Der traditionsreiche US-amerikanische Einzelhändler Kohl’s befindet sich erneut in einer äußerst fragilen Situation. Die vielversprechenden Bemühungen um eine strategische Wende werden durch die unerwartete und skandalgeprägte Entlassung seines neuen CEOs Ashley Buchanan jäh unterbrochen. Nur drei einhalb Monate nach seinem Amtsantritt im Januar 2025 wurde Buchanan aufgrund eines internen Ermittlungsberichts gefeuert, der Verfehlungen im Zusammenhang mit einer persönlichen Beziehung und der Vergabe von Firmenaufträgen an ein damit verbundenes Unternehmen belegte. Die Entwicklung sorgt nicht nur für negative Schlagzeilen, sondern hat auch schwerwiegende Auswirkungen auf die ohnehin schon prekären Geschäftsaussichten von Kohl’s. Schon lange kämpft Kohl’s mit den Herausforderungen des modernen Einzelhandels.
Das Unternehmen sieht sich kontinuierlich schwindenden Umsätzen gegenüber, die sich mittlerweile über zwölf Quartale hinweg summieren. Einst ein bedeutender Player im Segment der Warenhäuser, hat Kohl’s Schwierigkeiten, mit der rasanten Digitalisierung, veränderten Konsumpräferenzen und der Dominanz von Online-Giganten wie Amazon mitzuhalten. Hinzu kommen die allgegenwärtigen Wettbewerber wie Target, Walmart oder Dick’s Sporting Goods, die viele der gleichen Marken im Sortiment führen und dadurch die Exklusivität der Kohl’s-Angebote verwässern. Die kurzfristige Amtsübernahme Buchanans hatte zunächst Hoffnungen für einen erfrischenden Neuanfang geweckt. Nach jahrelangen Umsatzrückgängen und einem abnehmenden Kundenstamm war klar, dass Kohl’s eine klare Vision und operative Exzellenz benötigte, um wieder relevant zu werden.
Leider kam Buchanans Fehlverhalten zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Sein Versuch, Aufträge an eine mit ihm persönlich verbundenen Firma auf besonders vorteilhaften Bedingungen zu vergeben, wurde nicht nur von Kohl’s selbst, sondern auch von der US-Börsenaufsicht SEC untersucht. Das Unternehmen machte deutlich, dass Buchanans Handlungen nicht offen gelegt wurden und klaren ethischen Standards widersprachen. Infolge der Enthüllungen übernahm Michael Bender, Vorsitzender des Aufsichtsrats und ehemaliger CEO des Optik-Fachhändlers Eyemart Express, interimistisch die Führung. Bender bringt zwar eine umfangreiche Führungserfahrung mit, unter anderem durch seine Tätigkeit bei Walmart im Bereich E-Commerce, doch steht er vor einem enormen Kraftakt.
Er muss das florierende Chaos im Unternehmen kanalisieren und gleichzeitig die strategische Neuausrichtung voranbringen. Allerdings ist die Zwischenlösung auf Zeit kein Ersatz für eine dauerhafte und visionäre Führung der Gesellschaft. Die Herausforderungen, die Kohl’s derzeit zu bewältigen hat, gehen weit über Führungsfragen hinaus. Die Einzelhandelskette hat in den letzten Monaten mehrere Filialschließungen und Entlassungen angekündigt, ein klares Zeichen dafür, dass das Unternehmen Kosten einsparen und die Effizienz steigern muss. Doch solche Kürzungen sind nur ein Teil der Lösung.
