Die Welt der Programmiersprachen ist vielfältig und dynamisch. Neben populären und oft von Großkonzernen unterstützten Sprachen wie Rust, Go oder TypeScript gibt es auch solche, die unabhängig und gemeinschaftsorientiert gewachsen sind. Elixir ist ein solches Beispiel – eine Programmiersprache, die nicht von einem Big-Tech-Unternehmen kontrolliert wird und dennoch stabile industrielle Nutzung und eine engagierte Community bietet. Dieses Alleinstellungsmerkmal macht Elixir in der heutigen Softwareentwicklung sowohl spannend als auch relevant. Elixir entstand als eine Weiterentwicklung der Erlang-Programmierumgebung, die in den 1980er Jahren bei Ericsson entwickelt wurde.
Erlang selbst wurde ursprünglich für die Bedürfnisse der Telekommunikationsbranche entwickelt und ist bekannt für seine Robustheit, Skalierbarkeit und den Einsatz in Echtzeitsystemen. Elixirs Gründer, José Valim, nutzte die Leistungsfähigkeit von Erlang und verband sie mit einer modernen und zugänglicheren Syntax, die besonders an Entwickler aus der Ruby-Welt erinnert. Damit gelang es ihm, die Stärke von Erlang auf eine neue Art zugänglich zu machen. Ein zentraler Punkt, der Elixir von vielen anderen modernen Sprachen unterscheidet, ist die Art der Kontrolle und Entwicklung. Während Sprachen wie Rust stark von Mozilla initiiert wurden und heute von großen Firmen wie Amazon oder Microsoft unterstützt werden, folgt Elixir einem anderen Modell.
Es gibt keine dominierende Mega-Organisation, die die Richtung vorgibt oder die komplette Entwicklung finanziert. Vielmehr liegt die Kontrolle beim sogenannten Core-Team, dessen Mitglieder größtenteils kleine Unternehmen und Beratungsfirmen repräsentieren. An oberster Spitze befindet sich José Valim als BDFL (Benevolent Dictator For Life), der die Verantwortung für die Weiterentwicklung trägt. Dieses Modell garantiert eine gewisse Stabilität und Kontinuität, ohne von wirtschaftlichen Zwängen großer Tech-Konzerne geleitet zu werden. Dashbit, ein kleines Beratungsunternehmen, spielt eine wichtige Rolle in der heutigen Elixir-Landschaft.
Sie beschäftigen mehrere Kernentwickler und finanzieren verschiedene Projekte aus dem Ökosystem, wie beispielsweise Nx (für numerische Berechnungen) und Livebook (eine interaktive Programmierumgebung). Dashbit bietet zudem Elixir-Entwickler auf Abonnementbasis an, die als Experten für Code-Reviews, Architekturberatung oder Notfallhilfe fungieren. Diese Beratung ermöglicht nicht nur den Kunden professionelle Unterstützung, sondern sorgt auch dafür, dass wichtige Beiträge zur Sprache und deren Umfeld geleistet werden können. Die Geschichte von Elixir ist zudem geprägt von einer bescheidenen Herkunft im Gegensatz zu den Finanzriesen der Tech-Branche. Zu Beginn wurde Elixir von Plataformatec entwickelt, einem kleinen Unternehmen, das später von Nubank – einer großen, aber nicht als Big-Tech klassifizierten Bank aus Brasilien – übernommen wurde.
Allerdings verblieben die Rechte an Elixir bei José Valim, was den unabhängigen Kurs der Sprache sichert. Dieses Setup ermöglicht es Elixir, eine große Nutzergemeinschaft aufzubauen, ohne von einer einzigen Firma dominiert zu werden. Wichtig für Elixir ist auch die historische Verbindung zu Erlang und damit zu Ericsson. Der schwedische Telekommunikationskonzern investiert weiterhin massiv in die Weiterentwicklung von Erlang/OTP, dem Laufzeitsystem, auf dem Elixir basiert. Diese Zusammenarbeit stellt sicher, dass die zugrundeliegende Plattform weiterhin gepflegt wird und Elixir von den Fortschritten in dieser Infrastruktur profitiert.
