Alphabet Inc., das Mutterunternehmen von Google, gilt als eine der dominierenden Kräfte im Bereich der digitalen Technologien und Online-Werbung. Die Aktie des Konzerns ist traditionell ein Favorit bei Investoren, die auf nachhaltiges Wachstum und Innovation setzen. Dennoch steht Alphabet derzeit vor einer potenziellen Herausforderung, die als sogenanntes „Black Swan“-Ereignis bezeichnet wird – ein unerwartetes, seltenes und potenziell folgenschweres Ereignis, das den Aktienkurs stark beeinträchtigen könnte. Barclays, eine führende Investmentbank, hat kürzlich in einer Analyse darauf hingewiesen, dass die Alphabet Aktie um bis zu 25 Prozent fallen könnte, sollte das Unternehmen rechtlich dazu gezwungen werden, den Browser Google Chrome abzustoßen.
Diese Entwicklung wäre nicht nur ein Schock für Investoren, sondern hätte weitreichende Auswirkungen auf den Technologiesektor insgesamt. Die aktuellen Umstände im Kontext des laufenden Antitrust-Verfahrens gegen Google geben Anlass, diese Szenarien näher zu betrachten und daraus die möglichen Konsequenzen abzuleiten. Im Kern des Falls steht der Vorwurf, dass Alphabet eine Monopolstellung im Markt für Online-Suche und Suchmaschinenwerbung innehat und diese zu wettbewerbsbeschränkenden Zwecken ausnutzt. Bereits im letzten Jahr urteilte ein Bundesgericht zugunsten dieser Einschätzung. Der gegenwärtige Prozess soll nun klären, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um den Wettbewerb wieder zu gewährleisten.
Dabei werden verschiedene Abhilfemaßnahmen diskutiert – von der Lizenzierung von Technologie über die Anpassung von Werbeverträgen bis hin zur radikaleren Forderung einer Abspaltung von bedeutenden Geschäftsbereichen wie Google Chrome. Google Chrome ist mit rund vier Milliarden Nutzern weltweit der führende Webbrowser. Seine Bedeutung für das Suchgeschäft von Alphabet ist immens, da etwa 35 Prozent der Suchumsätze direkt auf die Nutzung dieses Browsers zurückzuführen sind. In einem Szenario, in dem Alphabet gezwungen wäre, Chrome an einen Konkurrenten wie Microsoft oder ein anderes großes Technologieunternehmen abzugeben, wären die finanziellen Folgen erheblich. Barclays schätzt, dass sich in einem solchen Fall der Gewinn pro Aktie von Alphabet um mehr als 30 Prozent reduzieren könnte, was sich unmittelbar negativ auf die Bewertung der Aktie auswirken würde.
Diese Annahme berücksichtigt die wegfallenden Einnahmen aus der Suchwerbung innerhalb von Chrome sowie die Auswirkungen auf die Nutzerbasis und das damit verbundene Werbeökosystem. Die Aussicht auf eine solche Maßnahme, obwohl von Experten als eher unwahrscheinlich eingeschätzt, wird von Barclays als ein erhöhtes Risiko bewertet. Insbesondere trägt die Haltung des Richters im Verfahren zu dieser Einschätzung bei – seine Äußerungen deuteten an, dass eine Abspaltung von Chrome als eine eher saubere und effektive Lösung angesehen wird. Dies hat auf dem Kapitalmarkt für Verwunderung gesorgt, denn bislang hatten Investoren dieses Szenario kaum in ihren Erwartungen berücksichtigt. Weitere potenzielle Käufer von Google Chrome könnten neben Microsoft auch interessante Newcomer oder Innovationsführer im Tech-Sektor sein, darunter Unternehmen wie OpenAI.
