Shein, der bekannte chinesisch gegründete Online-Modehändler, der für seine preisgünstigen und schnell wechselnden Kollektionen berühmt ist, bereitet sich einem exklusiven Reuters-Bericht zufolge auf eine bedeutende Expansion in Vietnam vor. Die Anmietung eines riesigen Logistiklagers bei Ho-Chi-Minh-Stadt soll die Rolle Vietnams in der globalen Lieferkette von Shein festigen und vor allem als strategisches Mittel gegen die Unsicherheiten und Risiken der anhaltenden Handelskonflikte zwischen den USA und China dienen. Diese Maßnahme unterstreicht den entschlossenen Schritt des Unternehmens, seine Produktions- und Lagerstrukturen zu diversifizieren, um nicht von den geopolitischen Unwägbarkeiten abhängig zu bleiben und somit die Geschäftstätigkeit nachhaltig zu sichern. Das neu geplante Lager verfügt über eine Fläche von nahezu 15 Hektar, was ungefähr 26 Fußballfeldern entspricht. Diese immense Kapazität deutet darauf hin, dass Shein nicht nur eine temporäre Lösung sucht, sondern langfristig auf eine große logistische Infrastruktur in Vietnam setzt.
Der Standort nahe Ho-Chi-Minh-Stadt ist dabei nicht zufällig gewählt. Die Stadt ist das wirtschaftliche und kommerzielle Herz Vietnams, verfügt über den größten Hafen des Landes und einen internationalen Flughafen, was schnelle und effiziente Exportmöglichkeiten insbesondere in Richtung USA gewährleistet. Die Nähe zu den wichtigsten Transportwegen erlaubt Shein, den Warenfluss optimal zu steuern und so Lieferzeiten zu verkürzen sowie Kosten zu senken. Shein ist im Online-Schnellmode-Segment ein Gigant, bekannt für extrem günstige Preisangebote wie Radlerhosen für fünf Dollar oder Sommerkleider für 18 Dollar. Das Unternehmen stützt sich traditionell stark auf chinesische Produzenten und Zulieferer, die hauptsächlich die Fertigung übernehmen.
In den letzten Jahren jedoch hat die angespannte Handelssituation zwischen den USA und China das Geschäftsmodell zunehmend belastet. Strafzölle sollten ursprünglich den Handel mit China in den USA einschränken, doch multinationale Händler wie Shein sehen sich mit direkten Konsequenzen in ihren Lieferketten konfrontiert. Die Gefahr steigt, dass durch Eskalationen der Zölle oder Handelsbeschränkungen Produktionskosten steigen oder Waren nicht mehr wie gewohnt in die Zielmärkte geliefert werden können. Viele Unternehmen reagierten darauf bereits mit einer Verlagerung von Produktionsstätten oder Logistikzentren außerhalb Chinas. Vietnam gilt hierbei zunehmend als attraktiver Standort.
Das Land lockt mit niedrigeren Lohnkosten, wachsender industrieller Infrastruktur und einer strategisch günstigen Position im asiatisch-pazifischen Raum. Zudem versucht Vietnam, durch eigene Zoll- und Handelsregelungen den internationalen Handel zu fördern, wenngleich das Land aktuell auch strenger gegen Manipulationen im Handelsverkehr mit China vorgeht. Die USA haben Vietnam mehrfach davor gewarnt, chinesische Ware illegal über Umwege einzuführen, um US-Zölle zu umgehen. Dies führt zu einer verstärkten Kontrolle und Regulierung, was Shein und andere Händler in Vietnam vor Herausforderungen stellt, aber auch zu mehr Transparenz. Neben der Logistik in Vietnam wird spekuliert, dass Shein auch darüber nachdenkt, die Produktion teilweise in andere Länder zu diversifizieren.
Berichte erwähnen explizit Länder wie die Türkei und Brasilien, die ebenfalls als Produktionsstandorte an Attraktivität gewonnen haben. Die Vermeidungsstrategie zeigt, wie wichtig es für Shein ist, die Produktionsbasis nicht zu sehr auf ein einzelnes Land oder eine Region zu konzentrieren. Die globale Verteilung verringert das Risiko von Unterbrechungen und Handelshemmnissen. Dadurch kann Shein schneller auf Marktveränderungen und geopolitische Entwicklungen reagieren. Für den vietnamesischen Markt ist die Investition von Shein ein bedeutender Impuls.
Die Ansiedlung eines derart großen Lagers und die wachsende Zahl von Fertigungsbetrieben stärken die lokale Wirtschaft, schaffen Arbeitsplätze und fördern den technologischen Fortschritt im Textil- und Logistiksektor. Das Land profitiert nicht nur von den Investitionen selbst, sondern auch von der Modernisierung der Infrastruktur, die durch internationale Konzerne wie Shein weiterhin vorangetrieben wird. Aus Sicht von Branchenexperten unterstreicht der Schritt von Shein die Dringlichkeit, sich international besser abzusichern. Manish Kapoor, CEO einer auf E-Commerce-Lieferketten spezialisierten Firma, betont, dass eine Konzentration auf China angesichts der heutigen geopolitischen Risiken als gefährlich gilt. Die Diversifikation der Lieferanten und Logistikstandorte ist unerlässlich, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und wirtschaftliche Stabilität zu bewahren.
Sheins geplantes Lager in Vietnam ist zudem ein Zeichen der Anpassung an neue Markt- und Regulierungsbedingungen. Auf der einen Seite muss das Unternehmen dem Druck von US-Strafzöllen entgegenwirken, auf der anderen Seite berücksichtigt es die zunehmende Handelskontrolle durch Vietnam selbst. Es bleibt jedoch unklar, inwieweit Shein auf künftige Deeskalationen in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China reagieren wird. Die flexible Handhabung der Lager- und Produktionsstruktur wird für den Konzern in den kommenden Jahren entscheidend sein. Zudem spiegelt das Vorhaben wider, wie wichtig es im globalisierten Markt ist, die Lieferketten resilient und anpassungsfähig zu gestalten.
Die Corona-Pandemie und die nachfolgenden wirtschaftlichen und politischen Umwälzungen haben gezeigt, dass nicht nur schnelle Trendmode entscheidend ist, sondern auch stabile und gut geplante Handels- und Logistiknetzwerke. Für Shein ist die Einrichtung eines großen Drehscheibenlagers in Vietnam ein Schritt, der diese Herausforderungen aktiv adressiert. Shein ist außerdem für einen geplanten Börsengang in London im Gespräch, was die Notwendigkeit unterstreicht, den Geschäftsbetrieb nachhaltig aufzustellen und auch Investoren Sicherheit zu bieten. Ein diversifizierter und robuster Standortmix ist ein klarer Wettbewerbsvorteil, der Wachstumsperspektiven und Vertrauen im internationalen Handel fördert. Abschließend lässt sich sagen, dass Sheins Entscheidung, in Vietnam ein großes Lager aufzubauen, eine klare Antwort auf das dynamische und herausfordernde Umfeld symbolisiert, in dem globale Modehändler heute agieren.
Der Schritt stärkt die Rolle Vietnams als wichtigen Akteur im globalen Supply-Chain-Ökosystem, spiegelt die komplexen geopolitischen Rahmenbedingungen wider und zeigt, dass Unternehmen der schnellen Modebranche zunehmend strategisch und langfristig planen müssen, um in einem globalisierten und oft unberechenbaren Marktumfeld erfolgreich zu bleiben.