Seit der Veröffentlichung von Andy Weirs Bestseller „Der Marsianer“ im Jahr 2015 hat sich viel in der Erforschung des Mars getan – doch die Realität der Marsmissionen entspricht in einigen Aspekten nicht den damals propagierten Zukunftsphantasien. Ein Jahrzehnt nach Erscheinen des Romans und zehn Jahre vor dem fiktiv im Jahr 2035 angesiedelten Zeitrahmen lohnt es sich, die reale Marsforschung einem genauen Blick zu unterziehen und zu analysieren, was bislang erreicht wurde, welche Herausforderungen bestehen und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse den roten Planeten heute prägen. Als Planetenwissenschaftlerin mit langjähriger Zusammenarbeit mit NASA-Missionen ist der Stand der Marsforschung für mich von besonderem Interesse und ich möchte hier die bedeutendsten Entwicklungen sowie Perspektiven in der Marsforschung beschreiben. Im Fokus stehen dabei nicht nur die technischen Aspekte der Raumfahrt und der planetarischen Wissenschaft, sondern auch politische und finanzielle Rahmenbedingungen, die möglich machen oder einschränken, ob Menschen jemals auf dem Mars landen werden. Die Darstellung des Mars in „Der Marsianer“ entwirft eine Zukunft, in der Menschen bis 2035 bereits mehrmals den Planeten betreten und sichere Rückkehrsysteme etabliert haben.
Erstmals hat das Buch eine faszinierende Vision einer internationalen Zusammenarbeit im Weltraum gezeichnet, einschließlich Partnerschaften zwischen den USA und China. Allerdings hat sich das tatsächliche Vorgehen der Weltraumagenturen in den letzten Jahren eher in Richtung bemannter Missionen zum Mond und langfristigerer Vorbereitung auf den Mars verlagert. Die US-amerikanische Raumfahrtpolitik hat sich seit 2010 verändert: Das ursprüngliche Ziel, Menschen direkt in den 2030er Jahren zum Mars zu schicken, wurde nach 2017 durch die White House Space Policy Directive 1 aufgegeben. Der Fokus richtete sich auf eine Rückkehr zum Mond mit dem Artemis-Programm. Dies bedeutet, dass bemannte Marsmissionen vorerst nur begrenzt verfolgt werden, während die robotischen Erkundungen des roten Planeten an Bedeutung gewinnen und viele neue Erkenntnisse liefern.
In der Tat zeigen die letzten zehn Jahre der Marsforschung – insbesondere mit den Erfolgsmissionen der Rover Opportunity, Curiosity und Perseverance – welch enormes wandelndes Verständnis wir über den Planeten gewonnen haben. Diese Rover durchkreuzen inzwischen Millionen Kilometer, untersuchen Schichten von Sedimentgestein und liefern damit eine Art historisches Archiv über die klimatischen und geologischen Veränderungen auf dem Mars. Die datierten Schichten in den Sedimenten erlauben Rückschlüsse auf Mars’ ehemals wesentlich intensivere vulkanische Aktivität, das Vorhandensein von Gletschern, Flüssen und Seen. All diese Umweltbedingungen waren einst der auf der frühen Erde ähnlicher und potenziell lebensfreundlicher – womit der Mars heute eine Art Zeitkapsel zum frühen Sonnensystem liefert. Das Abkühlen des Marskerns, in Verbindung mit dem Schwinden des Magnetfelds, ließ seine Atmosphäre entweichen, was schließlich die lebensfeindlichen Bedingungen auf der Oberfläche hervorrief.
Allerdings sind Spuren dieser einstigen, deutlich wärmeren und feuchteren Epochen noch heute in Form von Landschaftsstrukturen und mineralogischen Zusammensetzungen sichtbar. Besonders interessant ist die Region Arabia Terra, ein Gebiet, das die Handlung von „Der Marsianer“ und der Überlebenskampf von Mark Watney maßgeblich prägt, ohne jedoch im Buch selbst besonders erwähnt zu werden. Forschungsarbeiten, die ich in den letzten Jahren zusammen mit Kolleginnen und Kollegen veröffentlichen konnte, analysieren mit Hilfe von Satellitenbildern hochauflösende Infrarotaufnahmen und Oberflächenmerkmale, um die Entstehungsgeschichte der dünnen, geschichteten Ablagerungen in dieser Region besser zu verstehen. Die Erkenntnisse weisen darauf hin, dass vor etwa 3,5 Milliarden Jahren das Klima in Arabien deutlich trockener wurde und die lose gelagerten Sedimente heute auf einen Zerfall hindeuten, da Wasser die gedrungenen Gesteinstrukturen früher zusammenhielt. Die Benennung bisher unbenannter Krater an dieser Stelle durch die Internationale Astronomische Union, darunter etwa der „Kozova-Krater“ nach einer ukrainischen Stadt, sorgt zudem für eine bessere Orientierung bei zukünftigen Missionen und Forschungsvorhaben.
