrechtsverletzung zu vernachlässigen ist. Trotz dieser klaren Präzedenzfälle legte Modlily seine Klage genau auf dieses Argument, ohne stichhaltige Beweise für eine tatsächliche Verwechslungsgefahr zu präsentieren. Die Folge war eine kurzzeitige Einschränkung der Handelsaktivitäten von Funlingo, bevor das Gericht das Verfahren präziser unter die Lupe nahm und die einstweilige Verfügung schließlich aufhob. Diese Episode offenbart gleich mehrere Schwachstellen der SAD-Strategie.
Zum einen zeigt sich, dass die Klägerseite bereit ist, objektiv unbegründete Rechtspositionen einzunehmen, um einen schnellen und einschüchternden Richterspruch zu erreichen. Zum anderen wird deutlich, dass eine mangelhafte Vorbereitung und Untersuchung des Sachverhalts offenbar systematisch ist, was die Wahrscheinlichkeit irreversibler Schäden bei den Beklagten erhöht. Ein weiteres Problemfeld der SAD-Klagen liegt im Umgang mit der Verantwortlichkeit für die fraglichen URLs. Im konkreten Fall ist zu bedenken, dass Amazon selbst als Plattform die Strukturierung und Zuweisung der post-domain URLs kontrolliert und nicht die einzelnen Händler. Das bedeutet, dass der angebliche „Rechtsverstoß“ letztlich nicht von Funlingo selbst, sondern von einem Dritten generiert wird, über den Funlingo keinerlei Einfluss hat.
Dennoch wird die verantwortliche Partei mit weitreichenden Sanktionen belegt, obwohl ihr faktisch keine Marke Verletzung trifft. Diese fehlgeleitete Anklageführung untergräbt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit, die in einem Rechtsstaat unabdingbar sind. Darüber hinaus wird die Problematik verschärft durch das systematische Vorgehen der Klägerseite, sofern mehrere Händler unter Sammelklagen zusammengefasst werden, ohne die individuelle Rechtslage der einzelnen beklagten Parteien adäquat zu prüfen. In gewisser Hinsicht ähnelt dieses Vorgehen einem rechtlichen „Massenverfahren light“, das vor allem der Effizienzsteigerung der Kläger dient, nicht jedoch der Wahrung der Rechte der Betroffenen. Die Durchsetzung solcher Klagen ohne ausreichende Beweisführung und unter dem Deckmantel schneller Maßnahmen schadet dem öffentlichen Vertrauen in das Justizsystem und gefährdet insbesondere kleinere Händler und Unternehmer, die sich gegen diese Art der Klageführung nur schwer zur Wehr setzen können.
Die juristische Reaktion auf solche Praktiken bleibt bislang zurückhaltend. Während einige Richter zwar einschlägig erkennen, dass solche Klagen zu unverhältnismäßigen Ergebnissen führen können, fehlt häufig die konsequente Ahndung der Klägerseite für deren fehlerhafte und zum Teil missbräuchliche Vorgehensweise. Die Timing-Pressure und der Aufwand einer umfassenden Würdigung des Rechtsstreits führen oftmals dazu, dass einstweilige Anordnungen zügig erteilt und nachträglich wieder aufgehoben werden, ohne dass nachhaltige Konsequenzen für die verantwortlichen Parteien folgen. Es besteht daher ein dringender Bedarf an einer verschärften Kontrolle der SAD-Klagenpraxis. Klagebefugnis, Beweisgrundlage sowie eine sorgfältige Prüfung der Verantwortlichkeiten sollten zwingend vor Gewährung einstweiliger Verfügungen gewährleistet sein.
Ferner könnten strenge Sanktionen und Kostenverurteilungen für Kläger, die eindeutig unbegründete Ansprüche erheben oder mit mangelnder Sorgfalt vorgehen, als weitere abschreckende Maßnahme fungieren und das Missbrauchspotential minimieren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Ignoranz gegenüber dem grundlegenden Prinzip des rechtlichen Gehörs – also der Chance der betroffenen Parteien, sich angemessen zu verteidigen – unweigerlich zu Fehlern führt, wie das Beispiel Modlily gegen Funlingo beeindruckend aufzeigt. Die SAD Scheme-Praxis fördert ein Klima der Rechtsunsicherheit und kann zu einer falschen Balance zwischen dem Schutz der Rechte der Markeninhaber und den Rechten der Händler und Verbraucher führen. Die amerikanische Rechtsprechung und Gesetzgebung ist hier gefordert, klare Standards und Schutzmechanismen zu etablieren, die solche Übergriffe verhindern und das Gleichgewicht im E-Commerce wiederherstellen. Für Händler, Verbraucher und Rechtsanwender bleibt es essenziell, die Mechanismen hinter diesen Klagen zu verstehen, um bestmöglich gegen unrechtmäßige Verfahren gewappnet zu sein und auf eine Verbesserung der juristischen Rahmenbedingungen hinzuwirken.
Der Fall Modlily zeigt exemplarisch, wie das blinde Festhalten an fehlerhaften rechtlichen Prämissen nicht nur einzelnen Parteien schadet, sondern die Integrität des gesamten Systems gefährdet. Daher sollten Rechtsprechung und Gesetzgebung sich verstärkt auf die Wahrung des Due-Process-Grundsatzes fokussieren und die SAD Scheme-Klagen als ein warnendes Beispiel für Rechtsmissbrauch ernst nehmen.