Die Sonne – unser lebenswichtiger Stern – ist nicht nur Quelle von Licht und Wärme, sondern auch Ursprung mächtiger und mitunter gefährlicher kosmischer Ereignisse. Solarstürme und solare Partikelstürme sind Naturphänomene, die immer wieder die Erdatmosphäre erreichen und mit hoher Energie die Umwelt beeinflussen. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse bringen jetzt eine bisher unbekannte Dimension dieser Naturereignisse ans Licht. Forscherinnen und Forscher haben das bislang stärkste jemals entdeckte Sonnenerignis identifiziert, das bereits 12.350 v.
Chr., also vor etwa 14.300 Jahren, stattfand. Dieses Ereignis war mehr als fünfzig Mal intensiver als der größte bekannte Partikelsturm der modernen Satellitenära und etwa 18 Prozent stärker als das für das Jahr 775 nach Christus dokumentierte Spitzenereignis – bis dato das intensivste Ereignis in Baumringarchiven. Die Erkenntnisse stammen aus der Anwendung eines eigens entwickelten Modells zur Analyse von Radiokohlenstoffspitzen, die durch kosmische Strahlung hervorgerufen werden und an Baumringen ablesbar sind, sowie aus Holzproben aus den französischen Alpen.
Das Forschungsprojekt wurde maßgeblich an der Universität Oulu in Finnland von der Postdoktorandin Kseniia Golubenko und Professor Ilya Usoskin geleitet und gemeinsam mit einem internationalen Expertenteam aus Frankreich, der Schweiz und weiteren Ländern realisiert. Das verwendete Modell namens SOCOL:14C-Ex ist ein speziell entwickeltes Chemie-Klimamodell, das es ermöglicht, solare Partikelstürme auch unter klimatischen Bedingungen der letzten Eiszeit verlässlich zu rekonstruieren. Durch das neue Modell konnten Forscherinnen und Forscher erstmals solche Ereignisse außerhalb des gegenwärtigen, wärmeren Erdzeitalters – dem Holozän – bewerten. Solarpartikelstürme und die Radiokohlenstoffmethode Die Wissenschaft nutzt seit Jahrzehnten die Analyse von Radiokohlenstoff (14C) in Baumringen, um historische Ereignisse exakt datieren zu können. Diese Methode beruht darauf, dass hochenergetische Teilchen aus dem Weltall die Erdatmosphäre bombardieren und dabei vermehrt Isotope wie Radiokohlenstoff erzeugen.
In seltenen, aber extrem intensiven Perioden, den sogenannten Miyake-Ereignissen, treten deutliche Spitzen dieser Isotope auf. Benannt sind diese Ereignisse nach der japanischen Forscherin Fusa Miyake, die erstmals diese markanten Radiokohlenstoffsprünge in Baumringen dokumentierte. Solche Daten liefern einen präzisen chronologischen Marker, der in der Archäologie verwendet wird, um Zeitskalen von prähistorischen Kulturen genau zu bestimmen. Beispiele sind exakte Datierungen von Wikingersiedlungen in Neufundland oder neolithischen Gemeinschaften in Griechenland. Doch die Analyse von solarer Aktivität in Zeiten vor dem Holozän, also vor mehr als 12.
000 Jahren, war bisher wegen fehlender geeigneter Modelle nicht möglich. Das neue SOCOL:14C-Ex-Modell schließt diese Lücke und erlaubt eine Beurteilung extremer Sonnenereignisse selbst unter den damals herrschenden, kalten und wechselhaften Bedingungen der späten Eiszeit. Mit ihm wurden erstmals Radiokohlenstoffspitzen aus der Zeit um 12.350 v. Chr.
angemessen interpretiert. Das Sonnenereignis von 12.350 v. Chr. – eine gewaltige kosmische Explosion Die Studie zeigt, dass der solare Partikelsturm vor 14.
