Linux ist heute eine der bedeutendsten Betriebssystemplattformen weltweit und wird in unzähligen Anwendungen von Serverlandschaften bis hin zu eingebetteten Systemen eingesetzt. Obwohl der Name Linus Torvalds untrennbar mit der Entstehung des Linux-Kernels verbunden ist, wissen nur wenige, wer die allererste Linux-Distribution entwickelt hat und wie sie die freie Softwarelandschaft maßgeblich beeinflusst hat. Owen Le Blanc, Entwickler der ersten echten Linux-Distribution namens MCC Interim Linux, hat einen entscheidenden Beitrag zur Verbreitung und Anwendbarkeit von Linux geleistet. Seine Arbeit ebnete den Weg für modernere Distributionen, die heute Millionen von Nutzern und Unternehmen bedienen.In den Anfangstagen von Linux, damals Anfang der 1990er Jahre, stellte die Installation des Kernels und der notwendigen Softwarepakete eine erhebliche Hürde dar.
Linus Torvalds veröffentlichte den Linux-Kernel zusammen mit sogenannten „boot“ und „root“ Diskettenabbildern, die in erster Linie dazu dienten, ein Linux-System auf 5¼-Zoll-Disketten einzurichten. Dies war jedoch wenig benutzerfreundlich und erforderte viel Manuelles: Anwender mussten zusätzliche Tools zusammentragen, Partitionen anlegen und Systemkomponenten einzeln installieren. Ein Installer, wie wir ihn heute kennen, fehlte komplett. Dies begrenzte die Verbreitung von Linux erheblich und zeigte früh, dass es an einer vereinfachten Installationslösung mangelte.Zu dieser Zeit arbeitete Owen Le Blanc für das Manchester Computing Centre (MCC) an der Universität Manchester.
Seine Erfahrung mit verschiedenen Unix-Varianten, darunter HP-UX und MINIX, machte ihn mit den Herausforderungen in der Systeminstallation vertraut. Interessiert an der neuen Linux-Entwicklung, begann er, eine praktikable Möglichkeit zur Installation von Linux zu schaffen. Sein Ziel war es, eine Distribution zu entwickeln, die es auch weniger erfahrenen Nutzern ermöglichte, Linux auf ihren Maschinen einzusetzen.Aus diesem Bestreben entstand MCC Interim Linux, das erste Linux-System mit einem funktionalen Installer, das Anfang 1992 der Öffentlichkeit zugänglich wurde. Dieses System war revolutionär, weil es den Installationsprozess erheblich vereinfachte.
Le Blanc nutzte den damals von Ted Ts’o entwickelten Ramdisk-Code, verarbeitete Binärdateien, die aus einer Proto-Distribution von H. J. Lu zusammengestellt wurden, und schrieb sogar den ursprünglichen Linux-Fdisk-Code, wenn auch mit einigen Fehlern, neu. Das Hauptziel war die schnelle und einfache Installation von Linux auf 386-SX-Rechnern für die Universität.MCC Interim Linux wurde so optimiert, dass der Installationszyklus auf zwölf Maschinen in etwa einer Stunde abgeschlossen werden konnte – eine enorme Fortschritt gegenüber den zuvor notwendigen manuellen Prozessen.
Die Distribution enthielt essentielle Anwendungen wie GCC, GNU Awk, GNU Emacs und Info-Pakete, die speziell für die Lehrveranstaltungen der Universität relevant waren. Komplett auf unnötige Zusatzsoftware wurde verzichtet, sodass die Distribution schlank und übersichtlich blieb. Erweiterungen wie XFree86, das damals noch als X386 bekannt war, waren bewusst nicht enthalten.Ein besonderer Aspekt war die Art und Weise, wie das System Partitionen handhabte. Zu dieser Zeit war das DOS-Fdisk-Programm nicht in der Lage, Partitionen für Betriebssysteme wie Linux anzulegen.
Deswegen war es notwendig, Minix-Systeme oder DOS zu verwenden, um Partitionstabellen zu erstellen. Außerdem war frühes Linux noch nicht in der Lage, Netzwerkfunktionalität allein zu ermöglichen, was ebenfalls den Einsatz von DOS-Systemen für Netzwerkfunktionen erforderlich machte.Der Name „MCC Interim Linux“ spiegelte die Absicht wider, dass das System nur eine Zwischenlösung darstellen sollte. Das MCC wollte einerseits Anerkennung für seine Unterstützung erhalten, andererseits aber nicht für den langfristigen Support verantwortlich sein. Die Verteilung geschah in Übereinstimmung mit dem MCC, welches die Urheberschaft ausdrücken sollte ohne eine dauerhafte Verpflichtung anzudeuten.
