Die Internationale Rechnungslegungsstandards für die öffentliche Hand (IPSASB) befinden sich derzeit inmitten eines bedeutenden Vorhabens, das das Ziel verfolgt, die Wesentlichkeitsdefinition innerhalb ihrer Finanzberichterstattungsliteratur zu harmonisieren. Diese Initiative ist von großer Bedeutung für den öffentlichen Sektor, der vor einzigartigen Herausforderungen bei der Erstellung, Analyse und Interpretation von Finanzinformationen steht. Die Anpassung trägt nicht nur zur Steigerung der Transparenz und Relevanz von Berichten bei, sondern verbessert auch die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen öffentlichen Institutionen und ihren Stakeholdern. Wesentlichkeit ist ein fundamentales Konzept in der Rechnungslegung. Sie beschreibt die Schwelle, ab der Informationen für die Entscheidungsfindung der Nutzer relevant sind.
Im öffentlichen Sektor beeinflusst die Definition maßgeblich, welche Informationen in den Finanzberichten aufgenommen oder ausgelassen werden. Eine klare und konsistente Grundlinie ist somit essenziell, um die Qualität und Aussagekraft der Berichte sicherzustellen. Mit dem Entwurf ED 93, der derzeit zur öffentlichen Kommentierung vorliegt, möchte das IPSASB dieses Grundverständnis festigen und vereinheitlichen. Das Kernanliegen von ED 93 ist die Angleichung der Wesentlichkeitsdefinition zwischen dem Konzeptionellen Rahmenwerk für Allgemeine Finanzberichterstattung durch öffentliche Einrichtungen und den bestehenden IPSAS-Standards. Durch eine gemeinsame Definition soll sichergestellt werden, dass alle Berichte denselben Bewertungsmaßstäben folgen und somit die Vergleichbarkeit über Zeit und zwischen Institutionen erhalten bleibt.
Diese Harmonisierung trägt auch der Vielfalt der Nutzer öffentlicher Finanzinformationen Rechnung, deren Bedürfnisse bei der Festlegung der Wesentlichkeit berücksichtigt werden müssen. Eine zentrale Neuerung in dem Vorschlag ist die Berücksichtigung der Informationsbedürfnisse primärer Nutzer. Hierbei geht es vor allem um Bürgerinnen und Bürger, Gesetzgeber, Investoren und andere Interessengruppen, die auf öffentliche Finanzinformationen angewiesen sind, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Dadurch entsteht eine Orientierung, die über rein technische Rechnungslegungsvorschriften hinausgeht und den Zweck der Berichterstattung – nämlich die Unterstützung von Entscheidungsprozessen – in den Mittelpunkt rückt. Darüber hinaus fordert das IPSASB, die Definition in IPSAS 1, dem Standard für die Darstellung von Abschlüssen, mit Kapitel 3 des Konzeptionellen Rahmenwerks in Einklang zu bringen.
Diese Angleichung soll Inkonsistenzen beseitigen, die bisher aufgrund unterschiedlicher Formulierungen in den Dokumenten entstanden sind. Eine einheitliche Definition vereinfacht zudem die Anwendung der Standards durch Praktiker und erhöht die Verlässlichkeit der geprüften Finanzberichte. Das Projekt ist dabei in drei Phasen strukturiert. Die erste Phase, die mit dem Entwurf ED 93 bereits öffentlich diskutiert wird, konzentriert sich auf die Konsistenz der Wesentlichkeitsdefinition. Hier sollen zunächst die Grundlagen geschaffen und konkrete Anpassungen an den Standards vorgenommen werden.
Die zweite Phase wird sich der Entwicklung von nicht bindenden Leitlinien widmen, die sich an der IFRS Practice Statement 2 orientieren und den Umgang mit Wesentlichkeitsurteilen in der Finanzberichterstattung praxisnah unterstützen sollen. Die dritte Phase betrachtet schließlich die Rolle der Wesentlichkeit im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung, insbesondere im Zusammenhang mit dem zuvor entwickelten SRS ED 1 zu klimabezogenen Offenlegungen. Die Bedeutung der richtigen Wesentlichkeitsdefinition wurde von IPSASB-Vorsitzendem Ian Carruthers besonders hervorgehoben. Er betont, dass eine klare und einheitliche Definition entscheidend dafür ist, welche Informationen letztlich in öffentlichen Finanzberichten bereitgestellt werden. Eine solche Basis schafft nicht nur Klarheit für die Berichtsersteller, sondern ermöglicht auch die Entwicklung wertvoller Leitfäden für zukünftige Wesentlichkeitsentscheidungen und fördert so die Qualität der Berichterstattung insgesamt.