300 Jahren nicht nur ein seltenes Ereignis war, sondern in Bezug auf seine Stärke und seine potenziellen Auswirkungen völlig neue Maßstäbe setzt. Während moderne Sonnenstürme wie etwa die 2005 beobachtete auf Satellitenmessungen basieren und vergleichsweise moderat sind, war das Eiszeitevent mehrere Hundert Mal kräftiger. Dabei wurde unsere Erde von einer gigantischen Wolke aus hochenergetischen Partikeln getroffen, die das Magnetfeld massiv beanspruchte und die Atmosphäre regelrecht bombardierte. Solche Ereignisse sind zwar selten, aber ihre Kenntnis ist von enormer Bedeutung. Denn sie hinterlassen nicht nur messbare Spuren im Radiokohlenstoff, sondern können in der heutigen technologisch abhängigen Gesellschaft katastrophale Schäden anrichten.
Netzwerke von Satelliten, Kommunikationssystemen, Stromnetzen und weiteren kritischen Infrastrukturen könnten durch extreme Sonnenstürme stark beeinträchtigt werden. Das von Golubenko und Usoskin beschriebene Ereignis markiert einen Worst-Case im Spektrum bekannter Sonnenaktivität. Erweiterung der historischen Datenbanken und neue Grenzen der Forschung Vor dem Jahr 12.350 v. Chr.
sind bereits weitere größere Sonnenpartikelstürme bekannt, etwa aus den Jahren 994 n. Chr., 663 v. Chr. oder 5.
259 v. Chr., die jedoch deutlich schwächer ausfielen als das neue Spitzenereignis. Diese Erkenntnisse basieren ebenfalls auf Radiokohlenstoffdaten aus Baumringen und anderen geologischen Archiven. Durch die Validierung und Anwendung des neuen Modells können Wissenschaftler:innen nun den gesamten Zeitraum der letzten Eiszeit besser erforschen und so das Verständnis der Sonnenaktivität über etliche Jahrtausende deutlich erweitern.
Gleichzeitig bringt die Forschung wichtige Erkenntnisse zur Klimageschichte und deren Wechselwirkung mit kosmischer Strahlung, denn das Verhalten der Atmosphäre und ihre chemische Zusammensetzung unter klirrender Kälte ist anders als in wärmeren Perioden. Die Fähigkeit, diese Bedingungen zu simulieren, ist ein großer Schritt vorwärts in der historischen Sonnenphysik. Praktische Relevanz und Risiken für die Gegenwart Die Erkenntnis eines solch extremen Ereignisses 14.300 Jahre vor heute wirft auch Fragen für die gegenwärtige und zukünftige Sicherheit auf. Die Erde ist heutzutage technologisch hochkomplex vernetzt und anfällig für elektromagnetische Störungen.
Große solare Ausbrüche können Stromnetze lahmlegen, Satelliten funktionsunfähig machen und Kommunikationssysteme unterbrechen. Das Wissen um die maximale Stärke solcher Ereignisse hilft, Schutzmaßnahmen zu entwickeln und kritische Infrastrukturen zu sichern. Außerdem liefern diese Studien wertvolle Daten für die Sonnenphysik und das Verständnis dynamischer Prozesse in unserem Stern. Sie unterstützen die Entwicklung solarterrestrischer Modelle, die auch die Wechselwirkungen mit dem Magnetfeld und der Atmosphäre der Erde besser erfassen können. So werden sowohl die Wissenschaft als auch Technik und Zivilschutz erheblich vorangebracht.
Fazit Die Entdeckung des stärksten bekannten solaren Partikelsturms in der späten Eiszeit bei 12.350 v. Chr. ist ein Meilenstein in der Erforschung der Sonnenaktivität und ihrer Auswirkungen auf die Erde. Sie stellt nicht nur eine neue wissenschaftliche Referenz dar, sondern erweitert die bisherigen Grenzen der Dekodierung antiker Radiokohlenstoffdaten.
Das neue Modell SOCOL:14C-Ex ermöglicht eine genauere Darstellung der solaren Ereignisse selbst unter extremen klimatischen Bedingungen der Vergangenheit. Die Forschung verdeutlicht eindrucksvoll, wie wichtig das Verständnis der Sonne und ihrer Aktivitäten für die Bewertung von Risiken in unserer technologisierten Welt ist und bietet zugleich Einblicke in den kosmischen Zusammenhang von Erdgeschichte, Klima und Solareinwirkungen. Angesichts der potenziell katastrophalen Folgen extremer Sonnenstürme wird die fortgesetzte Forschung auf diesem Gebiet weiterhin von großer Bedeutung sein, sowohl für die Naturwissenschaften als auch für die Sicherheit moderner Gesellschaften.