Am 14. Mai 2025 entfernte YouTube ohne Vorwarnung den auf Bitcoin spezialisierten Kanal Roxom TV von seiner Plattform. Dieser Schritt führte dazu, dass die rund 2.000 Abonnenten des aufstrebenden Kanals innerhalb von Sekunden verloren gingen. Für viele in der Kryptoszene signalisiert das Vorgehen von YouTube erneut eine mögliche Eskalation der Content-Kontrolle, vor der seit Jahren gewarnt wird.
Roxom TV, gegründet im November 2024 von den Krypto-Unternehmern Borja und Helena Martel Seward, hatte sich in kurzer Zeit einen Namen gemacht, indem es rund um die Uhr Bildungsmaterial, Nachrichten und Analysen zum Thema Bitcoin präsentierte. Trotz der relativ kurzen Existenz zog der Kanal eine loyale und engagierte Community an, die die hochwertigen Inhalte und die kritische Auseinandersetzung mit der Bitcoin-Kultur schätzte. Die Begründung von YouTube für die Löschung war vage und umstritten. Der Plattform zufolge habe Roxom TV gegen die Richtlinien zu „schädlichen und gefährlichen Inhalten“ verstoßen. Allerdings haben die Verantwortlichen von Roxom TV keinerlei Strafen oder Warnungen im Vorfeld erhalten, was den Konflikt umso rätselhafter machte.
Ein Sprecher des Kanals, Alex McShane, Direktor für Bitcoin-Strategie bei Roxom TV, erklärte, dass auch nach einem Einspruch keine manuelle Überprüfung durch Menschen erfolgte, sondern der Fall scheinbar allein durch automatisierte Systeme beurteilt wurde. McShane vermutet, dass YouTubes Bots den Live-Stream des Kanals, der unter anderem auch politische Diskussionen mit Bitcoin-Bezug beinhaltete, fälschlicherweise als Förderung von riskanten oder gar betrügerischen Finanzprojekten interpretierten. Diese automatische Sperre widerspricht einer zahlenmäßig wachsenden Zahl von Fällen, in denen Inhalte rund um Kryptowährungen und Blockchain-Technologie zunehmend unter Beobachtung geraten. Bereits 2019 wurde bekannt, dass YouTube in einer sogenannten „Crypto-Purge“ mindestens 35 Krypto-Kanäle entfernen ließ. Dazu gehörten nicht nur neue Formate, sondern auch etablierte Medien wie der „Bad Crypto Podcast“ und „Altcoin Daily“.
Während einige Kanäle später wieder reaktiviert wurden, bleibt die Unsicherheit groß, wie sich die Plattform künftig regulierend positionieren wird. Die Verknüpfung von Kryptowährungen mit Glücksspiel hat die Situation zusätzlich verschärft. Anfang 2025 verschärfte YouTube seine Richtlinien gegen die Förderung von Glücksspielseiten und warnte ausdrücklich vor Inhalten, die „garantierte Renditen“ versprechen. Doch die Algorithmen scheinen nicht immer in der Lage zu sein, zwischen legitimen Krypto-Inhalten und problematischem Glücksspiel zu unterscheiden. Das führt nicht nur zu Sperrungen, sondern auch zur sogenannten „Shadowbanning“, bei der Videos zwar online bleiben, aber für die Nutzer kaum sichtbar sind.
Insbesondere bei Live-Streams, wie sie Roxom TV anbietet, ist die Moderation schwer kontrollierbar. Die automatische Erkennung kann Kontexte oder satirische Bemerkungen nicht zuverlässig erfassen, was zu Überreaktionen der Algorithmen führt. Expertinnen und Experten aus der Branche, wie Nikki Martinez von der Agentur Hype, berichten von einer systematischen Überkorrektur durch automatisierte Systeme auf unterschiedlichen Plattformen. Besonders heikel seien bestimmte Schlüsselwörter, die in Finanz- oder Krypto-Inhalten häufig vorkommen. Wörter wie „garantierte Gewinne“, „schnelles Geld“ oder sogar die bloßen Namen von Kryptowährungen können zu Markierungen als irreführend oder gar betrügerisch führen.
