Die europäische Automobilbranche befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, der von technologischen Innovationen, sich verändernden Kundenpräferenzen und strengen regulatorischen Anforderungen geprägt ist. Inmitten dieser Herausforderungen haben die Konzernführer von Renault und Stellantis – dem Eigentümer von Citroën – eine deutliche Warnung an die Europäische Union gerichtet. Sie fordern eine Neuausrichtung der Vorschriften speziell für Kleinwagen, da die derzeit geltenden Regulierungen aus ihrer Sicht auf größere, teurere Fahrzeuge zugeschnitten sind und daher die Produktion kleinerer, erschwinglicher Autos erschweren. Ohne eine Änderung dieser „eindimensionalen“ Regeln könnten schmerzhafte Entscheidungen für die europäischen Fabriken der beiden Hersteller drohen.Luca de Meo, CEO von Renault, und John Elkann, Vorsitzender von Stellantis, äußerten in einem gemeinsamen Interview mit der französischen Zeitung Le Figaro ihre Befürchtungen, dass die aktuelle Gesetzgebung die Wettbewerbsfähigkeit kleiner Fahrzeuge in Europa stark einschränkt.
Während SUVs weiterhin an Popularität gewinnen, werde der Fokus auf erschwingliche Kleinwagen immer wichtiger – gerade im Hinblick auf den breiten Mittelstand, der preisgünstige Mobilitätslösungen benötigt. De Meo kritisierte, dass europäische Vorschriften in erster Linie auf schwerere und komplexere Modelle ausgelegt seien und die Profitabilität von Kleinwagen untergraben würden. Dabei betonte er, dass kleinere Autos nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit seien, sondern auch umweltpolitisch eine wichtige Rolle spielen sollten.Die Forderung nach einer differenzierten Regulierung ist nicht neu in der europäischen Automobilwelt, doch sie erhält durch die jüngsten Marktentwicklungen neue Dringlichkeit. De Meo verwies dabei auf das Beispiel Japans mit seiner sogenannten „Kei Klasse“ – kleinen, leichten Automobilen, die aufgrund steuerlicher Vorteile und anderer Erleichterungen stark nachgefragt werden und zu einem nachhaltigen Verkehrsmodell beitragen.
Europa hingegen habe in den letzten zwei Jahrzehnten durch seine einheitlichen, eher konservativen Regulierungen ein Produktportfolio geschaffen, das zunehmend größer, schwerer und teurer werde. Das schlüssele die breite Kundschaft aus, vor allem jene, die sich leistungsstarke SUVs oder Luxusfahrzeuge nicht leisten können.Elkann unterstrich die dramatische Situation auf dem europäischen Automarkt, der sich in den letzten Monaten deutlich abgeschwächt hat. Konkret bezeichnete er die aktuellen Verkaufszahlen als „katastrophal“ und warnte, dass die anhaltenden regulatorischen Hürden und steigende Kosten zu einer Reduzierung der Produktionskapazitäten führen könnten. Er deutete an, dass Stellantis gezwungen sein könnte, binnen der nächsten drei Jahre weitreichende Entscheidungen zu treffen, um die Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Dies könnte unter anderem Werksschließungen oder Standortverlagerungen bedeuten, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze gefährdet wären. Diese Warnung illustriert die ernste Lage vieler Hersteller in einer Branche, die durch die Energiewende und den Umstieg auf Elektromobilität ohnehin unter enormem Druck steht.Die Forderung nach einer Neuorientierung seitens der EU ist auch aus wirtschaftspolitischer Perspektive von hoher Relevanz. Bereits jetzt kämpft die europäische Automobilindustrie mit rückläufigen Absatzmärkten – unter anderem zeigt sich dies an drastisch gesunkenen Verkaufszahlen in Großbritannien. Im April 2025 verzeichnete der britische Markt laut aktuellen Daten einen Rückgang von über zehn Prozent, wobei insbesondere Hersteller wie Tesla mit einem Minus von 62 Prozent zu kämpfen hatten.
Diese Entwicklung spiegelt die allgemeine Zurückhaltung der Verbraucher wider, die durch wirtschaftliche Unsicherheiten und steigende Steuerbelastungen geprägt ist. Auch andere Hersteller wie Ford geben Gewinnwarnungen heraus, beeinflusst etwa durch Zölle auf Importgüter aus Nordamerika.Von europäischer Seite stellt sich daher die Frage, wie sich der Automobilstandort langfristig sichern lässt. Eine streng einheitliche Regulierung, die kleineren Fahrzeugmodellen das Überleben erschwert, könnte das Gegenteil bewirken. Kleinwagen sind für viele Verbraucher das Einfallstor zur Elektromobilität und damit ein wichtiger Bestandteil der Verkehrswende.
Ohne spezielle Erleichterungen ist nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit in Europa gefährdet, sondern auch das Ziel, den CO2-Ausstoß im Verkehrssektor deutlich zu verringern.Renault und Stellantis fungieren hier als Sprachrohr einer Branche, die einen pragmatischen und differenzierten Ansatz in der Regulierung verlangt. Kleinwagen benötigen andere Anreize und technische Vorgaben als große, exportorientierte Premiumfahrzeuge. Insbesondere Hersteller aus dem Premiumsegment, so meldet de Meo, orientieren sich stärker an Exportmärkten und können deshalb trotz hoher Kosten und komplexer Regulationsvorgaben ihre Geschäftsfelder international ausrichten. Für Volumenhersteller dagegen zählt jede Kosteneffizienz, um insbesondere preisbewusste europäische Kunden zu erreichen.
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen liegt die Zukunft europäischer Kleinwagen damit am Scheideweg. Sollten die aktuellen Vorgaben beibehalten werden, droht nicht nur ein Verlust an Produkthoffnung für viele Kunden, sondern auch eine Schwächung der industriellen Basis des Kontinents. Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau könnten die Folge sein – mit weitreichenden sozialen und ökonomischen Konsequenzen.Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Renault und Stellantis ein eindringliches Signal an die EU senden: Die Regulierung für Kleinwagen muss den realen Marktbedingungen angepasst werden, damit erschwingliche und umweltfreundliche Fahrzeuge weiterhin angeboten und produziert werden können. Ohne solche Anpassungen steht der Automobilstandort Europa vor erheblichen Herausforderungen, die weit über die Industrie hinausgehen und Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Verbraucherwahl und den Klimaschutz haben werden.
Ein Umdenken in Brüssel erscheint daher dringend notwendig, um die Mobilität von morgen auf eine nachhaltige und sozial ausgewogene Basis zu stellen – mit Kleinwagen, die wieder bezahlbar und attraktiv sind.