Die Blockchain- und Kryptowährungsbranche hat in den letzten Jahren weltweit enorme Aufmerksamkeit erlangt. Länder auf der ganzen Welt wetteifern darum, das Spielfeld für Innovationen in diesem aufstrebenden Sektor so attraktiv wie möglich zu gestalten. Die USA, einst Vorreiter in der Technologieentwicklung, scheinen jedoch ihre Chance auf eine nachhaltige Krypto-Renaissance zu verpassen. Ursache dafür sind vor allem Unsicherheiten bei der Regulierung und ein restriktives Compliance-Umfeld, das amerikanische Innovatoren in die Defensive zwingt und sie oft gezwungen hat, ihre Projekte ins Ausland zu verlegen. Die amerikanische Krypto-Industrie leidet unter einem grundlegenden Problem: regulatorische Unklarheit.
Seit Jahren sehen sich Gründer von Blockchain-Projekten in den USA mit einem undurchsichtigen und häufig widersprüchlichen Rechtsrahmen konfrontiert. Insbesondere die Anwendung des Howey-Tests aus den 1940er-Jahren zur Einordnung von Token als Wertpapiere führt zu einer enormen Rechtsunsicherheit. Der Test war ursprünglich für traditionelle Finanzinstrumente konzipiert und ist auf das komplexe Wesen von Kryptowährungen und dezentralen Netzwerken nur bedingt anwendbar. Das Ergebnis ist eine paradox anmutende Regelung: Um als Projekt dezentral zu sein und somit unter erleichterte regulatorische Bedingungen zu fallen, müssen Token zunächst überhaupt veröffentlicht werden. Doch gerade die Token-Emission zieht automatisch die Aufmerksamkeit der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC auf sich, die viele dieser Token als Wertpapier klassifiziert und damit strengen Auflagen unterwirft.
Dies führt zu einem Dilemma für Start-ups und Entwickler, die auf Märkten weltweit um Aufmerksamkeit, Kapital und Talente konkurrieren. In der Praxis haben sich viele Gründer deshalb dazu entschieden, ihre Token-Emissionen und rechtliche Struktur außerhalb der USA zu etablieren. Länder wie die Schweiz mit ihrem flexiblen und klar geregelten Finanzmarktaufsichtssystem, die Cayman Islands und die Britischen Jungferninseln werden zunehmend zum Fokus für Blockchain-Unternehmen. Diese Offshore-Standorte bieten transparente und vorhersehbare Regelungen, die den Markteintritt erleichtern und damit ein Klima fördern, in dem Innovation florieren kann. Bemerkenswert ist, dass die eigentliche technologische Entwicklung vieler Projekte weiterhin in den Vereinigten Staaten stattfindet.
Amerikanische Entwickler sind nach wie vor Treiber neuer Ideen und Anwendungen im Blockchain-Bereich. Doch die Token-Emissionen sind oft ausgelagert, um rechtlichen Risiken in den USA aus dem Weg zu gehen. Dadurch entstehen aufwendige Strukturen mit „Associations“ und „Foundations“ im Ausland, die als rechtliche Schutzschilde fungieren. Diese Konstrukte verursachen nicht nur hohe Kosten in Form von Anwaltsgebühren und Verwaltungsaufwand, sondern schwächen auch die Innovationskraft, da Kapital und Expertise dezimiert werden. Die derzeitige „Regulation by Enforcement“-Strategie der SEC, bei der Regulierungsbehörden in vielen Fällen ohne klare Leitlinien direkt mit Klagen gegen Unternehmen vorgehen, führt zu einer Atmosphäre der Angst und Unsicherheit.
Projekte und Investoren können keine langfristige Planungssicherheit gewinnen, was den Standort USA im globalen Wettbewerb erheblich schwächt. Statt als einlandende Heimat für Blockchain-Pioniere aufzutreten, verliert das Land so Talente, Kapital und Einfluss an freundlichere Jurisdiktionen. Um die Krypto-Renaissance wiederzubeleben, bedarf es in den USA einer tiefgreifenden Reform der Rechtslage. Es reicht nicht, lediglich steuerliche Erleichterungen für Krypto-Transaktionen anzubieten, wie es einige politische Akteure vorgeschlagen haben. Vielmehr ist es essenziell, eine neue regulatorische Grundordnung zu schaffen, die den spezifischen Charakteren von Kryptowährungen gerecht wird.
Ein moderner rechtlicher Rahmen muss die unvermeidbare Zentralisierungspahse eines Projekts vor der Dezentralisierung anerkennen. Viele Blockchain-Projekte benötigen für ihre Entwicklung anfänglich eine aktive und koordinierte Führung. Das derzeitige starre Klassifizierungssystem, das jeden Token sofort mit dem Stempel eines Wertpapiers versieht, ist kontraproduktiv. Eine innovative Anpassung des Howey-Tests oder ein komplett neues Prüfverfahren, das eine Übergangszeit für die Dezentralisierung gewährt, könnte hier Abhilfe schaffen. Zugleich müssen klare Maßnahmen etabliert werden, um Insiderhandel und Missbrauch durch Projektinitiatoren während dieser Entwicklungsphase zu verhindern.
Ein ausgewogenes Set an Regulationsvorgaben, die sowohl Flexibilität für Wachstum als auch Schutz für Anleger bieten, ist unabdingbar. Darüber hinaus ist es wichtig, die Vorgehensweise der Aufsichtsbehörden zu verändern. Ein Ende der auf reaktiven Strafmaßnahmen basierenden Regulierung und der Übergang zu proaktiver, klarer und nachvollziehbarer Rechtsauslegung würden das Vertrauen von Entwicklern und Investoren stärken. Eindeutige Kriterien für die Einstufung von Tokens als Wertpapier oder Ware schaffen Rechtssicherheit und beenden die Praktik vermehrter Ausschlüsse von US-basierten Projekten durch internationale Liquiditätsanbieter und Börsen. Die Einbindung von Marktteilnehmern, Experten und der Zivilgesellschaft in den Gestaltungsprozess neuer Regulierungsmaßnahmen ist ein weiterer wichtiger Schritt.
Nur so kann ein praxisnahes, ausgewogenes und innovationsförderndes Umfeld entstehen, das den vielfältigen Anforderungen der Blockchain-Ökonomie gerecht wird. Die aktuelle Situation ist keinesfalls aussichtslos. Vielmehr steht das Land an einem Scheideweg: Entweder bleibt es bei der widersprüchlichen und innovationshemmenden Haltung der letzten Jahre, oder es wagt den Schritt zu einer flexiblen, zukunftsorientierten Regulierung und sichert sich damit eine führende Rolle in der nächsten digitalen Wirtschaftsepoche. Die Zeit drängt. Die Nachfrage nach Krypto-Lösungen und Blockchain-Anwendungen wächst global.