David Chase, der Schöpfer der ikonischen Serie „The Sopranos“, spricht in einem neuen Dokumentarfilm mit dem Titel „Wise Guy“ über die Entstehungsgeschichte der Show, ihre kulturelle Bedeutung und die Herausforderungen, die die Kreation und die Folgen mit sich brachten. Der Dokumentarfilm, der am Samstag auf HBO Premiere feiert, bietet einen tiefen Einblick in die Gedanken und Ideen von Chase, der als einer der visionärsten Geschichtenerzähler unserer Zeit gilt. „The Sopranos“, die von 1999 bis 2007 ausgestrahlt wurde, gilt als eine der besten Serien aller Zeiten und hat die Welt des Fernsehens revolutioniert. Mit ihrem komplexen Protagonisten Tony Soprano, einem Mobster, der versucht, sein Familienleben und das kriminelle Geschäft zu balancieren, stellte die Serie die Erwartungen an das Gangster-Genre in Frage. Im Zentrum des neuen Dokumentarfilms steht David Chase, der in intimen Interviews schildert, wie seine eigene Lebensgeschichte die Schaffung der Serie beeinflusste.
Chase, der im Alter von 79 Jahren immer noch als scharfsinniger Erzähler auftritt, gibt Einblicke in die bevorstehende Herausforderung, seine Gedanken und Errungenschaften zu reflektieren. „Ich dachte, dass meine Geschichte noch nie richtig erzählt wurde“, erklärt er und beschreibt seine Zusammenarbeit mit dem renommierten Filmemacher Alex Gibney, der für Dokumentarfilme wie „Taxi to the Dark Side“ bekannt ist. Gemeinsam beleuchten sie die Anfänge von „The Sopranos“ und die kreativen Kämpfe, die Chase auf dem Weg zur Schaffung einer Fernsehlegende durchlebte. Ein zentrales Thema des Dokufilms ist die Darstellung von James Gandolfini, dem Schauspieler, der Tony Soprano unvergesslich machte. Der Dokumentarfilm thematisiert Gandolfinis persönliche Kämpfe mit Sucht und seinem plötzlichen Tod im Jahr 2013.
Diese ehrlichen Einblicke zeigen, wie die erfolgreiche Serie auch von den inneren Dämonen ihres Hauptdarstellers geprägt wurde. Chase sagt, dass Gandolfini oft nicht zur Arbeit erschien und dass die Produzenten Schwierigkeiten hatten, mit seinen Problemen umzugehen. Trotz der ernsten Themen bietet „Wise Guy“ auch humorvolle und herzerwärmende Momente. Eine der Neuigkeiten sind die selten gezeigten Audition-Tapes der Schauspieler, die für die Hauptrollen vorsprachen, darunter Michael Imperioli und Drea de Matteo. Diese Aufnahmen werfen ein Licht auf die anfänglichen Umstände der Casting-Prozesse und zeigen, wie die talentiertesten Persönlichkeiten der Branche in die Rollen hineingewachsen sind, die sie nun so gut verkörpern.
Neben dem Fokus auf die Vergangenheit spricht Chase auch über die Reaktionen auf den Prequel-Film „The Many Saints of Newark“. Er räumt ein, dass er in der Konzeptions- und Schreibphase einige Fehler gemacht hat. Der Film, der sich auf die Geschichte von Dickie Moltisanti konzentrierte, dem Vater von Christopher Moltisanti, wurde von vielen als unzureichend angesehen, da er zwar im „Sopranos“-Universum spielt, aber von der Werbung als Geschichte über Tony Soprano vermarktet wurde. „Das war wirklich eine Gangster-Geschichte, nicht die Ursprungsgeschichte dieses Kindes“, sagt Chase. „Die Fans, die kamen, waren empört, weil sie nicht das bekommen haben, was das Studio ihnen versprochen hat.
“ Diese Diskrepanz zwischen den Erwartungen und der tatsächlichen Erzählung führte zu einer enttäuschenden Reaktion an der Kinokasse und zu dem Missverständnis, dass Chase nur einen weiteren finanziellen Nutzen aus der Marke „The Sopranos“ ziehen wollte. „Ich schwöre, es war kein Cash Grab“, betont er nachdrücklich. In den letzten Jahren hat Chase sich von der Vorstellung eines weiteren „Sopranos“-Prequels, das Tony in seinen Zwanzigern verfolgt, distanziert. Stattdessen widmet er seine kreative Energie neuen Filmprojekten, die er realisieren möchte. „Ich arbeite gerne mit talentierten Menschen, aber ich werde älter, und ich möchte wirklich nur noch Filme machen, was derzeit sehr schwer zu realisieren ist“, sagt er und reflektiert die Herausforderungen, die das Filmemachen heutzutage mit sich bringt.
Die kulturelle Bedeutung von „The Sopranos“ bleibt unbestreitbar. Chase beobachtet mit Staunen, wie die Serie auch Generationen nach ihrem Ende sowie die neue Welle von Fans, die durch Streaming-Dienste gewonnen werden, weiterhin begeistert. „Für mich, als jemand, der in der Unterhaltungsbranche tätig ist, könnte man sich nichts mehr wünschen“, sagt er. Diese anhaltende Relevanz zeugt von der Fähigkeit der Serie, zeitlose Themen von Familie, Macht und Identität zu erforschen – Themen, die auch in der modernen Welt von Bedeutung bleiben. Ein weiterer interessanter Aspekt, den Chase beleuchtet, ist die Veränderung im Fernsehkonsum und der Einfluss, den verschiedene Streaming-Plattformen auf die Erzählweise haben.
„Früher war es so, dass du zwölf Episoden in einer Staffel machen und eine Geschichte über mehrere Jahre hinweg erzählen konntest. Heute erfordert das Publikum sofortige Befriedigung“, erklärt Chase. Auf die Frage, ob er glaubt, dass eine Serie wie „The Sopranos“ heute gemacht werden könnte, antwortet er offen. „Netzwerke würden jetzt nicht einmal eine Geschichte wie 'Anne auf Green Gables' in Erwägung ziehen. Ich hatte einfach das Glück, dass HBO bereit war, Veränderungen zuzulassen.
“ Der Dokumentarfilm „Wise Guy“ bietet nicht nur einen nostalgischen Rückblick auf eine der größten Serien aller Zeiten, sondern auch eine ehrliche Reflexion über die Erschaffung und die Lasten, die mit einem solchen Kultphänomen verbunden sind. Chase bleibt bescheiden angesichts des Erbes, das „The Sopranos“ hinterlassen hat, und weist darauf hin, dass die Nachhaltigkeit von Geschichten und Charakteren nicht repliziert werden kann. „So viele Fortsetzungen und Prequels scheitern, weil man versucht, ein Geheimnis zu wiederholen“, sagt er. „Es ist wirklich schwer.“ Mit diesen Gedanken im Hinterkopf lädt Chase die Zuschauer dazu ein, sich „Wise Guy“ anzusehen und die Welt von „The Sopranos“ durch seine Augen zu erleben.
Durch die Linse dieses Dokumentarfilms wird klar, dass hinter dem glitzernden Glanz der Erinnerungen auch harte Realitäten und unverblümte Wahrheiten stecken – etwas, das die Serie über all die Jahre so authentisch und resonant gemacht hat.