In den letzten Jahren hat sich der Prozess der Beantragung von US-Technologievisa zunehmend verändert. Gerade für Fachkräfte aus dem Ausland, die in Silicon Valley und anderen technologisch geprägten Regionen der USA Fuß fassen wollen, gestaltet sich der Weg immer schwieriger. Seit dem Amtsantritt der Trump-Administration erleben Antragsteller und Immigrationsexperten einen deutlichen Anstieg an Nachfragen und Aufforderungen zur Nachreichung von Dokumenten, den sogenannten Requests for Evidence (RFE). Dieser Trend setzt sich auch unter der aktuellen Administration ohne wesentliche Entspannung fort und trägt zu einer spürbaren Belastung im Immigrationssystem bei. Die Folgen spüren Unternehmen, Arbeitnehmer und die gesamte Innovationslandschaft gleichermaßen.
Die US-Technologieindustrie ist stark auf ausländische Talente angewiesen. Etwa zwei Drittel der Fachkräfte in Silicon Valley stammen aus dem Ausland. Viele große Konzerne wie Amazon, Google, Microsoft oder Meta sind regelmäßige Empfänger von H-1B-Visa, einem speziellen Programm für hochqualifizierte Arbeitnehmer. Dieses Visum wurde 1990 ins Leben gerufen und ist auf jährlich 65.000 reguläre sowie 20.
000 zusätzliche Plätze für Personen mit einem Master- oder höherem Abschluss begrenzt. Über 70 Prozent der H-1B-Antragsteller kommen aus Indien, gefolgt von China und Hongkong. Angesichts dieser Zahlen ist die reibungslose Vergabe der Visa essenziell für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der US-Technologielandschaft. Die Realität jedoch zeigt, dass der Prozess immer komplexer und langwieriger wird. Seit Anfang 2025 berichten zahlreiche Immigrationsexperten von einer deutlich erhöhten Zahl von RFEs bei verschiedenen Arten von Tech-Visa-Anträgen.
Die Anforderungen, die von US Citizenship and Immigration Services (USCIS) gestellt werden, umfassen Nachweise wie Support-Briefe, Bildungszertifikate, biometrische Daten sowie weitere Dokumente, die oft bereits in früheren Anträgen vorgelegt wurden. Es kommt sogar vor, dass Anträge abgelehnt werden, ohne dass der Immigrationsoffizier die Unterlagen vollständig geprüft hat. Diese Verschärfung führt nicht nur zu längeren Bearbeitungszeiten, sondern erhöht auch die finanzielle Belastung für die Antragsteller erheblich. Ein exemplarisches Beispiel ist der britische Tech-Unternehmer Matt Doyle, der bereits über 20.000 US-Dollar an Anwaltskosten ausgegeben hat und nun gezwungen ist, seinen EB-1 Visaantrag erneut einzureichen, was mit weiteren Gebühren verbunden ist.
Solche Wiederholungen des Antragsprozesses sind keine Seltenheit mehr und lassen viele angehende Gründer und engagierte Fachkräfte an der Attraktivität des US-Arbeitsmarkts zweifeln. Die gesteigerte Skepsis und die rigorose Prüfungspolitik reflektieren den politischen Kurs der vergangenen Jahre, in denen das US-Immigrationssystem verstärkt auf Sicherheit, Betrugsbekämpfung und strenge Kontrolle ausgerichtet wurde. Während die Trump-Administration das Ziel verfolgte, das sogenannte „billige Arbeitskräfteprogramm“ zu beenden und den Fokus auf nationale Arbeitsmarktinteressen zu legen, versuchte die Biden-Regierung zumindest teilweise, den Prozess zu beschleunigen und Visa-Kategorien zu erweitern. Nichtsdestotrotz bleibt die Tendenz zu verstärkten Nachfragen und verschärfter Prüfung sichtbar. Diese Entwicklung wirkt sich unmittelbar auf die Innovationskraft des US-Technologiesektors aus.
Ausländische Fachkräfte profitieren häufig vom Bildungs- und Arbeitsmarkt in den USA und tragen entscheidend zur Gründung von Start-ups und der Entwicklung neuer Technologien bei. Mehrere prominente CEOs und Gründer im Silicon Valley sind selbst Immigranten, darunter Persönlichkeiten wie Sergey Brin, Satya Nadella und Elon Musk. Ein restriktives Einwanderungssystem könnte jedoch junge Talente abschrecken, die in den USA studierten und anschließend gerne bleiben würden, um aktiv an der Wirtschaft teilzuhaben. Darüber hinaus zeigen jüngste Äußerungen von Investoren und Branchenkennern, dass der Zugang zu qualifizierten Innovatoren zunehmend zum kritischen Faktor wird. So beklagte etwa Pejman Nozad, ein iranisch-amerikanischer Risikokapitalgeber, dass viele seiner Gründer Schwierigkeiten mit Visa-Anträgen haben, was die Unternehmenskultur und das Wachstum behindere.