Obwohl MCC Interim Linux heute kaum noch bekannt ist und teilweise schwierig online zu finden ist, besitzt die Distribution eine historische Bedeutung, die nicht unterschätzt werden darf. Sie beeinflusste spätere bekannte Distributionen wie Debian und Slackware, die auf MCCs Arbeit aufbauten. Die letzte Version von MCC Interim Linux wurde 1996 veröffentlicht; die Unterstützung und Weiterentwicklung endeten gegen Ende der 1990er Jahre.Interessant ist, dass MCC Interim Linux nie kommerziell vertrieben wurde. Es soll jedoch Menschen gegeben haben, die die Disketten durch Kopien weitergaben.
Darüber hinaus wurde MCC Linux in einigen Linux Toolkit CD-Sets, beispielsweise von Walnut Creek, mitgeliefert und damit öffentlich verbreitet. Einige Enthusiasten, die solche CD-Sets aus den 1990er Jahren besitzen, können MCC Interim Linux so womöglich noch entdecken.Le Blanc selbst nutzte neuere Distributionen wie Debian ab deren frühen Versionen und förderte sogar Migrationstools von MCC Interim Linux zu Debian in den letzten Updates seiner Distribution. Mit der zunehmenden Professionalisierung von Linux-Distributionen verlagerte sich sein eigener Schwerpunkt auf die Unterstützung der Linux-Nutzung in universitären sowie Forschungsumgebungen, wo er insbesondere Debian als Serverbetriebssystem bevorzugte. Außerdem empfahl er Ubuntu als Desktop-Variante.
Le Blanc kritisierte, dass trotz des frühen Einsatzes von Open-Source-Software seine Universität lange Zeit gegenüber freier Software skeptisch war. Diese Zurückhaltung erlebte er ebenso in anderen öffentlichen und privaten Institutionen. Es herrschte und herrscht immer noch oft die Annahme, dass kommerzielle Software mit kostenpflichtigem Support zuverlässiger und sicherer sei. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Open-Source-Lösungen oft stabiler, flexibler und kostengünstiger sind, insbesondere wenn qualifizierte Fachleute sie betreuen – ein Umstand, den Le Blanc offen ansprach und für den er sich einsetzte.Nach seiner Tätigkeit am MCC, welches später in Information Technology Services (ITS) umbenannt wurde, wechselte Owen Le Blanc 2016 in den akademischen Bereich, wo er weiterhin als Lehrer und Unterstützer freier Software aktiv ist.
Auch heute ist er noch an Open-Source-Projekten wie LilyPond beteiligt, allerdings eher in einer unterstützenden Rolle.Das Vermächtnis von Owen Le Blanc und MCC Interim Linux ist bedeutsam, da sie Pionierarbeit leisteten, die Linux für viele Nutzer zugänglich machte und die Entwicklung moderner Distributionen wie Debian vorbereitete. Ohne diese frühen Schritte wäre Linux wohl nie so weit gekommen. Die einfache und effiziente Installationsmethode von MCC Interim Linux sowie der Gemeinschaftssinn, der von Le Blanc und seinen Mitstreitern gepflegt wurde, sind Ausdruck eines Geistes, der die Open-Source-Bewegung bis heute prägt.Die Geschichte von MCC Interim Linux lehrt uns außerdem, dass Innovation oft aus der Notwendigkeit heraus entsteht, und dass engagierte Einzelpersonen mit technischem Wissen und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit bahnbrechende Veränderungen bewirken können.
Owen Le Blanc ist ein Paradebeispiel dafür, wie die Linux-Community von Anfang an durch solche Persönlichkeiten gewachsen ist.Heute, da Linux auf Milliarden von Geräten läuft und offene Software in zahlreichen Bereichen unverzichtbar geworden ist, verdienen die Pioniere wie Owen Le Blanc besondere Anerkennung. Ihr Einsatz legte das Fundament für einen der wichtigsten technologische Fortschritte des letzten Jahrhunderts. MCC Interim Linux mag dabei nur ein Kapitel in der Geschichte sein, doch es ist ein Kapitel, das die Tür zur Welt von Linux aufgestoßen hat – und diese Tür steht für alle weiterhin offen.