Gleichzeitig gewähren andere große Nutzer, darunter Meta (Facebook), wertvolle Beiträge, ohne jedoch die komplette Kontrolle zu übernehmen. Dies ist ein signifikanter Unterschied zu Sprachen, die von großen Tech-Giganten initiiert und vorangetrieben werden. Das Projekt Elixir ist stark auf die Gemeinschaft angewiesen. Viele Entwickler, Unternehmen und Beratungsfirmen tragen durch offene Betriebssystementwicklung, Bibliotheken und Frameworks zum wachsenden Ökosystem bei. Einige Unternehmen engagieren sich direkt, etwa SmartRent, das an Nerves arbeitet, einer Plattform für die Entwicklung eingebetteter Systeme mit Elixir.
Auch DockYard und Fly sind dafür bekannt, ihre Entwicklerressourcen in Prominentenprojekten wie Phoenix und LiveView zu investieren. Letztere Frameworks sind heute eine der Säulen moderner Webentwicklung mit Elixir und bieten funktionale Ansätze, die für Anwendungen mit hoher Skalierbarkeit und Echtzeit-Anforderungen geeignet sind. Die Landschaft des Elixir-Ökosystems wird weiterhin von kleineren Beratungsfirmen geprägt. Zum Beispiel entwickelt Software Mansion das Medien-Framework Membrane, während Alembic die Ash-Framework-Projekte unterstützt. Diese Vielzahl an kleinen Unternehmen und unabhängigen Entwicklern ermöglicht eine agile, nachhaltige Weiterentwicklung, die nicht durch kurzfristige Unternehmensinteressen erschwert wird.
Im Vergleich zu Sprachen, die oft auf Innovationsgeschwindigkeit und Marktanteilsgewinnen großer Konzerne setzen, zeichnet sich Elixir durch Stabilität und Langfristigkeit aus. Die Community und das Ökosystem wachsen stetig organisch, was angesichts der ständig wechselnden Dynamik und der Unsicherheiten geopolitischer und wirtschaftlicher Art einen klaren Vorteil darstellt. Entwickler haben so die Sicherheit, mit einer Sprache und Infrastruktur zu arbeiten, die nicht von plötzlich wechselnden Unternehmensstrategien oder finanziellem Druck überrollt wird. Zudem ist es heute deutlich schwieriger, eine neue Programmiersprache zu etablieren. Während Elixir vor rund einem Jahrzehnt noch eine Ausnahme war, gibt es heute kaum mehr die Möglichkeit, unabhängig von großen Geldgebern eine neue Sprache mit breiter Nutzerbasis zu schaffen.
Projekte wie Gleam, die am BEAM-Ökosystem anknüpfen, zeigen jedoch, dass es noch Raum für innovative, nicht von Megakonzernen getriebene Entwicklungen gibt. Die Sichtweise in der Entwicklergemeinschaft ist meist positiv. Viele wünschen sich eine Softwarewelt, in der die technologische Basis nicht allein den Interessen der größten Tech-Konzerne unterliegt. Elixir bietet einen Ort der Innovation und Zusammenarbeit, der sich dieser Entwicklung entzieht, aber dennoch wettbewerbsfähig und produktiv bleibt. Für viele Unternehmen und Entwickler ist das ein überzeugender Grund, in Elixir zu investieren und damit auf Nachhaltigkeit und gemeinsame Werte zu setzen.
Auch in Hinblick auf regulatorische Anforderungen wie den Software Bill of Materials (SBOM) oder das EU Cyber Resilience Act (CRA) profitiert Elixir von seiner offenen Struktur und dem starken Gemeinschaftsgedanken. Diese Rahmenbedingungen werden immer bedeutender, wenn Softwareprodukte nicht nur technisch, sondern auch rechtlich und sicherheitstechnisch belastbar sein sollen. Abschließend lässt sich sagen, dass Elixir ein bedeutendes Beispiel einer Programmiersprache ist, die ihre Wurzeln in einer unabhängigen, kleinen Gemeinschaft hat, aber gleichzeitig professionelle Ansprüche erfüllt und konstant wächst. Die Sprache bietet Stabilität, Innovation und eine freundliche Umgebung ohne die Schatten großer Technologiekonzerne. Dies macht Elixir zu einer attraktiven Wahl für Entwickler, Unternehmen und Organisationen weltweit, die auf nachhaltige Technologie setzen möchten.
Inmitten der oft unübersichtlichen und oft von wirtschaftlichen Turbulenzen geprägten Softwarelandschaft bietet Elixir also eine klare Alternative: eine Programmiersprache, die nicht im Schatten der Big-Tech-Giganten steht, sondern durch Gemeinschaft, Qualität und langfristige Vision besticht.