Die Erforschung des Mars bleibt dennoch voller offener Fragen. Gerade im Hinblick auf das Vorhandensein organischer Stoffe hat der Rover Perseverance wichtige Proben gewonnen, die Hinweise auf kaum untersuchte, kohlenstoffhaltige Verbindungen enthalten. Diese organischen Moleküle stellen die Grundlage für Leben dar, ob Mikroben oder andere Lebensformen, aber bislang fehlen eindeutige Beweise für früheres Leben auf dem Planeten. Das künftige Mars Sample Return-Projekt, das in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA entsteht, soll noch in dieser Dekade erstmals Proben vom Mars zur Erde bringen. Dies ermöglicht detaillierte Analysen mit hochentwickelten Laborgeräten, die viel umfangreicher und präziser arbeiten können als Raumfahrtsensoren.
Derartige Untersuchungen könnten entscheidende Antworten hinsichtlich der Geschichte der Bewohnbarkeit und dem möglichen Auftreten von Leben auf dem Mars liefern. Das größte wissenschaftliche Interesse liegt dabei auf der Frage, ob der Mars einst lebensfreundliche Bedingungen bot und inwieweit Spuren von Leben heute noch erhalten sind. Dabei stehen nicht nur rein geologische und chemische Aspekte im Vordergrund, sondern auch das Verständnis planetarer Prozesse innerhalb unseres Sonnensystems und deren Vergleich mit der Erde. Mars spielt eine Rolle für die Grundlagenforschung darüber, woher wir kommen und ob das Leben im Universum verbreitet ist oder eher eine außergewöhnliche „Erde-typische“ Erscheinung bleibt. Auf technologischer Ebene haben die erdgebundenen Anwendungen vieler Marsmissionen zu enormen Innovationen geführt.
Von präziseren chirurgischen Nähten bis zu modernen autonomen Fahrzeugsystemen lieferte die Entwicklung und Erprobung robotischer Mars-Sonden Impulse für verschiedenste Branchen. Ebenso hat die erfolgreiche Robotermissionen die Stellung der USA als ein führendes Land im Bereich Raumfahrt und Technologie bestätigt und junge Menschen weltweit für MINT-Fächer begeistert. Die Idee, den Mars dauerhaft zu besiedeln, fasziniert die Öffentlichkeit und Raumfahrtenthusiasten gleichermaßen. Trotz der rhetorischen Stärke von Figuren wie Elon Musk, der durch SpaceX eine Marsbesiedelung als Ziel ausgibt, bleiben die praktischen Herausforderungen gewaltig. Die harschen Umweltbedingungen, begrenzte Ressourcen, Strahlungsgefahren und logistische Komplexität führen Experten zu skeptischen Einschätzungen zur Realisierbarkeit einer langfristigen Marskolonie in absehbarer Zeit.
Die Raumfahrtagenturen setzen daher vorerst verstärkt auf Robotik, um kosteneffiziente und wissenschaftlich lohnenswerte Erkundungen durchzuführen. Auch ökonomisch stehen Programme zur Robotererkundung auf soliderer Basis als umfangreiche bemannte Expeditionen, vor allem vor dem Hintergrund aktueller Budgetkürzungen bei der NASA und anderer Einrichtungen. Obwohl politische und finanzielle Rahmenbedingungen die Marsforschung vor große Hürden stellen, sehen wir gleichzeitig ein wachsendes Interesse internationaler Partnerschaften und ambitionierter Technologiekonzepte, die dazu beitragen könnten, die Menschheit eines Tages sicher auf den Mars zu bringen. Doch bis dahin wird der rote Planet weiterhin vor allem durch die Augen und Instrumente robotischer Stationen und Satelliten erforscht, die uns durch Daten und Bilder faszinierende Einblicke in eine fremde Welt gewähren. Die Erforschung des Mars bleibt eines der spannendsten Gebiete der planetaren Wissenschaft.
Sie verbindet das Streben nach Wissen mit technologischer Innovation und Menschheitsvisionen zugleich. Als Beobachterin aus der Forschung freue ich mich darauf, wie zukünftige Missionen die Grenzen unseres Verständnisses erweitern und uns vielleicht eines Tages wirklich auf den Mars führen werden – daran erinnern uns die Erfolge der Rover, die Detailstudien von Regionen wie Arabia Terra und die zu erwartenden Fortschritte durch den Mars Sample Return eindrucksvoll.