Im Kontext öffentlicher Finanzberichterstattung ist die Wesentlichkeit aber nicht nur ein abstraktes Regelwerk. Sie entscheidet konkret darüber, welche finanziellen Informationen Aufmerksamkeit erhalten und welche unter Umständen keine Berücksichtigung finden. Dadurch beeinflusst die Definition das Vertrauen der Öffentlichkeit in die verwalteten Gelder und die Effizienz der Nutzung öffentlicher Ressourcen. Die angestrebte Standardisierung stärkt somit nicht nur die Transparenz, sondern auch die Rechenschaftspflicht öffentlicher Institutionen. Für Interessierte und Experten besteht die Möglichkeit, bis zum 14.
Juli 2025 Kommentare zum Entwurf abzugeben. Der offene Dialog soll die Praxistauglichkeit des Entwurfs verbessern und sicherstellen, dass die Interessen verschiedenster Stakeholder angemessen berücksichtigt werden. Dieser partizipative Ansatz zeigt das Bestreben des IPSASB, die Standards nicht nur technisch korrekt, sondern auch anwendungsfreundlich und nachhaltig zu gestalten. Die angestrebte Änderung erfolgt zugleich in einer Phase personeller Erneuerung bei IPSASB: Ein Suchkomitee wurde eingerichtet, um ab Januar 2026 den neuen Vorsitzenden zu berufen und somit die Fortentwicklung der Standards unter neuer Führung sicherzustellen. Dies unterstreicht die Dynamik und Zukunftsorientierung des Gremiums im Umgang mit globalen Herausforderungen der öffentlichen Rechnungslegung.
Neben der reinen Finanzberichterstattung gewinnt die Wesentlichkeitssache zunehmend auch im Nachhaltigkeitskontext an Bedeutung. Die dritte Phase des Projekts wird sich diesem Thema widmen und könnte insbesondere durch die Integration von Umwelt- und Klimadaten neue Maßstäbe setzen. Die Verknüpfung von Finanz- und Nachhaltigkeitsberichterstattung ist ein entscheidender Schritt, um den Anforderungen an Transparenz und Verantwortung in einer zunehmend nachhaltigkeitsorientierten Welt gerecht zu werden. Insgesamt zeigt das Vorhaben des IPSASB, wie durch methodische Verbesserungen und internationale Zusammenarbeit die Finanzberichterstattung im öffentlichen Sektor gestärkt werden kann. Die Vereinheitlichung der Wesentlichkeitsdefinition fördert eine klarere Kommunikation, schützt vor Fehlinformationen und unterstützt eine verantwortungsvolle Verwaltung öffentlicher Mittel.
Dies kommt letztlich allen Beteiligten zugute – von der Verwaltung über die Politik bis hin zur Gesellschaft als Ganzes. Die Entwicklungen um die Wesentlichkeit verdeutlichen den fortwährenden Wandel in der Rechnungslegung, bei dem es nicht nur um Zahlen, sondern auch um Verständlichkeit, Relevanz und Vertrauen geht. Öffentlich zugängliche Beratungen und die Einbindung verschiedener Perspektiven sind hierbei unverzichtbar, um zukunftsfähige und breit akzeptierte Standards zu etablieren. Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Vorschläge aufgenommen und welche Impulse sich daraus für die Praxis ergeben. Damit stellt das IPSASB-Projekt einen wichtigen Meilenstein dar, der die Grundlagen der öffentlichen Finanzberichterstattung nachhaltig prägen könnte.
Die nächsten Jahre versprechen spannende Entwicklungen, deren Bedeutung weit über den öffentlichen Sektor hinausreichen wird. Es bleibt abzuwarten, wie die internationale Gemeinschaft die Gelegenheit nutzt, um von einer einheitlichen Wesentlichkeitdefinition zu profitieren und dadurch die Qualität sowie Integrität der öffentlichen Rechnungslegung auf globaler Ebene zu verbessern.