Warren Buffett gilt als einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten. Sein Unternehmen Berkshire Hathaway hat über Jahrzehnte hinweg eine beeindruckende Rendite erzielt, die viele traditionelle Anlagemodelle in den Schatten stellt. Besonders auffällig ist der Sharpe-Ratio-Wert von 0,76, den Berkshire Hathaway erreicht hat – ein Wert, der höher ist als bei jedem anderen bekannten Aktienfonds oder Einzelaktien mit einer Historie von über 30 Jahren. Doch was ist das Geheimnis hinter diesen außerordentlich guten Ergebnissen? Die Antwort auf diese Frage wird in der Forschungsarbeit „Buffett’s Alpha“ von Andrea Frazzini, David Kabiller und Lasse Heje Pedersen detailliert untersucht. Diese Untersuchung wirft ein neues Licht auf Buffetts Investmentstrategie und liefert spannende Erkenntnisse über Marktineffizienzen, Hebeleinsatz und Qualitätsfokus.
Ein Kernergebnis der Studie zeigt, dass Buffett nicht einfach auf Glück oder geheimnisvolle Investmentfähigkeiten zurückgreift, sondern dass seine außergewöhnlichen Renditen vielmehr aus einer cleveren Kombination von Hebelwirkung und der Auswahl von preiswerten, sicheren Qualitätsaktien resultieren. Interessanterweise wird der zuvor als signifikant angesehene Alpha-Wert von Buffett relativiert, wenn man seine Strategien unter Berücksichtigung moderner Finanzfaktoren wie Betting-Against-Beta und Quality-Minus-Junk untersucht. Diese Faktoren – die von der akademischen Finanzliteratur anerkannt sind – charakterisieren Investmentansätze, die auf Qualitätsbewertung und Risikovermeidung setzen. Die sogenannte Betting-Against-Beta-Strategie beschreibt, dass Anleger dazu tendieren, gegen risikoreiche Aktien mit hohem Beta zu wetten und sich stattdessen auf Aktien mit geringerem Beta zu konzentrieren, um ineffiziente Bewertungen auszunutzen. Quality-Minus-Junk hingegen ist ein Faktor, der die Überrenditen von qualitativ hochwertigen Unternehmen gegenüber minderwertigen („Junk“-)Unternehmen erklärt.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Buffetts Investitionen vor allem eine gezielte Ausnutzung von Marktineffizienzen im Zusammenhang mit These beiden Faktoren darstellen. Ein weiterer zentraler Aspekt von Buffett’s Strategie ist der gezielte Einsatz von Hebelwirkung. Die Analyse schätzt, dass Buffett für seine durchschnittliche Portfolio-Allokation eine Hebelquote von ungefähr 1,6 zu 1 verwendet. Das bedeutet, dass Berkshire Hathaway mehr Kapital einsetzt als tatsächlich durch Eigenmittel vorhanden ist, um die Renditen zu verstärken. Dabei handelt es sich nicht um riskante spekulative Hebel, sondern um eine disziplinierte Nutzung von Fremdkapital, die durch die Fokussierung auf stabile, qualitativ hochwertige Unternehmen abgesichert ist.
Die Kombination von Hebel und Qualitätsaktien führt zu einer außergewöhnlichen risikoadjustierten Rendite. Ein weiterer bemerkenswerter Befund der Studie betrifft die Zusammensetzung von Berkshire Hathaways Portfoliorückständen. Das Unternehmen investiert sowohl in öffentlich gehandelte Aktien als auch in vollständig kontrollierte Private Companies. Bei der Zerlegung der Renditen zeigt sich, dass die öffentlichen Aktien den größten Beitrag zur herausragenden Performance leisten. Dies spricht dafür, dass Buffetts Investitionsentscheidungen vor allem auf sorgfältiger Aktienauswahl beruhen und weniger auf operativem Einfluss oder Managementveränderungen in den ganzheitlich kontrollierten Unternehmen.
Die Ergebnisse haben weitreichende Implikationen für die Markt-effizienz-Debatte. Wenn Buffett mit einer transparenten Strategie, die sich auf bekannte Finanzfaktoren stützt, dauerhaft hohe Renditen erzielen kann, stellt dies die Annahme der vollkommenen Markteffizienz infrage. Es zeigt sich vielmehr, dass Marktineffizienzen, wie sie durch die Faktoren Betting-Against-Beta und Quality-Minus-Junk beschrieben werden, tatsächlich existieren und von erfahrenen Investoren ausgenutzt werden können. Für Anleger bedeutet dies, dass das Studium und die Umsetzung von Faktor-basierten Ansätzen nicht nur akademische Theorien sind, sondern praktisch zur Steigerung der Rendite führen können, insbesondere wenn sie mit einer disziplinierten Nutzung von Hebelwirkung kombiniert werden. Buffetts Investitionen bieten somit wertvolle Einsichten für Portfolio-Manager und Privatanleger gleichermaßen.
Ein weiterer Aspekt von politischer Bedeutung ist die Frage, wie zugänglich diese Strategien für die breite Masse sind. Während Buffett und Berkshire Hathaway über beträchtliche Ressourcen und Zugang zu Kapital verfügen, zeigt die Studie auch, dass die Grundprinzipien seiner Strategie – der Fokus auf Qualität, preiswerte Bewertung und behutsame Hebelwirkung – prinzipiell von jedem Investor nachvollzogen und implementiert werden können. Dennoch bedarf es eines tiefen Verständnisses von Marktmechanismen und einem langen Atem, um voll von diesen Strategien zu profitieren. Die Arbeit von Frazzini, Kabiller und Pedersen öffnet damit den Blick auf einen methodischen Ansatz, der Buffett nicht als mystischen Guru, sondern als rationalen Anleger mit klaren Prinzipien darstellt. Dabei bleiben die psychologischen und disziplinären Faktoren, die Buffetts langfristigen Erfolg fördern, zugegebenermaßen schwer messbar: Geduld, Beharrlichkeit, die Fokussierung auf fundamentale Werte und die Vermeidung von übermäßigem Risiko sind entscheidende Ingredienzien seines Rezeptes.