Inmitten der weiten Savannenlandschaften im brasilianischen Bundesstaat Bahia entsteht ein ambitioniertes Projekt, das die globale Kakaoindustrie nachhaltig verändern könnte. Moises Schmidt, ein visionärer Agrarunternehmer, treibt die Entwicklung der weltweit größten Kakaoplantage voran – eine gigantische Farm, die größer sein wird als die Insel Manhattan. Mit einem Investitionsvolumen von rund 300 Millionen US-Dollar setzt Schmidt auf großflächige, hocheffiziente Anbaumethoden, um Brasiliens Rolle als bedeutender Kakaoexporteur zu festigen und auszuweiten. Die Geschichte des Kakaos in Brasilien ist tief verwurzelt. Die Kakaopflanze ist in Südamerika heimisch und war lange Zeit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Brasilien.
Doch in den vergangenen Jahrzehnten verlor das Land massiv an Bedeutung, insbesondere gegenüber westafrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste und Ghana, die heute über 70 Prozent der weltweiten Kakaoernte kontrollieren. Diese Regionen sahen sich in jüngster Zeit jedoch mit Problemen wie Krankheiten, Alterung der Plantagen und den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert, was zu rückläufiger Produktion und steigenden Preisen führte. Vor diesem Hintergrund eröffnet sich für Brasilien eine große Chance. Schmidt und weitere Investoren sehen in der aktuellen Krise der Kakaoindustrie nicht nur ein Risiko, sondern vor allem eine Gelegenheit, die Produktionslandschaft zu verändern. Seine Vision besteht darin, Kakao in bisher untypischen Gebieten Brasiliens auf industriellem Niveau anzubauen.
Die geplante 10.000 Hektar große Farm in Riachao das Neves, im Westen Bahias, soll dabei als Modellprojekt dienen – mit Kakaobäumen, die auf hoher Dichte gepflanzt und voll automatisiert bewässert und gedüngt werden. Dieses Vorgehen markiert einen radikalen Bruch mit der traditionellen Kakaoerzeugung, die normalerweise auf kleinen bis mittelgroßen Plantagen mit teilweise schattigen Anbausystemen basiert. Die hohe Pflanzendichte von bis zu 1.600 Bäumen pro Hektar, verglichen mit durchschnittlich 300 in konventionellen Farmen, verspricht deutlich höhere Erträge.
Erste Versuchsflächen bringen bereits beeindruckende Ernten von bis zu 3.000 Kilogramm pro Hektar ein – das Zehnfache des brasilianischen Durchschnitts und sogar das Mehrfache der Marktführer in der Elfenbeinküste. Um diese hohen Erträge zu ermöglichen, setzt Schmidt nicht nur auf vegane Agronomie, sondern auch auf moderne Saatgutzüchtung und fortschrittliche Anbaumethoden. Sein Unternehmen BioBrasil ist auf die Vermehrung von Saatgut spezialisiert, die aus besonders leistungsfähigen Mutterpflanzen gewonnen wird. Diese positive Selektion sorgt für robuste und produktive Sorten, die speziell auf die Bedingungen in Bahia angepasst sind.
Mit einer jährlichen Produktionskapazität von zehn Millionen Setzlingen soll das Projekt nicht nur das eigene Wachstum fördern, sondern auch anderen brasilianischen Kakaoanbauern als Lieferant dienen. Der innovative Ansatz beinhaltet auch die vollständige Bewässerung der Plantagen, eine Seltenheit in der Kakaoindustrie, die bislang überwiegend auf Regenfall angewiesen war. Diese Methode verspricht Stabilität und Effizienz, insbesondere in Zeiten klimatischer Unsicherheiten. Weitere Automatisierungen, wie der mechanisierte Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, heben die Farm auf ein Niveau, das eher dem Anbau von Soja oder Mais ähnelt als dem klassischen Kakaoanbau. Doch trotz dieser positiven Entwicklungen bleiben einige Herausforderungen und Kritiken bestehen.
