Vor fast zwei Jahrzehnten begann ein mysteriöses Phänomen in den Höhlen New Yorks: Fledermäuse starben in großer Zahl, ihre Gesichter bedeckt von einem weißen Pilz. Diese Erkrankung, die heute als Weißes-Nasen-Syndrom (White-nose syndrome) bekannt ist, breitete sich rasch über große Teile Nordamerikas aus. Millionen von Fledermäusen wurden infiziert und viele Arten erlitten katastrophale Verluste. Trotz intensiver Forschung war der Ursprung dieses tödlichen Pilzes lange Zeit unklar. Eine neue wissenschaftliche Untersuchung konnte nun aber den Ursprung genau lokalisieren: große Karsthöhlen in der Westukraine, die von Höhlenforschern aus unterschiedlichen Ländern, darunter auch den USA, besucht wurden.
Vermutlich brachten diese Forscher die Pilzsporen unbeabsichtigt mit nach Nordamerika und verursachten so eine ökologische Krise von enormem Ausmaß. Der auslösende Pilz, Pseudogymnoascus destructans, setzt sich während der Winterschlafphase auf dem Gesicht und den Flügeln der Fledermäuse fest. Die Infektion führt dazu, dass die Tiere häufiger aus dem Winterschlaf erwachen, was ihren Energieverbrauch drastisch erhöht. Ohne ausreichend Fettreserven können die Fledermäuse den Winter nicht überleben. Das Weiße-Nasen-Syndrom hat in den USA und Kanada zu massiven Populationsrückgängen geführt und dabei vor allem die nördliche Langohrenfledermaus, die Dreifarbige Fledermaus sowie die Kleine braune Fledermaus dezimiert.
Der drastische Schwund der Fledermäuse hat weitreichende Folgen für die Ökosysteme und die Landwirtschaft, da Fledermäuse wichtige natürliche Schädlingsbekämpfer sind. In Regionen des Nordostens der USA mussten Landwirte wegen des Rückgangs der Fledermauspopulation vermehrt Insektizide einsetzen, was wiederum negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit hatte. Die Entdeckung dieser Verbindung zu ukrainischen Höhlen ist das Ergebnis jahrelanger sorgfältiger Forschung. Ursprünglich war vermutet worden, dass der Pilz aus Europa stammt, da dort zwar auf Fledermäusen und in Höhlen Spuren des Pilzes festgestellt wurden, dort aber keine massenhaften Todesfälle auftraten. Die europäische Fledermauspopulation scheint im Gegensatz zu den nordamerikanischen Fledermäusen eine gewisse Resistenz entwickelt zu haben, was auf eine lange Koexistenz mit dem Pilz schließen lässt.
Ein Team von Forschern unter Leitung des Fledermausbiologen Sébastien Puechmaille sammelte fast 5500 Proben von Fledermäusen und Höhlen über ganz Europa hinweg, von Finnland bis Spanien. Durch genetische Analysen und Vergleich der DNA-Sequenzen des Pilzes konnte ein eindeutiger Zusammenhang zwischen im Westen der Ukraine gesammelten Proben und denen aus Nordamerika hergestellt werden. Besonders die Höhlen Optymistychna und Ozerna, die zu den größten und labyrinthartigen Höhlensystemen Europas gehören, beherbergen große Populationen des Pilzes. Diese Höhlen sind seit Beginn der 1990er Jahre bei internationalen Höhlenforschern äußerst beliebt. Die Verbindung zwischen den Höhlenforschern aus den USA und der Ukraine wird durch Berichte von Austauschbesuchen untermauert, die in den 1990er und frühen 2000er Jahren stattfanden.
Da die Höhlen oft sehr schlammig und feucht sind, hafteten Pilzsporen leicht an Kleidung, Ausrüstung und Rucksäcken der Besucher. Über diese Wege gelangte der Pilz vermutlich über den Atlantik und fand dort ideale Bedingungen, um sich auszubreiten und die Fledermauspopulationen zu dezimieren. Die Forschung stößt wichtige Fragen zum Umgang mit biologischen Risiken im Höhlentourismus und in der Forschung auf. Experten betonen die Bedeutung gründlicher Desinfektionsmaßnahmen für Ausrüstung und Kleidung, um den unkontrollierten Transport von Krankheitserregern zu verhindern. Denn während der eingeschleppte Pilz bislang hauptsächlich der eine Genotyp Pd-1 in Nordamerika auftritt, existiert in Europa ein weiterer Genotyp, Pd-2, der sogar noch mehr Fledermausarten infizieren kann.
Sollte Pd-2 auf dem amerikanischen Kontinent eingeführt werden, könnten weitere Arten bedroht und die ökologischen Folgen noch dramatischer werden. Darüber hinaus warnt die Studie auch vor den Risiken des Austauschs und der Vermischung unterschiedlicher Pilzstämme innerhalb Europas. Obwohl der Pilz dort in einer Art Gleichgewicht mit den Fledermauspopulationen existiert, könnten genetische Kombinationen neuer virulenter Varianten entstehen, die Erkrankungen und Todesfälle auch in den sonst resistenten europäischen Fledermausarten verursachen könnten. Die ökologischen Auswirkungen des weißen-Nasen-Syndroms sind immens. Fledermäuse spielen eine essenzielle Rolle bei der Regulierung von Insektenpopulationen.
Ihre Abwesenheit führt zu einem Anstieg landwirtschaftlicher Schädlinge, der den Einsatz von Pestiziden fördert. Dies hat nicht nur finanzielle Konsequenzen für die Landwirtschaft, sondern auch negative gesundheitliche Folgen für Menschen. Studien zeigen, dass in betroffenen Regionen eine erhöhte Anwendung von Agrochemikalien mit einem Anstieg der Säuglingssterblichkeit in Verbindung steht. Für die Landwirtschaft in den USA wird der Wert der von Fledermäusen erbrachten Schädlingskontrolle auf etwa 53 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Ergebnisse der Studie haben auch eine pädagogische Bedeutung für die gesamte Gemeinschaft der Höhlenforscher, Naturschützer und Wissenschaftler.
Es ist wichtig, dass alle, die Höhlen betreten, sich der möglichen Risiken bewusst sind und entsprechend handeln. Dezentrale und internationale Koordination von Hygienemaßnahmen wird empfohlen, um weitere Ausbreitungen dieses und anderer Krankheitserreger zu verhindern. Zusammenfassend zeigt die Forschung, wie eng menschliche Aktivitäten mit globalen ökologischen Problemen verflochten sind. Was als Neugier und Forschung begann, hat unbeabsichtigte Folgen entfaltet, die zahlreiche Tierarten an den Rand des Aussterbens bringen können. Die Geschichte des weißen-Nasen-Syndroms macht deutlich, wie wichtig es ist, verantwortungsbewusst zu handeln, um die Gesundheit von Wildtierpopulationen und so auch das ökologische Gleichgewicht und letztlich unsere Landwirtschaft und Gesundheit zu schützen.
Nur durch internationale Zusammenarbeit, konsequente Schutzmaßnahmen und verantwortungsbewusstes Verhalten vieler Akteure kann die Ausbreitung solcher Krankheiten eingedämmt werden. In Zukunft müssen Wissenschaft und Gesellschaft gleichermaßen ein Bewusstsein für solche transkontinentalen Risiken entwickeln und präventiv handeln.