Die Welt der Finanztechnologie befindet sich im Umbruch, geprägt von einem dynamischen Wettstreit zwischen Stablecoins und tokenisierten Einlagen, die zunehmend den Weg in die Zukunft des Zahlungsverkehrs ebnen. Beide Finanzinstrumente tragen die Vision in sich, traditionelles Geld auf Blockchain-Basis abzubilden, und versprechen eine neue Ära von schnellen, kostengünstigen und programmierbaren Transaktionen. Doch ihr „leiser Kampf“ zeigt sich in den fundamentalen Unterschieden ihrer Funktionsweisen, regulatorischen Rahmenbedingungen und der Akzeptanz in der Finanzwelt. Inmitten der digitalen Revolution stehen die Fragen im Raum: Welche Rolle werden Stablecoins und tokenisierte Einlagen in Zukunft spielen? Wer wird das Sagen über die Architektur des digitalen Geldes haben? Und welche Auswirkungen ergeben sich aus den bestehenden Divergenzen in den Rechtsordnungen? Um diese Fragen zu beantworten, ist ein tiefer Blick in die Eigenschaften, Chancen und Herausforderungen beider Instrumente notwendig. Zunächst einmal sind sowohl Stablecoins als auch tokenisierte Einlagen digitale Repräsentationen von Geldwerten, die auf Blockchain-Technologie basieren.
Während Stablecoins von Nichtbanken ausgegeben werden – Unternehmen wie Tether, Circle oder PayPal sind prominente Beispiele –, entstehen tokenisierte Einlagen direkt bei regulierten Banken. Diese Aussage markiert bereits einen entscheidenden Unterschied in der Vertrauens- und Regulierungshaltung. Stablecoins funktionieren oft auf öffentlichen, offenen Blockchains, wodurch ein weltweiter Zugang möglich wird. Die Reserven, die den Stablecoins zugrunde liegen, umfassen häufig kurzlaufende Staatsanleihen und andere liquide Vermögenswerte, wobei Transparenz und Marktvertrauen maßgeblich für ihre Stabilität sind. Dagegen sind tokenisierte Einlagen regulierte Kundeneinlagen, die durch Blockchain-Technologie tokenisiert und durch bestehende Bankinfrastrukturen mit Einlagensicherung abgesichert sind.
Dadurch bieten sie eine engere Verzahnung mit dem konventionellen Finanzsystem und profitieren von der staatlichen Einlagensicherung und regulatorischen Aufsicht. Die regulatorische Landschaft gestaltet sich dabei unterschiedlich, wie ein Blick auf aktuelle Entwicklungen in den USA und Singapur zeigt. In den Vereinigten Staaten hat der Senat jüngst das GENIUS-Gesetz vorangebracht, um dem enormen Umfang dollarbasierter Stablecoins wie USDT und USDC Rechnung zu tragen. Ziel ist es, eine strengere Kontrolle durch getrennte Staatsanleihereserven und Insolvenzschutzmechanismen einzuführen. Gleichzeitig bleibt jedoch der Verzicht auf eine vollständige Einlagensicherung von Bankeinlagen charakteristisch.
Singapur wählt einen anderen Weg, indem es die Entwicklung tokenisierter Einlagen aktiv fördert. Die Monetary Authority of Singapore hat ihr Pilotprojekt 'Project Guardian' mit großen Banken wie DBS, HSBC und Standard Chartered ausgeweitet. Das Programm erlaubt die Ausgabe von On-Chain-Deposits innerhalb des traditionellen Bankensystems, um beispielsweise den Devisenhandel und Repo-Geschäfte zu digitalisieren. Diese Unterschiede illustrieren die globale Uneinheitlichkeit der Regulierungsansätze und werfen Fragen nach der künftigen Dominanz und Standardsetzung im digitalen Zahlungsraum auf. Die praktische Anwendung dieser Technologien ist bereits im Hier und Jetzt spürbar.
J.P. Morgans gestaltete Plattform Kinexys hat eine kumulierte Abwicklungssumme von über 1,5 Billionen US-Dollar überschritten und etabliert tokenisierte Finanzprodukte wie Treasury-ETFs. Obwohl dieses Projekt ursprünglich bankintern gestartet wurde, sind Erweiterungen geplant, um das System für weitere Finanzinstitutionen zugänglich zu machen. Citi geht mit seinem Regulated Liability Network einen ähnlichen Weg und ermöglicht Unternehmen, grenzüberschreitend Liquidität ohne das SWIFT-Netzwerk zu transferieren.
