Die Verwendung von Blei durchdringt die Geschichte der Menschheit seit Jahrtausenden. Schon um 3000 v. Chr. begann das bedeutende Bergbau- und Raffinierhandwerk mit Blei, und diese Praxis setzte sich im antiken Rom fort, wo unter anderem bleihaltige Küchengeräte und süß schmeckende, bleihaltige Weinsirupe verbreitet waren. Es war in dieser Zeit, dass Ärzte erstmals die gesundheitlichen Gefahren des Bleis beschrieben.
Hippokrates und der griechische Philosoph Nikander von Kolophon dokumentierten Symptome wie Koliken, Anämie und andere bleibedingte Krankheiten. Das tägliche Bleikonsumverhältnis der oberen Gesellschaftsschichten lag teilweise bei gefährlichen Werte bis zu 250 Milligramm pro Tag, was die Grundlage für chronische Vergiftungen bildete. Die gefürchtete Bleivergiftung war somit kein modernes Phänomen, sondern ein unheilvoller Begleiter der Menschheit über Jahrhunderte hinweg. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit setzte sich die Verwendung von Blei trotz dieser bekannten Risiken fort. Berühmte Persönlichkeiten wie Lucrezia Borgia und Caterina de Medici sollen es als Gift eingesetzt haben, während die eigentliche industrielle Nutzung erst im 17.
Jahrhundert in Nordamerika begann. Das Bewusstsein für die Gefahren im Arbeitsumfeld wurde mit der Zeit allmählich größer, als Ärzte und Wissenschaftler wie Bernardo Ramazzini im 18. Jahrhundert über die charakteristischen Krankheiten der Bergleute berichteten. Die sogenannten „Devonshire-Kolik“ Fälle, die durch Bleiausdrucke in Apfelweinpressen verursacht wurden, gelangen im 18. Jahrhundert zu medizinischer Aufmerksamkeit und bewirkten erste Warnungen vor der Verwendung von Blei in der Lebensmittelverarbeitung.
Die Wende zur industriellen Nutzung von bleihaltigen Bestandteilen im Kraftstoff erfolgte jedoch erst im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Die Entdeckung von Tetraethylblei (TEL) im Jahr 1853 durch Carl Jacob Löwig leitete eine neue Ära der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Bekämpfung des sogenannten Motor-Klopfens ein. Im beginnenden 20.
Jahrhundert waren weitere Bestrebungen im Gange, Benzin durch Zusätze zu verbessern und die Leistung von Verbrennungsmotoren zu steigern. Thomas Midgley Jr., ein prominenter Wissenschaftler bei General Motors, spielte eine zentrale Rolle bei der Lösung des Motor-Klopf-Problems durch die Einführung von TEL als Antiklopfmittel im Benzin. Trotz heftiger Sicherheitsbedenken und mehreren Todesfällen unter Arbeiterinnen und Arbeitern bei der Herstellung war die Verwendung von bleihaltigem Benzin ab den frühen 1920er Jahren weit verbreitet. Die toxischen Risiken von TEL und die damit verbundenen gravierenden gesundheitlichen Schäden blieben vielen Beteiligten allerdings lange Zeit verborgen oder wurden aktiv heruntergespielt.
Wissenschaftliche Untersuchungen aus dieser Zeit, etwa durch den „Robert A. Kehoe“, wurden von Industrieunternehmen finanziert und führten zu umstrittenen Studien, die eine sichere Schwellendosis suggerierten. Parallel dazu kämpfte die öffentliche Gesundheitsszene mit der Anerkennung der Gesundheitsgefahren. Pionierinnen wie Alice Hamilton meldeten frühzeitig Bedenken an und forderten unabhängige Untersuchungen, während Industrievertreter und Politiker den wirtschaftlichen und technologischen Nutzen von TEL betonten und eine gefahrlose Anwendung propagierten. In den Jahrzehnten nach der Einführung von bleihaltigem Benzin zeigte sich eine allmähliche, jedoch zögerliche Entwicklung in der Wissenschaft und Politik.
Bereits Mitte des 20. Jahrhunderts wurde festgestellt, dass Smogproblematiken und Umweltverschmutzungen durch Kraftfahrzeuge zunehmen und dass bleihaltige Emissionen eine alarmierende Rolle spielten. Trotz wachsender Erkenntnisse und dem Aufkommen erster atmosphärischer Belastungsgrenzwerte konnte die breite Verdrängung von TEL jedoch erst in den 1970er und 1980er Jahren durchgesetzt werden. Der Einsatz von bleifreien Kraftstoffen wurde mit der Entwicklung von Katalysatoren für Abgase verknüpft, deren Funktion durch Blei jedoch massiv beeinträchtigt wird. Gesetzliche Regulierungen begannen in den USA sowie in Europa, wobei der Rückgang der Blutbleispiegel in der Bevölkerung als Erfolg der Maßnahmen gewertet wurde.
Gleichzeitig wurde die Diskussion um gesundheitliche Folgen des Umwelthandlings von Blei intensiviert. Studien ergaben u.a. klare Zusammenhänge zwischen niedrig-konzentrierten Bleiexpositionen und Beeinträchtigungen der geistigen Entwicklung bei Kindern bis hin zu sozialen Auswirkungen wie erhöhter Kriminalitätsrate. Die Dokumentation solcher Schäden führte zu einem internationalen Aufruf zur Eliminierung von bleihaltigem Benzin.
Unter dem Schirm von Organismen wie der Weltgesundheitsorganisation, der Umweltprogrammen der Vereinten Nationen und weiterer globaler Gremien wurde der Ausstieg in fast allen Staaten eingeleitet. Parallel zur Regulierung von bleihaltigem Verbrennungsbenzin entwickelte sich auch die Suche nach umweltfreundlichen und gesundheitlich unbedenklichen Alternativen. Ethanol basierte Kraftstoffe gewannen an Bedeutung, da sie nicht nur klopffest sind, sondern auch einen geringeren ökologischen Fußabdruck aufweisen. Bereits in den 1920er und 1930er Jahren wurden ethanolhaltige Benzinmischungen getestet, konnten sich allerdings erst später aufgrund ökonomischer und politischer Rahmenbedingungen durchsetzen. Die Förderung von Biokraftstoffen ist heute integraler Bestandteil moderner Klimaschutzstrategien, zumal die globale Bedeutung einer sauberen Mobilität immer weiter zunimmt.
Die globale Ausmusterung von bleihaltigem Benzin wurde schließlich 2021 als großer Erfolg des Umweltschutzes gefeiert. Die Übergangsphase und zahlreichen Kämpfe davor zeigen, wie wirtschaftliche Interessen, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Entscheidungen im komplexen Spannungsfeld stehen. Noch in den letzten Jahrzehnten war die Produktion und Vermarktung durch Firmen wie Ethyl Corp. und Innospec von Skandalen, Lobbyismus und Rechtsstreitigkeiten geprägt, die den Weg zu einem gesünderen Umgang mit technischen Innovationen erschwerten. Die Geschichte des bleihaltigen Benzins lehrt uns wertvolle Lektionen über die Folgen kurzsichtiger Technologieentscheidungen, die Herausforderungen industriell-medizinischer Konflikte und die Bedeutung von Transparenz und unabhängiger Wissenschaft für den Schutz der öffentlichen Gesundheit.