Im Juni 2025 wurde ein einschneidendes Ereignis in der digitalen Landschaft Russlands vollzogen, das die freie Internetnutzung für die breite Bevölkerung grundlegend veränderte. Die russische Regulierungsbehörde RosKomNadzor hat den Zugang zum sogenannten „außerhalb“ liegenden Internet faktisch blockiert und den Aufbau eines abgeschotteten eigenen Netzes vorangetrieben, das unter dem spöttischen Namen „Cheburnet“ bekannt wurde. Diese Entwicklung markiert eine tiefgreifende Isolation Russlands im Digitalraum und wirft bedeutende Fragen bezüglich Informationsfreiheit, wirtschaftlicher Entwicklung und sozialer Teilhabe auf. Die Gründe für diese strengen Maßnahmen sind vielschichtig. Zum einen stellt die Regierung das Argument der nationalen Sicherheit in den Vordergrund und sieht im uneingeschränkten Zugriff auf das weltweite Internet eine potenzielle Gefahr durch ausländische Einflüsse, oppositionelle Bewegungen und Desinformationskampagnen.
Gleichzeitig entsteht durch die strikte Regulierung auch eine Chancenungleichheit für die Bevölkerung, die den üblichen Zugang zu internationalen Informationsquellen, kommunikativen Plattformen und digitalen Dienstleistungen verliert. Der Begriff „Cheburnet“ umschreibt dabei das neue digital isolierte Ökosystem, das mit dem alten, offenen Internet kaum noch Schnittmengen hat. Millionen von Webseiten sind für Nutzer in Russland nicht mehr erreichbar. Bekannte Plattformen wie Slashdot, Ars Technica, Coingecko oder Diskussionsforen, die wesentlich zur digitalen Szene beitragen, sind entweder komplett gesperrt oder nur mit schwerwiegenden Einschränkungen aufrufbar. Das hat nicht nur Einfluss auf den Informationszugang, sondern auch auf die Kommunikationsmöglichkeiten und den Austausch mit der weltweiten Gemeinschaft.
Ein zentraler technischer Eingriff wurde über das Blockieren von DNS-over-HTTPS (DoH) bei großen, populären Servern vollzogen. Zwar funktionieren DNS-over-TLS (DoT) Verbindungen noch, doch fehlen deren Aktivierungsmöglichkeiten in vielen Betriebssystemen, wodurch dieser Weg für den Durchschnittsnutzer kaum nutzbar ist. Zusätzlich wurden VPN-Protokolle wie OpenVPN und WireGuard schon seit Jahren stark eingeschränkt, mit dem jüngsten Abschalten des ShadowSocks-Protokolls am 9. Juni 2025 wurde ein weiteres ohnehin häufig genutztes Tool zur Umgehung der Zensur unbrauchbar gemacht. Internetprovider wie Dom.
ru, RosTelecom und Megafon versuchen sich offiziell von der Verantwortung frei zu sprechen, verweisen darauf, dass die Entscheidungen von der staatlichen Regulierung kommen und sie selbst keinen Einfluss hätten. Die Realität sieht jedoch so aus, dass die Anbieter gezwungen sind, Zusammenschaltungen und das DPI-Equipment einzusetzen, um die Anweisungen der Behörde durchzusetzen. Dies verflichtet die gesamte Infrastruktur in die neuen Zensurmechanismen. Das Resultat dieser Maßnahmen lässt sich als dramatisch bezeichnen. Internetnutzer in Russland sind praktisch auf einen stark eingeschränkten digitalen Raum beschränkt, der nur noch einen winzigen Bruchteil des internationalen Informationsflusses abbildet.
Tor-Netzwerke, lange Zeit als sicherer Hafen zur Umgehung der Zensur verfügbar, funktionieren nur noch stundenweise beziehungsweise extrem schleppend, Minecraft derlei Dienste vom Staat blockiert oder stark überwacht werden. Technologische Alternativen wie X-Ray, VLESS, VMess oder Trojan, die als VPN-ähnliche Umgehungsprotokolle fungieren, sind zwar noch im Umlauf, erreichen aber weder die Breitenwirkung noch die einfache Nutzbarkeit, um eine wirkliche Alternative zum offenen Internet zu sein. Die Suche nach funktionierenden Proxy-Servern oder alternativen Zugangswegen ist zu einer schwierigen und zeitintensiven Herausforderung geworden. Darüber hinaus hat sich die digitale Isolation auch negativ auf die Meinungsfreiheit und die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger ausgeübt, sich außerhalb staatlich kontrollierter Kanäle zu informieren und zu vernetzen. Die Einschränkungen betreffen auch soziale Medien und beliebte Kommunikationsplattformen, auf denen politisches Engagement, Ausdruck und Aktivismus stattfinden.
Die Folge ist eine Verarmung des öffentlichen Diskurses und eine Stärkung der staatlichen Informationsmonopole. Aus wirtschaftlicher Sicht schwächt die Abschottung Russlands am globalen Digitalmarkt die Innovationskraft und unterbindet den freien Zugang zu technischen Neuheiten, Software-Updates, internationalen Dienstleistungen und enge Kooperationen. Unternehmen sehen sich limitiert in der Nutzung von globalen Cloud-Services, Datenbanken und Analysetools. Das betrifft besonders den Technologiesektor, der sich traditionell durch offene Zusammenarbeit auszeichnet. Im sozialen Kontext zeigt sich, dass junge Menschen und besonders technikinteressierte Gruppen die Auswirkungen der Abschottung massiv spüren.
Der Zugang zu globaler Kultur, Bildungsressourcen und internationalen Netzwerken ist erschwert, was sich langfristig auf die Entwicklungschancen und Perspektiven dieser Generation auswirkt. Das Internet, einst als Fenster zur Welt gesehen, wird zunehmend zum digitalen Gefängnis. In der Gesamtbetrachtung weist das Phänomen „Cheburnet“ auf einen Trend hin, der nicht nur Russland betrifft. In Zeiten zunehmender digitaler Kontrolle und autoritärer Überwachung wird die Idee eines freien, weltumspannenden Netzes immer mehr durch nationale „Intranet“-Konzepte ersetzt. Russland stellt dabei ein drastisches Beispiel für diese Entwicklung dar.