Neben YouTube kämpfen auch andere soziale Medien wie TikTok und Instagram mit ähnlichen Problemen, da die Regulierungen im Krypto-Bereich weltweit uneinheitlich und häufig unklar sind. Diese Unsicherheiten zwingen Content-Creator dazu, verantwortungsvoll und mit Bedacht zu kommunizieren, damit ihre Inhalte nicht fälschlich zensiert werden. Viele Krypto-Videomacher setzen daher auf eine vorsichtige Wortwahl und vermeiden Begriffe, die wie Versprechen von schnellen und sicheren Profiten wirken könnten. Stattdessen werden Begriffe wie „Nebenverdienst“, „digitale Einkommensquelle“ oder vorsichtigen Ausdrucksweisen wie „Auszahlung nach Prüfung“ bevorzugt, um den Algorithmen nicht zum Opfer zu fallen. Trotz dieser Vorsicht sollten sich die Akteure der Kryptoszene auf höhere Unsicherheiten einstellen.
Der Fall Roxom TV verdeutlicht, dass die Abhängigkeit von großen zentralisierten Plattformen wie YouTube und TikTok problematisch ist. Ein plötzlicher Bann oder eine automatische Löschung kann ganze Communities zerschlagen und die Verbreitung wertvoller Bildungsinhalte behindern. Deshalb setzen immer mehr Krypto-Enthusiasten auf dezentrale Medienplattformen, etwa Nostr oder Calaxy, die gegen Zensur immun sind und zugleich neue Formen der Teilhabe und Monetarisierung bieten. Trotzdem ist der Einfluss der großen Plattformen ungebrochen. Viele Schöpfer digitaler Inhalte wollen daher weiterhin auf YouTube präsent sein, um Reichweite und Aufmerksamkeit zu erzielen.
Wichtig ist dabei eine Diversifikation der Kanäle und Content-Strategien. Neben YouTube sollten Creator auf anderen Kanälen mit E-Mail-Listen, geschlossenen Communities oder Messengern wie Telegram und Discord aktiv sein. So können sie im Ernstfall auf Alternativen zurückgreifen und müssen nicht allein von den Launen der Plattformalgorithmen abhängig sein. Betroffene und Experten sind sich einig, dass es dringend mehr Transparenz seitens der Plattformbetreiber braucht. Automatisierte Moderation birgt Risiken, insbesondere wenn Menschen bei wichtigen Entscheidungen außen vor bleiben.
Nur durch menschliche Kontrollen und eine klare Kommunikation können irrtümliche Sperrungen vermieden und die digitale Meinungsfreiheit geschützt werden. Die Kryptowährungs-Community steht aktuell an einem Scheideweg. Einerseits wächst das Interesse an digitalen Währungen und Blockchain-Technologie weiter an, andererseits verstärken sich die politischen und regulatorischen Hürden. YouTube als eine der wichtigsten Plattformen für Informationsvermittlung spielt dabei eine Schlüsselrolle. Der Fall Roxom TV zeigt exemplarisch, wie fragil die Balance zwischen Sicherheit, Regulierung und freier Meinungsäußerung im digitalen Zeitalter ist.
Die kommenden Monate werden zeigen, ob die Plattformen ihre Algorithmen anpassen und die Moderationsprozesse verbessern können, oder ob die Kryptoinhalte weiterhin unter Druck bleiben. Für Community-Mitglieder, Creator und Krypto-Unternehmen gilt es, vor allem flexibel und vorbereitet zu sein. Nur so können sie die Chancen der Blockchain-Ära nutzen und gleichzeitig den Risiken der kontrollierten Online-Welt begegnen. Letztlich könnte der Vorfall auch als Weckruf dienen, um alternative Medieninfrastrukturen zu stärken und die Dezentralisierung im digitalen Bereich weiter voranzutreiben – damit zukünftige Krypto-Communities ihre Bildung und Diskussionen ohne Angst vor Zensur gestalten können.