Experten warnen vor möglichen Risiken durch die Monokultur mit genetisch sehr ähnlichen Bäumen, die sie anfällig für Krankheiten machen könnte. Ein Beispiel hierfür ist die damalige Wucherkrankheit (Witches' Broom) in den 1980er Jahren, die große Teilen des brasilianischen Kakaosektors schweren Schaden zufügte. Auch Fragen zur Qualität des Kakaos in vollem Sonnenlicht werden diskutiert, da traditionell schattengeschützter Kakao als aromatisch hochwertiger gilt. Erste Tests ergaben jedoch, dass die geschmackliche Qualität vergleichbar ist, sofern die richtige Nachbehandlung der Bohnen erfolgt. Die Kakaoindustrie hat die Entwicklungen in Brasilien aufmerksam verfolgt.
Große internationale Unternehmen wie Cargill und Barry Callebaut haben bereits Partnerschaften geschlossen oder Gespräche über Kooperationen aufgenommen. Diese Investitionen sollen nicht nur die Produktion garantieren, sondern auch die Entwicklung des ambitionierten Forschungs- und Entwicklungsprojekts unterstützen. Zudem hat Mars, ein international bekannter Schokoladenproduzent, in der Region ein eigenes Testfeld errichtet, um das Potenzial großer brasilianischer Kakaoplantagen zu untersuchen und Maßnahmen gegen sinkende Erträge durch den Klimawandel zu erarbeiten. Die Aussichten für die Kakaoindustrie in Brasilien sind vielversprechend. Sollte das Modell des großflächigen Anbaus wirklich erfolgreich sein, könnte Brasilien eine bedeutende Rolle bei der Versorgung des Weltmarkts einnehmen und könnte gar zum neuen „Brotkorb“ der globalen Kakaoproduktion werden.
Die Prognosen sehen vor, dass innerhalb von zehn Jahren bis zu 500.000 Hektar hochproduktive Kakaoplantagen in Brasilien entstehen könnten, die über 1,6 Millionen Tonnen Kakao jährlich produzieren – das ist das Zehnfache der heutigen Kapazität des Landes. Der Anstieg der Kakaopreise in den letzten Jahren, teilweise getrieben durch Angebotsengpässe und Klimabedingungen, hat das Interesse an hochproduktiven Anbausystemen zusätzlich befeuert. Auch wenn Experten betonen, dass die wichtigste Rolle bei der Flächenerweiterung die Wirtschaftlichkeit spielen wird, zeigt sich Schmidt überzeugt, dass sein Konzept bereits bei einem Preis von 4.000 US-Dollar pro Tonne profitabel ist.
Steigen die Preise weiter, wird seine Plantage sogar deutlich lukrativer als die Produktion von Soja oder Mais. Das Projekt in Bahia ist Teil eines allgemeinen Trends, bei dem landwirtschaftliche Großunternehmen und Investoren auf technisierte und industrialisierte Produktionsformen setzen, um die Herausforderungen des globalen Marktes zu meistern. Der Weg vom traditionellen Familienbetrieb hin zu großen Agrarbetrieben könnte in der Kakaoindustrie neue Maßstäbe setzen und gleichzeitig nachhaltige Entwicklungschancen eröffnen. Nicht zuletzt könnte die Rückkehr Brasiliens als relevanter Kakaoproduzent positive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen für die Region bedeuten. Die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Entwicklung landwirtschaftlicher Infrastruktur und die Stärkung der lokalen Wirtschaft sind Faktoren, die das Projekt auch im sozialen Kontext interessant machen.
Ebenso kann die Diversifikation in der Kakaoproduktion einen Beitrag zur globalen Versorgungssicherheit leisten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass Brasilien mit Moises Schmidts Vision eine potenzielle Schlüsselrolle in der Zukunft der Kakaoindustrie einnimmt. Mit seiner riesigen und technologisch fortschrittlichen Farm schreibt das Land ein neues Kapitel in der Geschichte des Kakaos und setzt auf nachhaltige Innovation, die das Erbe der Pflanze mit modernen Verfahren verbindet. Sollte der Plan Erfolg haben, könnte die Schokoladenwelt bald einen neuen Mittelpunkt bekommen – mitten in Südamerika.