Im Zeitalter der digitalen Vernetzung wächst die Sorge um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor ungeeigneten Inhalten im Internet. Regierungen in Nordamerika, Europa und Australien führen deshalb verstärkt Altersverifikationsgesetze ein, die Online-Plattformen verpflichten, Nutzer ihres Alters zu überprüfen, bevor sie Zugang zu bestimmten Inhalten erhalten. Auch wenn der Schutz von Minderjährigen ein berechtigtes Anliegen ist, wirft diese Entwicklung erhebliche Fragen zum Datenschutz, zur Sicherheit und zur praktischen Umsetzbarkeit auf. Das Online-Altersverifikationsverfahren gestaltet sich als äußerst komplex. Eine effektive und zugleich sichere Möglichkeit, das tatsächliche Alter eines Internetnutzers zu überprüfen, gibt es bislang nicht.
Die meisten Methoden greifen entweder auf die Gesichtserkennung mittels Kamerascans oder die Vorlage offizieller Dokumente zurück – beide Varianten sind mit großen Risiken verbunden. Die Gesichtserkennung erfordert, dass Nutzer ihr Gesicht scannen lassen, was tiefgreifende Eingriffe in die Privatsphäre darstellt. Zudem kämpfen diese Systeme mit unterschiedlichen Formen von Ungenauigkeiten und Vorurteilen, wie etwa rassistischen und geschlechtsspezifischen Verzerrungen. Die Verwendung offizieller Dokumente zur Altersverifikation ist technisch einfach, birgt jedoch noch größere Datenschutzrisiken. Offizielle Ausweise enthalten sensible Informationen wie vollständigen Namen, Geburtsdatum, Adresse und oft weitere Identifikationselemente.
Die Speicherung und Verarbeitung dieser Daten durch Plattformen oder Drittanbieter stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Datenlecks, Hackerangriffe oder unzureichender Schutz könnten diese Informationen in die Hände von Kriminellen bringen. Die Existenz solcher umfangreichen Datenbanken lädt zudem dazu ein, dass eine florierende Schwarzmarktindustrie für gefälschte oder gestohlene Ausweise entsteht, die von Jugendlichen ausgenutzt werden kann, um Alterskontrollen zu umgehen. Ein weiteres Problem bei der globalen Implementierung von Altersverifikation ist die uneinheitliche Definition dessen, was als altersgeschützter Inhalt gilt. Während viele annehmen, dass sich die Maßnahmen vor allem gegen pornografische Inhalte richten, verlangen manche Gesetze deutlich weitergehende Prüfungen.
Beispielsweise darf in Australien niemand unter 16 Jahren überhaupt soziale Medien nutzen, was bedeutet, dass Praktiken der Altersverifikation dort auch breitere Bereiche des Online-Lebens erfassen. Die Definition dessen, was „sensibler“ oder unangemessener Inhalt ist, variiert zudem stark von Land zu Land. Themen wie Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung werden in manchen Kulturkreisen als sensibel eingestuft und könnten deshalb fälschlicherweise zensiert werden. Die automatisierte Kontrolle und Zensur von Inhalten kann zu zahlreichen Fehlentscheidungen führen. Beispielsweise wurden bereits Bilder des Stillens fälschlicherweise als Nacktheit markiert und entfernt.
Ebenso wichtig ist der Zugang zu vertrauenswürdigen Bildungsinhalten, etwa zur Sexualerziehung, für Jugendliche. Eine zu starre Regulierung der Zugänge kann dazu führen, dass junge Menschen den Zugang zu dringend benötigtem Wissen verlieren, was kontraproduktiv ist und das eigentliche Ziel der Gesetze unterminiert. Darüber hinaus können Jugendliche viele technologische Hürden umgehen. VPNs und Proxy-Server bieten einfache Mittel, geografische und altersspezifische Beschränkungen zu umgehen. Die Nutzung gefälschter Ausweise oder moderner Techniken wie Deepfakes ermöglichen es unter Umständen auch jüngeren Nutzern, Altersverifikationen zu umgehen.