Parallel dazu setzt Circle mit dem USDC-Krypto-Stablecoin auf Multi-Chain-Netzwerke, die grenzüberschreitende und mehrwährungsfähige Zahlungen auf Blockchains wie Solana und Stellar gestatten. Der enorme Einfluss von Stablecoins zeigt sich auch in der breiten Verwendung für internationale Überweisungen, Liquiditätsmanagement und Handelsfinanzierungen. Ökonomisch betrachtet profitieren beide Modelle langfristig von unterschiedlichen Mechanismen. Stablecoin-Anbieter erzielen Einnahmen primär durch die Verbriefung von Zinsdifferenzen zwischen den bei den Reserven gehaltenen Staatsanleihen und der Nullverzinsung gegenüber dem Stablecoin-Nutzer. So berichtete Tether beispielsweise für das Jahr 2024 über Gewinne von über 5 Milliarden US-Dollar.
Banken, die tokenisierte Einlagen ausgeben, schaffen Mehrwert, indem sie diese Depositen direkt in programmierbare Arbeitsabläufe integrieren. Das Ergebnis sind effizientere Abwicklungen, verbesserte Compliance und vereinfachte regulatorische Einhaltung. Finanztreuhänder und Unternehmen tendieren bereits dazu, tokenisierte Einlagen für innerbankliche Liquiditätsflüsse zu verwenden, während Stablecoins häufig für Überweisungen außerhalb der regulären Geschäftszeiten und in Märkten mit eingeschränktem Zugang wie Argentinien Anwendung finden. Dennoch sind Herausforderungen nicht von der Hand zu weisen. Tokenisierte Einlagen könnten aufgrund fehlender Standardisierung und proprietärer Netzwerke verschiedener Banken eine Fragmentierung des Marktes bewirken.
Diese Isolation erschwert die Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen, was den breiten Einsatz limitieren kann. Stablecoins wiederum kämpfen mit regulatorischen Unsicherheiten, wie die temporäre Entkopplung von USDC im Zuge der Silicon Valley Bank-Krise 2023 verdeutlichte. Darüber hinaus könnte die Einstufung durch Aufsichtsbehörden wie der US Securities and Exchange Commission als unregistrierte Geldmarktfonds die künftige Ausgabe und Nutzung erschweren. Auf der Bankenseite besteht zudem die Gefahr, dass hohe Kapitalanforderungen unter Basel III die Bereitschaft zur Ausgabe tokenisierter Einlagen dämpfen. Im Kontext der Marktrentabilität könnten sinkende Staatsanleiherenditen das Geschäftsmodell der Stablecoins erheblich unter Druck setzen.
Ein Lichtblick für die Koexistenz beider Welten bieten internationale Initiativen wie das von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich geleitete Projekt Agorá. Dieses großangelegte Unterfangen bindet über 40 Institutionen und sieben Zentralbanken ein, mit dem Ziel, eine einheitliche digitale Infrastruktur zu schaffen, die die Interoperabilität zwischen tokenisierten Einlagen, Stablecoins und Zentralbankdigitalwährungen (CBDCs) ermöglicht. Erste Pilotprojekte werden für Anfang 2026 erwartet. Parallel dazu öffnen Großakteure wie J.P.
Morgan ihre digitalen Lösungen, etwa Kinexys, für Dritte und Circle drängt darauf, Stablecoins als Baräquivalente in regulierten Bankensystemen anzuerkennen. Damit steht die Bühne für einen Wettbewerb, der nicht nur Innovation, sondern auch Skalierung, Vertrauen und regulatorische Integration umfasst. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Stablecoins und tokenisierte Einlagen nicht nur als instrumentelle Konkurrenten zu sehen sind, sondern vielmehr als unterschiedliche Visionen für das digitale Geld der Zukunft. Während Stablecoins mit Offenheit, globaler Zugänglichkeit und Liquidität punkten, setzen tokenisierte Einlagen auf Vertrauen, Sicherheit und regulatorische Konformität. Ihre parallele Entwicklung spiegelt einen hybriden Finanzraum wider, in dem beide Modelle vermutlich nebeneinander existieren werden.
Doch die Machtfrage bleibt offen: Wer wird das Rückgrat der programmierbaren Finanzarchitektur kontrollieren? Es ist letztlich die Regulierung, die Infrastruktur und die technologische Innovation, die über die künftige Verteilung der Einflussbereiche entscheiden werden. Die Zukunft des Geldes ist eine stille, zugleich jedoch hochspannende Auseinandersetzung, die jeden Finanzteilnehmer betrifft und die Art und Weise, wie Werte global bewegt werden, tiefgreifend verändern wird.