Letztere haben bereits Interesse bekundet, sollte Chrome zum Verkauf stehen. Ein Eigentümerwechsel bei Chrome könnte bedeuten, dass sich das Browser-Ökosystem und die Suchlandschaft fundamental verändern. Neben dem Extremszenario der Chrome-Abspaltung gibt es weitere mögliche gerichtliche Auflagen, die Alphabet spürbar treffen könnten, aber weniger gravierend wären. Eine davon wäre die verpflichtende Lizenzvergabe der Google-Suchindex-Technologie an Wettbewerber. Dieses Modell würde Konkurrenten von Google erlauben, die Indexdaten zu nutzen, könnte aber die Besonderheit und Wettbewerbsvorteile im Suchgeschäft verringern.
Barclays prognostiziert, dass eine solche Maßnahme einen Gewinnrückgang von etwa 10 bis 15 Prozent pro Aktie verursachen könnte, mit einer entsprechenden negativen Auswirkung auf die Aktienbewertung von rund 5 bis 10 Prozent. Eine weitere zu diskutierende Maßnahme ist die sogenannte „phased roll-off“ der Traffic Acquisition Contracts (TACs). Dabei handelt es sich um vertragliche Zahlungen, die Google an Drittparteien leistet, um Traffic auf seine Suchplattform zu lenken. Wenn das Gericht Alphabet dazu verpflichtet, diese Verträge schrittweise abzubauen, könnte dies den Traffic und somit die Einnahmen aus Suchanzeigen in einem signifikanten Maße reduzieren. Barclays bewertet den möglichen Rückgang von EPS durch diese Maßnahme auf etwa 10 bis 20 Prozent, was einen möglichen Kursrückgang von 5 bis 10 Prozent nach sich ziehen würde.
Aus der Perspektive der Unternehmensbewertung ist die mögliche Divestitur von Google Chrome zweifellos das folgenreichste Szenario. Als weltweit meistgenutzter Browser ist Chrome für den Traffic und die Werbeeinnahmen von Google unerlässlich. Die enge Verzahnung von Chrome mit der Suchfunktion ermöglicht eine beherrschende Marktdominanz, die das Wettbewerbsrecht nun infrage stellt. Sollte eine Abspaltung erfolgen, müsste Alphabet nicht nur Umsatzverluste hinnehmen, sondern auch eine strategische Neuausrichtung seiner Geschäftsmodelle und Marktpositionierung einleiten. Für Aktionäre bedeutet dies Unsicherheit und potenziell deutliche Kursverluste.
Gleichzeitig ergeben sich daraus auch Chancen für Wettbewerber, die durch den Erwerb von Chrome ihre Marktposition stärken könnten und dadurch den Wettbewerb im Browser- und Suchmarkt beleben würden. Ein solcher Wandel könnte langfristig zu Innovationen führen und Nutzer dazu veranlassen, Anbieterangebote intensiver zu vergleichen oder neue Dienste zu nutzen. Trotz der Risiken gibt es auch Gründe, die das Eintrittswahrscheinlichkeitsszenario abschwächen. Die Komplexität einer solchen Transaktion ist immens, da es zahlreiche regulatorische, technische und strategische Aspekte zu berücksichtigen gilt. Zudem besteht für Alphabet ein hoher Anreiz, alternative Lösungen anzustreben, die den Wettbewerb fördern, ohne das Kerngeschäft zu zerschlagen.
Sollte das Gericht also andere Mittel bevorzugen, könnten die negativen Auswirkungen auf die Aktie geringer ausfallen und das Unternehmen könnte geordneter reagieren. Die Erwartungen der Anleger sind bislang weniger auf die drastischste Option eingestellt, was bei einer plötzlichen Entscheidung zu starken Marktreaktionen führen könnte. Analysten empfehlen daher, die Entwicklung in den kommenden Monaten intensiv zu verfolgen und die potenziellen Auswirkungen auf die Alphabet Aktie genau abzuwägen. Für Anleger bietet sich aktuell an, das Portfolio auf mögliche Volatilitäten einzustellen und die allgemeinen Trends im Technologiesektor im Blick zu behalten. Neben den juristischen Fragen bleibt Alphabet weiterhin ein Innovationstreiber mit starkem Wachstumspotenzial in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und digitaler Werbung.