In den letzten Jahren hat das Vertrauen der afrikanischen Bevölkerung in staatliche Institutionen deutlich abgenommen. Eine breite Umfrage, die von Afrobarometer in 39 afrikanischen Ländern durchgeführt wurde, zeigt, dass traditionelle und religiöse Führer sowie das Militär nach wie vor die höchsten Vertrauenswerte genießen, während Parlamente, Polizei, Gerichte und die Präsidentschaft bei vielen Bürgern an Glaubwürdigkeit eingebüßt haben. Dieses Phänomen hinterlässt nicht nur Fragen hinsichtlich der Effektivität der Staatsführung, sondern wirft auch ein Schlaglicht auf die Rolle alternativer Machtstrukturen in Afrika. Die Studie basiert auf über 53.000 Interviews, die seit 1999 regelmäßig durchgeführt werden, um die öffentliche Meinung und das Vertrauen gegenüber unterschiedlichen Institutionen zu bewerten.
Seit 2012 ist eine klare Tendenz erkennbar: Während das Vertrauen in die meisten offiziellen Institutionen kontinuierlich sinkt, zeigen religiöse Führer, die Armee und traditionelle Autoritäten stabile und teils hohe Vertrauenswerte. Im Durchschnitt vertrauen 66 Prozent der Befragten religiösen Führern, 61 Prozent der Armee und 56 Prozent den traditionellen Führungspersonen. Im Gegensatz dazu fallen wichtige Regierungsinstitutionen wie die Präsidentschaft, das Parlament, die Polizei und die Justiz unter die 50-Prozent-Marke beim Vertrauen. Dieser Vertrauensverlust ist jedoch regional unterschiedlich ausgeprägt. In Ost- und Westafrika existieren vergleichsweise höhere Vertrauensniveaus gegenüber staatlichen Einrichtungen als in Zentral-, Süd- und Nordafrika.
Länder wie Tansania, Niger und Burkina Faso verzeichnen trotz der allgemeinen Trends noch relativ hohe Vertrauensergebnisse. Hingegen sind Staaten wie Gabun, Eswatini und São Tomé und Príncipe besonders kritisch gegenüber ihren Institutionen eingestellt. Das nachlassende Vertrauen in den Staat hat vielfältige Ursachen. Korruption, mangelnde Transparenz, ineffiziente öffentliche Dienstleistungen und politische Instabilität tragen maßgeblich zu dieser Entwicklung bei. Bürger nehmen oft wahr, dass die Regierung nicht ausreichend verantwortungsbewusst oder wirksam handelt, was die Legitimität der Staatsorgane in Frage stellt.
Im Gegensatz dazu gelten traditionelle und religiöse Führungspersonen als näher an der Bevölkerung, was ihr Vertrauen begünstigt. Ebenso ist die Rolle der Armee bemerkenswert. Obwohl Militärputschen in der Vergangenheit die politische Landschaft Afrikas geprägt und oft negative Folgen für die demokratische Entwicklung hatten, genießt das Militär bei vielen Bürgern eine relativ hohe Wertschätzung. Eine der Erklärungen liegt darin, dass die Armee im Gegensatz zur Polizei weniger in den Alltag der Bürger eingreift und dadurch weniger Reibungspunkte bietet. Dieses Phänomen kann auch als eine Folge der Wahrnehmung gesehen werden, dass das Militär als Ordnungskraft und Schutzinstanz fungiert, die im Vergleich zum Staatsapparat effizienter agiert.
Die Akzeptanz von militärischen Übergangsregierungen und Putschregimes in einigen Ländern ist vor diesem Hintergrund besser zu verstehen. Das Vertrauen in die Armee könnte als eine Art von politischem Sicherheitsnetz oder als Ausdruck von Frustration gegenüber zivilen Regierungen interpretiert werden. Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass dieses Vertrauen die demokratische Entwicklung beeinträchtigt, da der Einfluss des Militärs auf politische Entscheidungsprozesse zunimmt. Darüber hinaus wirft der hohe Zuspruch zu informellen Institutionen wie traditionellen und religiösen Führern wichtige Fragen bezüglich ihrer Rolle in der modernen afrikanischen Governance auf. Diese Akteure übernehmen nicht nur spirituelle und kulturelle Aufgaben, sondern wirken auch als Vermittler in Konflikten, Berater bei politischen Prozessen und Hüter sozialer Normen.
Die Einbindung dieser Institutionen in staatliche Entscheidungsprozesse könnte eine Brücke zwischen Regierung und Bürgern schlagen, birgt jedoch auch Risiken in Bezug auf politische Instrumentalisierung und Machtmissbrauch. Die Herausforderungen für afrikanische Regierungen sind daher vielschichtig. Um das schwindende Vertrauen in die offiziellen Institutionen wiederherzustellen, sind Reformen in den Bereichen Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Effizienzsteigerung dringend notwendig. Öffentliche Einrichtungen müssen für die Bevölkerung greifbarer und leistungsfähiger werden, um wieder als legitime und verlässliche Partner wahrgenommen zu werden. Eine verstärkte Zusammenarbeit mit traditionellen und religiösen Führern bietet Potenzial für inklusivere Governance-Modelle, die lokale Bedürfnisse besser berücksichtigen und politischen Zusammenhalt fördern können.
Zugleich muss die politische Rolle dieser Akteure klar definiert und Regulierungsmöglichkeiten geschaffen werden, um Missbrauch zu verhindern. Die öffentliche Sicherheit sollte durch professionelle, faire und bürgernahe Polizeiarbeit verbessert werden, um das negative Image der Sicherheitsorgane zu korrigieren. Vertrauen entsteht maßgeblich aus der direkten Erfahrung und Interaktion der Bürger mit den Institutionen. Positive Erlebnisse prägen das Bild und steigern die Akzeptanz. Schließlich verdeutlicht die Untersuchung die immense Bedeutung von institutionellem Vertrauen für politische Stabilität und die Entwicklungsfähigkeit eines Landes.
Regierungen, egal ob demokratisch oder autoritär, sind auf eine gewisse Rückendeckung durch die Bevölkerung angewiesen, um nachhaltig Erfolg zu haben. Vertrauen ist hierbei der entscheidende Kitt, der Gesellschaft und Staat zusammenhält und die Basis für ein funktionierendes Gemeinwesen bildet. Die Trendwenden in der afrikanischen Institutionenlandschaft bieten zugleich eine Chance. Indem politische Entscheidungsträger auf die Erwartungen der Bürger eingehen, Transparenz schaffen und die Schwächen im System erkennen und beheben, kann der Rückgang des Vertrauens umgekehrt werden. Die Anerkennung der Bedeutung von Armee, religiösen und traditionellen Führern als vertrauenswürdige Akteure sollte dabei konstruktiv genutzt werden, ohne die fundamentale Rolle des Staates und demokratischer Institutionen zu gefährden.
Die Zukunft Afrikas hängt maßgeblich davon ab, ob es gelingt, das Miteinander von formellen und informellen Institutionen zu stärken, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen und eine inklusive, transparente und leistungsfähige Regierungsführung zu etablieren. Nur so können politische Konflikte vermieden, soziale Kohäsion gefördert und nachhaltige Entwicklung in den vielfältigen afrikanischen Gesellschaften ermöglicht werden. Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass das Vertrauen der Bevölkerung zwar erschüttert ist, aber keineswegs verloren gehen muss – es bedarf entschlossener Maßnahmen und eines klugen Umgangs mit den vielfältigen Akteuren auf dem Kontinent.