Er fordert, dass Gates geöffnet statt geschlossen werden, um Innovationen zu fördern. Die Verschärfung betrifft nicht nur die H-1B-Visa für neu eingestellte Experten, sondern auch andere Kategorien wie die O-1 Visa für Personen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten oder EB-1 Visa, die insbesondere für herausragende Fachkräfte und Unternehmer relevant sind. Das US-amerikanische Immigrationsrecht verlangt in diesen Fällen besonders umfassende Nachweise, was bei der aktuellen Praxis oft zu einem Teufelskreis von Ablehnungen und erneuten Bewerbungen führt. Ein weiteres Hemmnis sind die neuen biometrischen Anforderungen, die inzwischen auch bei Arbeitgeber-gestützten Anträgen wie dem I-129-Formular verlangt werden. Hierbei müssen Antragsteller persönlich erscheinen und Fingerabdrücke sowie Fotos abgeben.
Zwar sind solche Maßnahmen bei Green-Card-Anträgen Standard, stellen jedoch für saisonale und temporäre Visapositionen eine neue Hürde dar und verlängern den Prozess zusätzlich. Die US-amerikanische Anwaltsvereinigung für Einwanderungsrecht (American Immigration Lawyers Association - AILA) hat daher ihre Mitglieder vor der vermehrten Ausstellung von RFEs gewarnt und darauf hingewiesen, dass trotz scheinbarer Wiederholungen der geforderten Dokumente eine vollständige Antwort notwendig ist, um Ablehnungen zu vermeiden. Die USCIS verteidigt die Strategie als Teil eines umfassenden Engagements zur Sicherung der Integrität des Einwanderungssystems und zur Vermeidung von Betrug. Historisch gesehen sind Phasen mit erhöhter Prüfung und strengeren Anforderungen bei Visa-Anträgen keine Ausnahme. Schon während der ersten Amtszeit Präsident Trumps verdoppelte sich die Quote der RFEs beispielsweise bei H-1B-Visa und die Bewilligungsraten sanken.
Jedoch zeigen neuere Daten auch, dass gerade Visa für Personen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten im jüngsten Zeitraum nochmals einem verstärkten Druck ausgesetzt sind. Die Konsequenzen dieser politischen und administrativen Entwicklungen sind weitreichend. Neben der direkten Belastung für Einzelpersonen und Unternehmen kann eine solche Eskalation von Hürden dazu führen, dass die USA als Technologie- und Innovationsstandort an Anziehungskraft verliert. Die Folge könnte eine Abwanderung von Talenten in andere Länder sein, die günstigere Bedingungen bieten. Gerade in Zeiten eines globalen Wettstreits um die besten Fachkräfte kann jede Hürde entscheidend sein.
Gleichzeitig beklagen viele Unternehmen die steigenden Unsicherheiten und erschwerten Personalplanungen, die durch verzögerte und ungewisse Visa-Prozesse entstehen. Gerade Start-ups, die auf schnelle Lösungen angewiesen sind, und Großkonzerne, die ein globales Talentmanagement betreiben, spüren die Auswirkungen deutlich. Sie sehen sich gezwungen, mehr Zeit und Geld in die Verwaltung von Immigrationsanträgen zu investieren, was von der eigentlichen Innovationsarbeit ablenkt. Insgesamt steht der US-Technologiesektor damit an einem Scheideweg. Einerseits gibt es Bestrebungen, Immigrationsprozesse zu modernisieren, die Sicherheit zu erhöhen und betrügerische Praktiken zu reduzieren.
Andererseits gefährdet eine zu starke Bürokratisierung und eine restriktive Ausgestaltung der Visa-Bewilligung das Wachstums- und Innovationspotenzial, auf dem Silicon Valley und weitere Hotspots basieren. Zukunftsweisend ist daher eine Balance zwischen Kontrolle und Förderlichkeit im Einwanderungssystem. Ein flexibles und transparentes Verfahren, das Talente aus aller Welt willkommen heißt und unterstützt, ist essenziell, um den Anspruch der USA als globale Innovationsführerin zu erfüllen. Politische Entscheidungen sollten deshalb sorgfältig abgewogen werden, um weder die Wirtschaftskraft noch die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu gefährden. Die aktuellen Entwicklungen im US-Tech-Visa-System machen deutlich, wie eng verknüpft Migration und Innovation sind.
Vor dem Hintergrund globaler Herausforderungen wie dem Technologie-Wettlauf, Arbeitskräftemangel und digitaler Transformation wird die Bedeutung einer nachhaltigen und offenen Einwanderungspolitik für die Zukunft der US-Technologiebranche zunehmend sichtbar. Für Unternehmen, Bewerber und politische Entscheidungsträger gilt es, die Chancen und Risiken dieses komplexen Systems gleichermaßen zu erkennen und proaktiv auf Veränderungen zu reagieren.