Es bedarf einer tiefgreifenden Anpassung der Sortimentsstrategie, einer stärkeren Fokussierung auf exklusive Marken und eines überzeugenden Kundenerlebnisses, um den Kunden wieder zurückzugewinnen. Aktuelle Berichte belegen jedoch, dass Kohl’s eigene Hausmarken nicht den gewünschten Zuspruch finden, was die Lage zusätzlich erschwert. Ein weiterer signifikanter Faktor, der die Situation verkompliziert, sind die externen Rahmenbedingungen. Die anhaltenden Unsicherheiten in der Weltwirtschaft, steigende Inflation, verändertes Verbraucherverhalten und die Auswirkungen von Zolltarifen auf die Importkosten der Waren machen es Kohl’s schwer, wettbewerbsfähig zu bleiben. Höhere Beschaffungskosten könnten wiederum zu höheren Verkaufspreisen führen, was gerade in einem sensiblen Preissegment wie dem Einzelhandel eine Bremse für die Nachfrage darstellt.
Angesichts der knappen Zeit bis zu den wichtigen Einkäufen für das Weihnachtsgeschäft gerät Kohl’s unter enormen Druck. Das Weihnachtsquartal zählt traditionell zu den umsatzstärksten Zeiten des Jahres und bietet eine entscheidende Gelegenheit, das Jahr mit einem positiven Ergebnis abzuschließen. Doch ohne eine klare und langfristig tragfähige Führung fällt es schwer, strategische Weichen rechtzeitig zu stellen und Investitionen zielgerichtet zu tätigen. Gerade in dieser kritischen Phase schwächt der Führungswechsel das Vertrauen von Investoren, Mitarbeitern und Kunden gleichermaßen. Experten kommentieren, dass Kohl’s vor einer der schwierigsten Aufgaben seiner Geschichte steht.
Die Suche nach einer neuen Führungskraft mit der Erfahrung, Innovationskraft und Brancheneinsicht, um die Wende schnell und wirksam herbeizuführen, wird essenziell sein. Dabei muss der neue CEO nicht nur die internen Herausforderungen meistern, sondern auch den Fokus auf die Kundenerwartungen legen, innovative Verkaufsformate und digitale Strategien vorantreiben und eine starke Unternehmenskultur fördern. Die Vorfälle rund um Buchanan haben zudem signalisiert, wie wichtig Transparenz und ethische Unternehmensführung für den langfristigen Erfolg sind. Gerade in Zeiten der Transformation muss Vertrauen die Basis des Handelns sein. Fehlverhalten auf Führungsebene kann nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch den Ruf eines Unternehmens nachhaltig schädigen und die Moral der Belegschaft beeinträchtigen.
Darüber hinaus steht Kohl’s im harten Wettbewerb mit Online-Einzelhändlern, die durch ihre hohe Flexibilität, kenntnisreicher Nutzung von Nutzer- und Verkaufsdaten sowie aggressiven Marketingmaßnahmen punkten. Der traditionelle Einzelhandel muss sich neu erfinden, um sich im Zeitalter der Digitalisierung zu behaupten. Kohl’s Chance liegt darin, seine Filialen als Erlebnisorte zu positionieren, die durch eine gelungene Omnichannel-Strategie mit der Online-Welt verknüpft sind. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist klar, dass eine stabile und verantwortungsbewusste Führung bei Kohl’s dringend erforderlich ist, um den Abwärtstrend zu stoppen. Die neuen Herausforderungen durch Führungswechsel inmitten eines geplanten Turnarounds wirken wie ein Rückschlag.
Doch wenn Kohl’s die richtigen Lehren zieht, strukturelle Schwächen behebt und eine klare Kundenzentrierung verfolgt, bestehen durchaus Chancen, die Marke wieder attraktiv zu machen und die wirtschaftliche Stabilität zurückzugewinnen. Das Unternehmen steht nun vor der Doppelherausforderung, einerseits bald einen neuen CEO zu finden, der den komplexen Wandel steuert, und andererseits das Vertrauen der Stakeholder in einer schwierigen Phase aufrechtzuerhalten. Die kommenden Monate werden zeigen, ob Kohl’s diese Krise meistern und den Neustart erfolgreich gestalten kann. Für alle Beteiligten bleibt die Hoffnung, dass der Traditionshändler seine Position im hart umkämpften US-Einzelhandel bald wieder festigen kann.