Im Laufe der Zeit wird es deshalb aller Voraussicht nach einen lukrativen Handel mit vorverifizierten Accounts geben, die von Erwachsenen erstellt und dann an Jugendliche verkauft werden. Diese Praxis macht den ohnehin fragwürdigen Nutzen solcher Kontrollsysteme noch weiter zunichte. Altersverifikationen, so umfassend sie auch sein mögen, sind damit eher eine Illusion als ein verlässliches Mittel zum Schutz. Gleichzeitig opfert das Internet durch diese Eingriffe wichtige Grundsätze wie die Anonymität und Pseudonymität, die vielen Nutzern helfen, im Netz sicher zu bleiben und frei zu kommunizieren. Der Verlust dieser Prinzipien schafft neue Risiken für die Sicherheit aller User.
Eine besonders kritische Betrachtung verdient auch der Datenschutz. Die zusätzlichen Anforderungen an die Datenerfassung und -versorgung widersprechen grundlegenden Prinzipien wie der Datenminimierung, die in Datenschutzgesetzen verankert sind. Immer mehr sensible Daten werden gesammelt, verarbeitet und gespeichert – ein Paradies für Cyberkriminalität. Tägliche Berichte über Datenlecks und Hackerangriffe unterstreichen die schwindende Zuverlässigkeit der Sicherheitsmaßnahmen dieser Dienste. Die Datenpools, in denen vertrauliche Informationen über Millionen von Menschen zusammenlaufen, werden von Anbietern teilweise kommerziell genutzt oder könnten von Kriminellen gestohlen und verkauft werden.
Das hat verheerende Folgen für die Privatsphäre und Sicherheit der Nutzer. Besonders problematisch ist die Tatsache, dass auch Kinder betroffen sein können, deren Gesichter und Standortdaten in den Systemen gespeichert werden, während sie versuchen, Zugang zu Inhalten zu erhalten, für die sie eigentlich zu jung sind. Das Leid, die Gefahr von Identitätsdiebstahl oder Stalking nehmen dadurch zu, anstatt durch die Regelungen abgenommen zu werden. Die Hoffnung, dass technische Lösungen wie Altersverifikation alleine Kinder effektiv vor schädlichen Inhalten schützen können, erweist sich als naiv. Oftmals sei es viel sinnvoller, in Aufklärung und Medienkompetenz zu investieren, statt auf Überwachungs- und Kontrollmechanismen mit riskanten Datenschutzfolgen zu setzen.
Moderation von Inhalten sowie eine bessere Bildung können langfristig viel nachhaltiger wirken. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gesetzgebung weiterentwickelt. Inzwischen zeigen Musterbeispiele wie Discord, das in Australien und Großbritannien schon Altersverifikationsprozesse testet, die unmittelbaren Auswirkungen. Noch ist unklar, ob solche Systeme global durchgesetzt werden könnten, aber die Zeichen stehen auf immer mehr ähnliche Bestimmungen weltweit. Es droht ein Szenario, in dem internetbasierte Anonymität und der Schutz der Privatsphäre dem vermeintlichen Schutzgedanken geopfert werden.
Dabei provozieren die bestehenden Systeme eher neue Gefahren und lassen den Ursprung des Problems – das Verlangen nach ungefiltertem Zugang zu problematischen Inhalten – unangetastet. Zusammenfassend zeigt sich, dass Altersverifikation eine äußerst heikle Angelegenheit darstellt. Die ambitionierten Versuche, Jugendschutz durch digitale Identitätsprüfungen durchzusetzen, stellen die Privatsphäre aller Internetnutzer in Frage. Die derzeit verfügbaren technischen Mittel sind fehleranfällig, diskriminierend und leicht zu manipulieren. Gleichzeitig bergen sie große Risiken für den Schutz privater Daten und die persönliche Sicherheit.